Fachkräftesicherung durch Frauenerwerbstätigkeit

Die Drucksache 21/1206 enthält die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zu den Hintergründen einer im Koalitionsvertrag angekündigten Fachkräftesicherung durch die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen. Im Zentrum steht die Frage, ob und wie durch eine stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt das Fachkräfteproblem in Deutschland gemildert werden kann. Im Folgenden eine strukturierte Zusammenfassung des Inhalts:

1. Politischer Hintergrund:
Im Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD wird die Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit als „entscheidender Faktor“ zur Fachkräftesicherung bezeichnet, allerdings unter dem Vorbehalt, dass niemand zur Arbeitszeiterhöhung gezwungen werden dürfe.

2. Erwerbsquote von Frauen (Status quo):
Die Erwerbstätigenquote von Frauen lag 2024 bei 74,1 % – im internationalen Vergleich ein hoher Wert. Gleichzeitig arbeiten viele Frauen in Teilzeit, oftmals freiwillig. Nur etwa 4,2 % der teilzeitbeschäftigten Frauen sind laut Statistischem Bundesamt unfreiwillig in Teilzeit.

3. Wissenschaftliche Perspektiven:

  • Prof. Dr. Katharina Wrohlich (DIW): Befürwortet staatliche Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitszeit bei Frauen – etwa durch den Abbau struktureller Hindernisse.
  • Prof. Dr. Martin Schröder (Uni Saarbrücken): Weist darauf hin, dass Frauen tendenziell weniger Wert auf beruflichen Aufstieg und Einkommen legen und mit ihrer Arbeitssituation ähnlich zufrieden sind wie Männer – trotz geringerer Arbeitszeit und Entlohnung.

4. Maßnahmen der Bundesregierung:
Die Bundesregierung verweist auf eine Vielzahl bereits geplanter Maßnahmen:

  • Ausbau und Modernisierung von Krippen, Kitas und Ganztagsbetreuung
  • Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie (z. B. Elterngeld, Pflegezeit)
  • Steuerliche Anreize zur Ausweitung der Arbeitszeit
  • Kein Zwang zu höherer Arbeitszeit; stattdessen Unterstützung bei der Umsetzung individueller Erwerbswünsche

5. Geplante Forschung und Evaluierung:
Die Bundesregierung beobachtet fortlaufend die sozialen Auswirkungen einer gesteigerten Erwerbsbeteiligung, insbesondere auf Kinder, Familienstruktur und Gesundheit. Konkrete neue Forschungsvorhaben sind jedoch nicht definiert.

6. Betreuungsausbau als Voraussetzung:
Zahlreiche Studien bestätigen, dass der Ausbau von Betreuungsangeboten (v. a. für unter Dreijährige und Grundschulkinder) maßgeblich zur Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit beiträgt. In Westdeutschland fehlen beispielsweise rund 210.000 Betreuungsplätze für Kleinkinder.

7. Kein festgelegter Zielwert:
Die Bundesregierung gibt keinen konkreten Zielwert für die Frauenerwerbsquote an, ab dem Maßnahmen beendet würden.

8. Keine branchenspezifische Priorisierung:
Eine gezielte Erhöhung des Frauenanteils in bestimmten Branchen ist nicht geplant. Stattdessen wird auf „klischeefreie Berufswahl“ gesetzt.

9. Fachkräftepotenzial durch Arbeitszeitausweitung:
Eine Stunde Mehrarbeit pro Woche durch 2,5 Millionen Mütter mit unter 28 Wochenstunden Arbeitszeit würde laut Prognos AG 71.000 Vollzeitäquivalente generieren. Ein langfristiges Szenario prognostiziert bei 10 % mehr Erwerbsquote von Frauen ein zusätzliches Potenzial von über 400.000 Arbeitskräften in fünf Jahren.

Kritische Würdigung:
Die Bundesregierung agiert mit einem klassisch sozialpolitischen Instrumentarium, wobei die Betonung auf der Freiwilligkeit und Vereinbarkeit liegt. Während die Maßnahmen zur Förderung der Erwerbstätigkeit durchaus nachvollziehbar erscheinen, bleibt offen, ob sie angesichts struktureller Realitäten – wie kulturell verankerter Rollenbilder, Präferenzunterschieden und demografischer Rahmenbedingungen – den behaupteten Beitrag zur Fachkräftesicherung tatsächlich leisten können. Zudem mangelt es an einer belastbaren Zieldefinition und an klar quantifizierten Evaluationsmechanismen. Die strategische Offenheit – etwa keine branchenspezifische Steuerung – wirkt wenig zielgerichtet angesichts konkreter Engpässe etwa in Pflege, Bildung oder MINT-Berufen. Auch die fehlende Aussage zu finanziellen Mitteln schwächt die Glaubwürdigkeit der Ambitionen.


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