Das Dokument „Feministische Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 2 – 032/25) bietet eine kompakte, aber substanzreiche Darstellung zur Konzeption, Entwicklung, Umsetzung und Kritik der feministischen Außenpolitik (FAP) Deutschlands, insbesondere zwischen 2021 und 2025. Im Folgenden eine ausführliche Zusammenfassung:
1. Einleitung:
Die FAP wurde unter Außenministerin Annalena Baerbock 2023 als außenpolitisches Leitbild eingeführt, verlor jedoch mit dem Regierungswechsel 2025 an offizieller Bedeutung. Die Umsetzung der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ gemäß VN-Resolution 1325 bleibt allerdings weiter Bestandteil deutscher Außenpolitik. Obgleich Außenminister Wadephul eine „politische Abkehr“ von der FAP ankündigte, lässt sich bislang keine klare Veränderung der praktischen Politik erkennen – nicht zuletzt, weil der Haushalt 2025 noch nicht verabschiedet wurde.
2. Historische Entwicklung:
Die Wurzeln der FAP reichen bis zum Internationalen Frauenkongress 1915 zurück, der Friedenspolitik mit Frauenemanzipation verknüpfte. Meilensteine der internationalen Institutionalisierung sind die Pekinger Aktionsplattform (1995) und die UN-Resolution 1325 (2000). Das erste nationale FAP-Konzept legte Schweden 2014 unter Ministerin Margot Wallström vor. Deutschland orientierte sich stark am schwedischen Modell.
3. Konzept Feministischer Außenpolitik:
FAP wird als normative, menschenrechtsbasierte Außenpolitik verstanden, die Geschlechtergerechtigkeit sowie die Repräsentation marginalisierter Gruppen (inkl. LGBTQI) fördern will. Unterschiedliche nationale Modelle – etwa in Frankreich, Luxemburg oder Schweden – verfolgen dabei divergierende Strategien. Die deutsche FAP übernimmt zentrale Ansätze, etwa die sog. „3R+D“-Formel (Rechte, Ressourcen, Repräsentation plus Diversität), bleibt jedoch theoretisch wenig einheitlich. Evaluierungskriterien fehlen bislang.
4. Umsetzung in Deutschland (2021–2024):
Im Koalitionsvertrag 2021 wurde FAP als Ziel definiert. Baerbocks Auswärtiges Amt veröffentlichte 2023 entsprechende Leitlinien, die insbesondere auf eine gendergerechte Mittelverwendung, Reformen in der Personalpolitik sowie eine „gendertransformative“ Ausrichtung der humanitären Hilfe abzielten. Parallel verfolgte auch das BMZ unter Ministerin Schulze eine feministische Entwicklungspolitik (FEP) mit ähnlichen Zielgrößen. Beide Ministerien strebten an, 85 % der Projektmittel geschlechtergerecht einzusetzen; 8 % sollten gendertransformative Projekte fördern.
5. Kritik:
Feministische Stimmen kritisieren, dass das AA – anders als das BMZ – zentrale Begriffe wie „Patriarchat“ meidet und den Anteil der wirklich transformativ wirkenden Maßnahmen für zu gering bemisst. Weitere Kritik betrifft die praktische Umsetzung: So offenbarten der Ukrainekrieg, die Iran-Politik und die Haltung zu Israel oder Afghanistan deutliche Widersprüche zwischen normativer Rhetorik und realpolitischer Praxis. Der Vorwurf einer „elitären, weißen“ oder gar „kolonialen“ FAP taucht ebenfalls auf. Dennoch wird FAP von Fachleuten wie Claudia Zilla als sinnvolle normative Richtschnur verteidigt.
6. Bewertung:
Eine systematische, öffentlich zugängliche Evaluierung existiert bislang nicht. Der Erfolg wird vorrangig an Einzelindikatoren wie dem Anteil von Frauen in Führungspositionen (2024: 31,8 %) oder der Quote gendergerechter Projekte gemessen (2024: 65 %, angestrebt: 85 %). Fachleute fordern eine methodisch fundierte Wirkungsanalyse. Politisch bleibt unklar, inwieweit sich die FAP unter der neuen Regierung (CDU/CSU-SPD-Koalition) fortsetzt oder entkernt wird – erste Anzeichen deuten eher auf eine technokratische Fortführung ohne expliziten FAP-Bezug.
Fazit:
Die FAP in Deutschland war in der Theorie ambitioniert und international eingebettet, in der Praxis jedoch inkonsequent und mit konzeptionellen Schwächen behaftet. Der Wechsel im Auswärtigen Amt deutet auf eine Entpolitisierung feministischer Rhetorik hin, ohne dass damit zwangsläufig ein Bruch mit bisherigen Projekten einhergehen muss. Die eigentliche Gretchenfrage – ob und wie Gleichstellung strukturell in Außenpolitik verankert werden kann – bleibt unbeantwortet. Eine kritische und methodisch saubere Evaluierung steht bislang aus und wäre für jede Form künftiger feministischer oder gleichstellungsorientierter Außenpolitik dringend erforderlich.