Zusammenfassung der WIFO-Studie „Freihandel, anyone?“
Einleitung:
In turbulenten Zeiten für den Welthandel hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) gemeinsam mit dem Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) und dem Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) eine brisante Studie veröffentlicht. Unter dem Titel „Freihandel, anyone?“ analysieren die Experten die potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen verschiedener Handelsszenarien zwischen der Schweiz und den USA. Angesichts der Bedeutung der USA als zweitwichtigstem Handelspartner (nach der EU) und aktueller handelspolitischer Unsicherheiten sind die Ergebnisse von hoher Relevanz.
Was wurde untersucht?
Mithilfe des KITE-Simulationsmodells wurden sechs Szenarien durchgerechnet – von einem umfassenden Freihandelsabkommen (FTA) über pragmatische Zwischenlösungen bis hin zu einem eskalierenden Handelskonflikt („Handelskrieg“) mit gegenseitigen Zollerhöhungen.
Die Kernergebnisse der Studie:
- Freihandel bringt deutliches Wachstum: Ein ambitioniertes, umfassendes Freihandelsabkommen mit den USA könnte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Schweiz langfristig um 1,2% bis 1,3% steigern. Selbst pragmatischere Abkommen würden immer noch ein deutliches Plus von 0,5% bis 0,7% bringen.
- Handelskrieg schadet massiv: Ein Szenario mit eskalierenden Zöllen würde das Schweizer BIP hingegen um 0,4% bis 0,5% schrumpfen lassen. Die Vorteile eines Abkommens sind also auch eine Versicherung gegen schmerzhafte Verluste.
- Exporte würden boomen: Bei einem tiefen Abkommen könnten die Schweizer Gesamtexporte um 7-8% zulegen. Die Exporte direkt in die USA könnten sogar um über 70% steigen.
- Wichtige Sektoren profitieren stark: Besonders exportstarke Branchen wie die Pharmaindustrie (+8,8% Produktionszuwachs im besten Szenario), der Maschinenbau, die chemische Industrie und der Finanz- und Versicherungssektor (+ bis zu 5,9%) wären die grossen Gewinner einer Liberalisierung.
- Landwirtschaft: Kein Showstopper: Die oft als Hürde genannte Landwirtschaft würde selbst im umfassendsten Liberalisierungsszenario nur moderate Produktionsrückgänge von maximal 1,6% erleiden, in pragmatischen Szenarien deutlich weniger (-0,1% bis -0,7%). Die Studie argumentiert, dass dies angesichts der gesamtwirtschaftlichen Vorteile und der Risiken eines Konflikts kein Hinderungsgrund für ein Abkommen sein sollte (ggf. mit Kompensationen).
- Alle Regionen gewinnen: Die Analyse zeigt klar, dass bei einer Handelsliberalisierung alle Schweizer Regionen profitieren würden, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass. Zürich verzeichnet die höchsten Zuwächse, aber auch Genf, die Ost-, Nordwest- und Zentralschweiz legen deutlich zu.
- Auch die USA profitieren: Obwohl die prozentualen Effekte für die riesige US-Wirtschaft kleiner sind (bis +0,04% BIP), wären auch sie positiv. Politisch relevante Branchen wie Bergbau, Autoindustrie, Digitalwirtschaft und Landwirtschaft würden in den USA zulegen.
Fazit und Empfehlung:
Die Studie kommt zu einem klaren Schluss: Ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA wäre für beide Seiten ein Gewinn („Win-Win“). Es würde nicht nur erheblichen Wohlstand schaffen, sondern die Schweiz auch vor den negativen Folgen eines möglichen Handelskriegs schützen. Angesichts der aktuellen globalen Lage und der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der USA empfehlen die Autoren der Schweiz dringend eine proaktive Handelsstrategie. Auch wenn ein umfassendes Abkommen schwierig sein mag, sollten gezielte Verhandlungen über einen Abbau von Handelshemmnissen in strategischen Sektoren angestrebt werden, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA zu vertiefen und langfristig Wohlstand zu sichern.
Quelle:
Christen, E., Felbermayr, G., Mahlkow, H. (WIFO), Wanner, J. (IfW), Mosler, M., Schaltegger, C. A. (IWP) (April 2025). Freihandel, anyone? Effekte handelspolitischer Szenarien zwischen der Schweiz und den USA. WIFO, IfW, IWP.