Friedrich Merz in der Wirtschaft (2009–2018): Eine Dekade zwischen Kanzlei, Konzern und Kapital

Als Friedrich Merz 2009 seine politische Laufbahn im Bundestag vorübergehend beendete, vollzog er keinen Rückzug ins Private, sondern einen professionellen Seitenwechsel – von der Legislative in die Chefetagen der Wirtschaft. Was folgte, war eine bemerkenswerte Karriere in der Privatwirtschaft, die nicht nur sein juristisches Können unter Beweis stellte, sondern auch seine strategischen Ambitionen in der deutschen und internationalen Unternehmenswelt sichtbar machte. Diese Phase – oft als „Auszeit von der Politik“ missverstanden – war in Wahrheit eine Ära wirtschaftlicher Machtkonsolidierung, Netzwerkpflege und systematischer Einflussnahme.

Juristische Karriere bei Mayer Brown – mehr als nur Beratung

Bereits seit 2005 war Merz Partner, später Senior Counsel, bei der renommierten internationalen Wirtschaftskanzlei Mayer Brown LLP im Düsseldorfer Büro. Zwischen 2009 und 2018 war diese Position sein berufliches Zentrum. Seine Spezialisierung: Unternehmensrecht, Fusionen & Übernahmen, Compliance und Finanzrecht – Themenfelder, in denen politische Erfahrung, juristische Exzellenz und wirtschaftliches Fingerspitzengefühl aufeinandertreffen.

Merz beriet in dieser Funktion große deutsche DAX-Konzerne sowie internationale Finanz- und Industrieunternehmen. Die Rolle ging weit über juristische Expertise hinaus: Sie positionierte ihn als Schnittstelle zwischen Wirtschaft, Recht und – wenn auch indirekt – Politik. Er war damit nicht nur ein Berater, sondern ein wirtschaftlicher Strippenzieher im Hintergrund.

Aufsichtsratsmandate – ein Netz aus Einflusspositionen

Parallel zu seiner Kanzleitätigkeit baute Merz ein beeindruckendes Portfolio an Aufsichtsrats- und Beiratsmandaten auf. Besonders markant war seine Rolle bei BlackRock Deutschland, wo er ab 2016 bis 2020 dem Aufsichtsrat vorstand. In diesem Zeitraum – also teils über das Jahr 2018 hinaus – war er Aufseher der deutschen Tochter des größten Vermögensverwalters der Welt, dessen Aktienbeteiligungen tief in die Strukturen deutscher Konzerne hineinreichen. Die Nähe zu einem Finanzgiganten wie BlackRock wurde später politisch hochumstritten – insbesondere als Merz in die CDU-Führung zurückstrebte.

Doch BlackRock war nur ein Baustein. Hinzu kamen Positionen bei:

  • WEPA Industrieholding (2009–2021): Hygieneartikelhersteller, bei dem Merz langjähriges Aufsichtsratsmitglied war.
  • Flughafen Köln/Bonn (Aufsichtsratsvorsitzender, 2017–2020)
  • HSBC Deutschland (Aufsichtsratsmitglied)
  • Stadler Rail (Verwaltungsrat bis 2020)

Weitere Funktionen übernahm Merz bei Unternehmen wie AXA, BASF Antwerpen, Borussia Dortmund, Deutsche Börse, Interseroh/Alba und IVG Immobilien. Diese Vielzahl an Mandaten verdeutlicht nicht nur seine wirtschaftliche Relevanz, sondern auch eine strategische Breite über unterschiedliche Branchen hinweg – von Versicherungen über Chemie bis Sport.

Ein Mandat der besonderen Art: Die WestLB-Affäre

2010 ernannte ihn der staatliche Bankenrettungsfonds SoFFin zum „Veräußerungsbevollmächtigten“ der taumelnden Landesbank WestLB. Seine Aufgabe: die Bankanteile zu veräußern. Der Versuch scheiterte, doch das Honorar – 5.000 Euro pro Tag – blieb. Dieser Einsatz war exemplarisch für das Spannungsfeld zwischen öffentlicher Verantwortung und privater Vergütung, das Merz in dieser Dekade mehrfach betrat.

Atlantik-Brücke und Co. – Netzwerke mit politischem Nachhall

Neben seiner Kerntätigkeit war Merz von 2009 bis 2019 Vorsitzender der Atlantik-Brücke, einem einflussreichen deutsch-amerikanischen Elitenetzwerk. Dieses Engagement trug wesentlich zur Pflege seiner internationalen Kontakte bei – insbesondere in den USA, im Finanz- wie auch im Sicherheitssektor. Weitere Mitgliedschaften in der Ludwig-Erhard-Stiftung und wirtschaftsnahen Organisationen zeugen davon, dass Merz seine politischen Ideale wirtschaftlich weiterentwickelte, wenn nicht gar institutionalisierte.

Einkommen und Vermögen – diskrete Prosperität

Laut dem Guardian belief sich sein Jahreseinkommen in der Spitze auf etwa 1 Million Euro, mit Einzelvergütungen von:

  • 125.000 € von BlackRock
  • 80.000 € von WEPA
  • 75.000 € von HSBC Trinkaus
  • 14.000 € vom Flughafen Köln/Bonn

Sein Vermögen wurde gegen Ende des Jahrzehnts auf etwa 12 Millionen Euro geschätzt. Diese Zahlen verweisen nicht nur auf ökonomischen Erfolg, sondern auch auf ein finanzielles Fundament, das seine spätere politische Unabhängigkeit zumindest erleichtert haben dürfte.

Fazit: Karriere in der Wirtschaft als Machtbasis

Die Jahre 2009 bis 2018 waren keine politische Pause, sondern ein bewusster Schritt in die Zentren der ökonomischen Macht. Friedrich Merz nutzte diese Zeit, um seine Netzwerke auszubauen, Kapital zu akkumulieren und sich als Wirtschaftsakteur mit Einfluss auf europäischer Ebene zu etablieren. Seine juristische Tätigkeit war das Rückgrat, seine Aufsichtsratsmandate das Instrument, seine Netzwerke das Kapital. Als er 2018 in die Politik zurückkehrte, tat er das nicht als Heimkehrer, sondern als Mann mit erprobter Macht – politisch wie wirtschaftlich.

Tätigkeit bei BlackRock Deutschland

Friedrich Merz war von 2016 bis 2020 Vorsitzender des Aufsichtsrats von BlackRock Deutschland, der deutschen Tochter des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock Inc. Seine Rolle bei BlackRock war jedoch weder operativ noch strategisch im klassischen Unternehmenssinn, sondern vor allem aufsichtsrechtlich und reputativ bedeutend – was seine Funktion nicht weniger brisant machte. Friedrich Merz war zu keiner Zeit CEO (Chief Executive Officer) von BlackRock Deutschland. Seine Rolle war rein aufsichtsrätlich, konkret als Vorsitzender des Aufsichtsrats der deutschen Tochtergesellschaft von BlackRock – also in einer kontrollierenden, nicht geschäftsführenden Funktion.

Was bedeutet das konkret?

In Deutschland haben Tochtergesellschaften internationaler Konzerne in der Regel einen eigenen Aufsichtsrat, der vor allem gesetzliche und regulatorische Pflichten überwacht – insbesondere bei Unternehmen im Finanzsektor. Als Vorsitzender dieses Gremiums war Merz also nicht im operativen Tagesgeschäft tätig, sondern hatte folgende Kernaufgaben:

  1. Überwachung der Geschäftsführung der deutschen BlackRock-Niederlassung, insbesondere in Bezug auf Einhaltung gesetzlicher Regelungen (BaFin, MiFID II etc.).
  2. Reputationsstärkung und politische Einbettung: Als prominenter Ex-Politiker und wirtschaftlich erfahrener Jurist wurde Merz in einer Art „Trustee-Rolle“ gesehen. Er verlieh dem Unternehmen Glaubwürdigkeit – besonders in einem Land, in dem angelsächsische Finanzakteure skeptisch betrachtet werden.
  3. Regulatorische Beratung auf strategischer Ebene: Auch wenn Merz formell keine Entscheidungen über Investments oder Fondsmanagement traf, konnte er aufgrund seines politischen und juristischen Hintergrunds den Dialog mit Regulierungsbehörden, Aufsichten und politischen Entscheidungsträgern unterstützen.
  4. Kontaktpflege auf höchster Ebene: Durch seine Netzwerke – Atlantik-Brücke, CDU, Wirtschaftsverbände – war er ein Türöffner zu deutschen Konzernen, politischen Entscheidungsträgern und Thinktanks.

Warum war seine Tätigkeit umstritten?

Die öffentliche Debatte entzündete sich weniger an konkreten Handlungen als an wahrgenommenen Interessenkonflikten, vor allem als Merz 2018 in den CDU-Vorsitz strebte. Kritiker warfen ihm vor, ein potenzieller Kanzlerkandidat dürfe nicht mit einem Unternehmen verbunden sein, das signifikante Anteile an DAX-Konzernen hält und zugleich in Bereichen wie Altersvorsorge, Infrastruktur und Staatsanleihen investiert ist.

Besonders heikel: BlackRock besitzt als Großinvestor Anteile an fast allen DAX-Unternehmen, oft als größter Einzelaktionär. Dadurch wird ein Vorsitzender des Aufsichtsrats – selbst wenn formal ohne Einfluss auf Investitionsentscheidungen – schnell zur Symbolfigur einer Machtverflechtung zwischen Kapital und Politik.

Zusammengefasst:

  • Titel: Vorsitzender des Aufsichtsrats, BlackRock Deutschland (2016–2020)
  • Tätigkeit: Aufsichtsrechtliche Kontrolle, Repräsentanz, Netzwerkpflege
  • Kein Einfluss auf Investmententscheidungen oder Portfolio-Management
  • Funktion: Brückenbauer zwischen Politik, Wirtschaft und Finanzwelt – und potenziell politisch hochsensibel

Die Kontakte und das politische Netzwerk von Friedrich Merz waren für BlackRock Deutschland aus mehreren Gründen außerordentlich nützlich – nicht wegen seiner operativen Kompetenz im Asset Management, sondern weil er als „Türöffner“ im politischen und wirtschaftlichen System Deutschlands fungieren konnte. Gerade für ein US-amerikanisches Unternehmen mit globalem Einfluss, das aber in Deutschland kulturell und regulatorisch oft auf Misstrauen stößt, war ein Mann wie Merz ein strategischer Zugewinn.

1. Politischer Zugang in Berlin und Brüssel

BlackRock verwaltet in Deutschland – größtenteils über passive Fonds wie ETFs – Beteiligungen an nahezu allen DAX-Konzernen. Zugleich ist der regulatorische Rahmen in Europa deutlich strenger und stärker durch öffentliche Debatte beeinflusst als in den USA. Ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, langjähriger CDU-Strippenzieher und Atlantik-Brücke-Vorsitzender wie Merz hat:

  • direkten Zugang zu Ministerien, Ausschüssen und politischen Entscheidungsträgern, etwa bei Fragen der Altersvorsorge, Finanzaufsicht oder Steuerpolitik.
  • Vertrautheit mit den politischen Spielregeln, um BlackRocks Interessen diskret, aber effektiv in laufende Gesetzgebungsprozesse einzubringen.

Gerade bei Themen wie der Reform der Riester-Rente, der Kapitaldeckung in der Altersvorsorge oder der nachhaltigen Geldanlage (ESG-Regulierung) konnte jemand wie Merz Impulse geben – formal nicht als Lobbyist, faktisch aber als politisch vernetzter Lotse durch die Komplexität deutscher Machtstrukturen.

2. Reputationsgewinn in einem skeptischen Umfeld

BlackRock wird in Deutschland oft mit:

  • „amerikanischer Finanzheuschrecke“,
  • Intransparenz und
  • undemokratischer Machtballung assoziiert.

Ein deutscher Top-Jurist mit CDU-Vergangenheit konnte diesem Bild entgegenwirken. Merz war gewissermaßen das „bürgerlich-konservative Gütesiegel“, das BlackRock half, sich als langfristiger, verlässlicher Kapitalverwalter zu präsentieren – gerade gegenüber Politik, Medien und Industrie.

3. Brückenfunktion zur deutschen Unternehmenslandschaft

Merz war durch seine Tätigkeit bei Mayer Brown, seine Aufsichtsratsmandate (u.a. WEPA, Flughafen Köln/Bonn, HSBC) und sein persönliches Netzwerk exzellent in der deutschen Industrie vernetzt. Für BlackRock war das von Vorteil, denn:

  • man benötigte Zugang zu Entscheidungsträgern in Aufsichtsräten und Vorständen, um sich bei Unternehmensstrategien Gehör zu verschaffen – auch wenn man selbst „nur“ passiver Investor ist.
  • die Rolle als Stimmrechtsvertreter bei Hauptversammlungen bedeutete, dass man auf Corporate Governance und Vorstandsvergütung Einfluss nimmt – auch dabei hilft es, wenn der eigene Repräsentant selbst aus der Welt der deutschen Unternehmenselite stammt.

4. Internationale Verbindungen und transatlantische Netzwerke

Als langjähriger Vorsitzender der Atlantik-Brücke und als Mitglied verschiedener wirtschaftsnaher Stiftungen war Merz auch auf internationalem Parkett hervorragend vernetzt. Diese Beziehungen waren wertvoll für BlackRock, das global denkt, aber regional legitimiert sein muss.

Fazit

Friedrich Merz war für BlackRock kein ETF-Experte, sondern ein strategischer Verbindungsmann zwischen Finanzkapital und politischem System – in einem Umfeld, in dem Vertrauen, Zugang und kulturelle Vermittlung wichtiger sind als Produktspezifikation. Seine Rolle war typisch für das, was man im angelsächsischen Raum einen „politically connected non-executive director“ nennt: eine Figur, die durch Präsenz Einfluss kanalisiert, Vertrauen schafft – und im Zweifel Türen öffnet, die einem multinationalen Konzern sonst verschlossen blieben.


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