Friedrich Merz und der Preis gebrochener Versprechen

Friedrich Merz hat sich mit der Parole „Links ist vorbei“ an die Spitze der CDU und schließlich ins Kanzleramt getragen. Der Satz klang nach Aufbruch, nach der Rückkehr zu einer Politik, die sich dezidiert von der sozialdemokratisch-grünen Konsenssoße absetzen wollte. Heute, gut ein Jahr nach seinem Amtsantritt, ist von dieser Ankündigung nichts geblieben. Wer genau hinsieht, erkennt: Merz hat nicht nur sein zentrales Versprechen gebrochen, er hat auch seine politische Glaubwürdigkeit nahezu vollständig verspielt.

Der Vorwurf ist nicht neu, doch er wird inzwischen von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Merz kündigte im Wahlkampf die Abschaffung des Bürgergeldes an, stellte milliardenschwere Einsparungen in Aussicht und versprach, Fehlanreize im Sozialstaat zu beseitigen. In der Regierung folgt jedoch die Kehrtwende: Das Bürgergeld bleibt, die Kosten steigen, und von konsequenter Haushaltskonsolidierung ist nichts zu spüren. Stattdessen steigen die Schulden, die Ausgaben explodieren. Der Vorwurf der „Hyperverschuldung“ mag polemisch klingen, er trifft aber einen wunden Punkt: Der Kanzler, der sich als Anwalt der soliden Finanzen stilisierte, greift heute in die gleiche Verschuldungskiste wie seine Vorgänger. Damit beschädigt er nicht nur seine persönliche Glaubwürdigkeit, sondern auch das konservative Selbstverständnis der Union.

Ähnlich verhält es sich in der Migrationspolitik. Merz warb mit scharfer Rhetorik: konsequente Abschiebungen, klare Grenzen, Ende einer angeblich „wahnsinnigen“ Aufnahme zusätzlicher Migranten. Heute geschieht das Gegenteil. Abschiebungen bleiben die Ausnahme, während gleichzeitig neue Migrantengruppen aufgenommen werden. Der Bruch zwischen Wahlkampfversprechen und Regierungspraxis könnte deutlicher nicht sein. Dass ausgerechnet illegale Asylbewerber künftig mehr Leistungen erhalten, während entlastende Maßnahmen für deutsche Haushalte – wie die versprochene Senkung der Stromsteuer – gestrichen werden, verstärkt den Eindruck einer Politik, die nicht den eigenen Ansagen, sondern dem kleinsten Koalitionskompromiss folgt.

Das Glaubwürdigkeitsproblem zeigt sich jedoch nicht nur in Sachfragen, sondern auch im Habitus des Kanzlers. Merz neigt dazu, sich selbst zu widersprechen – teils innerhalb weniger Tage. Mal kündigt er ein Ende linker Politik an, mal verteidigt er sie; mal spricht er von Entlastung, mal von neuen Belastungen. Diese ständigen Volten lassen ihn nicht als pragmatischen Realpolitiker erscheinen, sondern als Politiker ohne feste Linie. Das ist Gift für das Vertrauen der Bürger. Wer nicht weiß, wofür ein Kanzler steht, wird ihm irgendwann auch das Gesagte nicht mehr glauben.

Hinzu kommt die Rolle der SPD. Der kleinere Koalitionspartner diktiert offenkundig die Richtung, während Merz einknickt. Wenn sozialdemokratische Minister oder die Bundestagspräsidentin öffentlich seine Vorhaben torpedieren können, ohne dass er durchgreift, dann wirkt der Kanzler schwach. Der Eindruck entsteht, dass er weniger ein Gestalter als ein Getriebener ist – und zwar getrieben von der Angst, Konflikte auszutragen. Auch dies ist ein Verrat an dem Bild, das Merz von sich selbst zeichnete: der durchsetzungsstarke Macher, der die Dinge endlich wieder beim Namen nennt.

Die Glaubwürdigkeitskrise erreicht schließlich auch den Kern der Machtfrage: das Verhältnis zur AfD. Die Union könnte in vielen Fragen mit einer stillen Tolerierung oder Zusammenarbeit Mehrheiten für eine konservativere Politik schaffen. Doch Merz hält an der „Brandmauer“ fest und bindet sich so dauerhaft an die SPD. Dieser selbst auferlegte Zwang wirkt auf viele bürgerliche Wähler wie eine Kapitulation – und er ist es auch. Wer ständig „links ist vorbei“ verspricht, am Ende aber nur mit den Linken regiert, macht sich unglaubwürdig.

Glaubwürdigkeit ist in der Politik ein knappes Gut. Sie wird nicht durch Rhetorik gewonnen, sondern durch Verlässlichkeit. Gerade ein Politiker wie Merz, der sich stets als Alternative zur „Politik des Sowohl-als-auch“ inszenierte, hätte das wissen müssen. Er versprach Klarheit, liefert aber Unschärfe; er kündigte Härte an, zeigt Nachgiebigkeit; er wollte konservative Politik machen, produziert jedoch linke Kompromisse.

Die bittere Erkenntnis lautet daher: Merz hat das Vertrauen verspielt, weil er die Kluft zwischen Worten und Taten zu groß werden ließ. Für die Union bedeutet dies mehr als ein persönliches Problem des Kanzlers. Sie läuft Gefahr, dass ihre Kernklientel dauerhaft abwandert – zu einer Partei, die zumindest konsequent wirkt. Wer die Glaubwürdigkeit verliert, verliert am Ende die Macht. Für Merz könnte dieser Prozess bereits in Gang gesetzt sein.


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