Das Frühjahrsgutachten 2025 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung analysiert die konjunkturelle Lage Deutschlands und formuliert wirtschaftspolitische Empfehlungen. Es ist in vier zentrale Themenfelder gegliedert:
1. Konjunkturelle Erholung in Sicht
Deutschland befindet sich seit drei Jahren in einer Phase wirtschaftlicher Stagnation. Die konjunkturelle Schwäche wird durch globale Unsicherheiten – insbesondere durch die protektionistische US-Zollpolitik unter Donald Trump – verstärkt. Diese belastet den internationalen Handel und schwächt das Investitionsklima. Gleichzeitig erfordert die sicherheitspolitische Neuorientierung Europas eine Erhöhung der Militärausgaben. Die deutsche Volkswirtschaft zeigt laut Prognose für 2025 kaum Wachstum (0,0 %), für 2026 wird ein moderater Anstieg (1,0 %) erwartet. Die Inflation dürfte auf 2,1 % (2025) bzw. 2,0 % (2026) zurückgehen. Als Wachstumsimpuls wird ab 2026 die Umsetzung des Finanzpakets gesehen, das durch zusätzliche Staatsausgaben insbesondere Bauinvestitionen und Staatskonsum stimulieren soll.
2. Chancen des Finanzpakets nutzen
Mit der Grundgesetzänderung im März 2025 hat Deutschland fiskalische Spielräume erweitert: Verteidigungsausgaben sind von der Schuldenbremse ausgenommen, ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz wurde geschaffen und den Ländern wurde eine neue Verschuldungsmöglichkeit eingeräumt. Der Rat mahnt jedoch zur investiven Verwendung der Mittel, um nachhaltige Wachstumsimpulse zu erzielen und eine übermäßige Erhöhung der Staatsverschuldung zu vermeiden. Konkret fordert er eine verbindliche Investitionsquote von mindestens 10 % im Bundeshaushalt und langfristige Fonds für Infrastruktur und Bildung. Eine Reform der Schuldenbremse wird als sinnvoll erachtet, um Flexibilität bei Krisenreaktionen zu ermöglichen.
3. Bürokratie umfassend abbauen
Bürokratische Anforderungen verursachen laut Gutachten jährlich rund 65 Mrd EUR an Kosten und binden erhebliche Arbeitszeitressourcen. Die Komplexität der Vorschriften behindert Unternehmensgründungen und Investitionen. Der Sachverständigenrat fordert umfassende Reformen: Digitalisierung der Verwaltung, Einführung digitaler One-Stop-Shops, automatisierte Erfüllung von Informationspflichten und die systematische Nutzung von Genehmigungsfiktionen. Gesetzgebung müsse stärker auf Adressatenfreundlichkeit, Vollziehbarkeit und Digitaltauglichkeit achten. Ein Qualitätswettbewerb zwischen Verwaltungseinheiten soll zudem Transparenz und Effizienz fördern.
4. Strukturwandel regional gestalten
Der Strukturwandel in Deutschland wird durch Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografische Veränderungen und geopolitische Umbrüche beschleunigt. Die Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes sinkt, während weniger produktive Dienstleistungssektoren wachsen. Das dämpft das gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum. Regionen sind unterschiedlich stark betroffen – insbesondere industrielle Zentren mit hoher Spezialisierung und Regionen mit geringem Qualifikationsniveau. Der Rat empfiehlt eine aktive Strukturpolitik: Investitionen in Forschung, Entwicklung und KI, flächendeckende Digital- und Energieinfrastruktur sowie eine Reform der Weiterbildungs- und Arbeitsmarktpolitik zur Unterstützung von Berufswechseln. Strukturkonservierende Maßnahmen werden hingegen abgelehnt.
Fazit:
Das Gutachten fordert eine konsequent wachstumsorientierte Politik. Die neue Finanzarchitektur kann positive Impulse setzen – jedoch nur bei kluger Umsetzung. Der überfällige Bürokratieabbau und eine aktiv gestaltete Strukturpolitik sind entscheidend, um die Produktivitätsdynamik zu stärken und die deutsche Wirtschaft auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten.
Zusammenfassung der BPK zur Vorstellung des Frühjahrsgutachtens 2025 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (21. Mai 2025):
Der Sachverständigenrat stellte in der Bundespressekonferenz sein Frühjahrsgutachten 2025 vor. Zentrale Themen waren die konjunkturelle Entwicklung, das neue Finanzpaket, der Bürokratieabbau sowie der Strukturwandel in Deutschland. Die Ratsmitglieder Prof. Dr. Veronika Grimm, Prof. Dr. Ulrike Malmendier, Prof. Dr. Monika Schnitzer, Prof. Dr. Achim Truger und Prof. Dr. Martin Werding präsentierten ihre Analysen und Empfehlungen.
1. Konjunkturprognose 2025/2026
Die deutsche Wirtschaft stagniert weiterhin. Für 2025 wird kein reales Wachstum erwartet, 2026 soll die Wirtschaft um 1,0 % wachsen. Die Inflation liegt stabil bei rund 2,0 %. Hauptbremsfaktoren sind die protektionistische US-Handelspolitik und eine schwache industrielle Investitionstätigkeit. Positive Impulse erwartet der Rat ab 2026 durch staatliche Investitionen aus dem Finanzpaket.
2. Finanzpaket als Chance mit Risiko
Das neue Finanzpaket (500 Mrd. EUR über 12 Jahre) bietet laut Rat große Chancen zur Modernisierung des Kapitalstocks – sofern die Mittel tatsächlich investiv und zusätzlich verwendet werden. Eine Zweckentfremdung für konsumtive Ausgaben drohe jedoch die Wachstumswirkung zu verpuffen lassen. Der Sachverständigenrat fordert verbindliche Investitionsquoten:
– Mindestens 2 % des BIP für Verteidigung aus dem Kernhaushalt
– 10–12 % Investitionsquote im Sondervermögen
– Investitionskriterien auch für Länder und den Klima- und Transformationsfonds
Zudem schlägt er langfristige Fonds vor, z. B. für Verkehrsinfrastruktur (z. B. durch Maut finanziert) und verbindliche Bildungsausgaben pro Schüler.
3. Bürokratieabbau: Reform statt Stückwerk
Trotz punktueller Initiativen (vier Entlastungsgesetze) seien bisher keine nachhaltigen Erfolge beim Bürokratieabbau erzielt worden. Der Sachverständigenrat sieht dringenden Handlungsbedarf:
– Entrümpelung bestehender Vorschriften
– Vermeidung von Wiederaufwuchs
– Digitalisierung und Automatisierung von Verwaltungsverfahren
– Einführung eines Innovationschecks bei neuen Gesetzen
– Stärkung des Normenkontrollrats als Qualitätswächter
– Wandel der Verwaltungskultur hin zu Effizienz und Nutzerorientierung (z. B. Genehmigungsfiktionen, One-Stop-Shops)
4. Strukturwandel aktiv gestalten
Deutschland steht vor tiefgreifendem Strukturwandel, getrieben von Geopolitik, Dekarbonisierung, Digitalisierung und demografischem Wandel. Regionen mit starker Spezialisierung im verarbeitenden Gewerbe (z. B. Auto- und Chemieindustrie) sind besonders betroffen – künftig auch wirtschaftlich starke Regionen im Westen und Süden.
Der Sachverständigenrat plädiert für:
– Strukturwandel statt Strukturerhalt
– flächendeckende Digital- und Energieinfrastruktur
– gezielte regionale Investitionsförderung
– eine aktive Arbeitsmarktpolitik mit Fokus auf Weiterbildung, Umschulung und Arbeitsmarktdrehscheiben
Fazit:
Das Gutachten mahnt strukturelle Reformen an, um das Potenzial des Finanzpakets zu heben, bürokratische Wachstumshemmnisse zu beseitigen und den Strukturwandel zukunftsgerichtet zu gestalten. Das politische Ziel müsse sein, Wirtschaftswachstum zu fördern, ohne regionale oder gesellschaftliche Gruppen zurückzulassen.