„Fünf Prozent für Verteidigung“ – Aufrüstung als Zukunftsprojekt oder sicherheitspolitischer Irrweg?

Es klingt wie eine Zahl aus einem Paralleluniversum sicherheitspolitischer Machtdemonstration: Fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen NATO-Staaten künftig für Verteidigung ausgeben – wenn es nach dem Willen von Donald Trump geht. Was zunächst wie eine polemische Spitze des US-Präsidenten wirkte, hat sich mittlerweile zu einem ernsthaften politischen Vorschlag entwickelt. Dass ausgerechnet ein deutscher Spitzenpolitiker wie Johann Wadephul (CDU) sich offen hinter diese Forderung stellt, markiert eine neue Eskalationsstufe in der Debatte um Europas sicherheitspolitische Verantwortung. Doch was bedeutet das konkret für Deutschland – und ist eine solche Aufrüstung überhaupt realistisch, geschweige denn wünschenswert?

Ein Blick auf die Zahlen: Die Fiktion vom unbegrenzten Verteidigungsetat

Schon heute liegt Deutschland über der Zwei-Prozent-Marke, die innerhalb der NATO lange als Richtgröße galt. Für das Jahr 2024 meldet die Bundesregierung der NATO Verteidigungsausgaben in Höhe von 90,6 Milliarden Euro – etwa 2,1 % des BIP. Dieser Wert umfasst nicht nur den klassischen Verteidigungshaushalt (rund 52 Milliarden Euro), sondern auch Mittel aus dem Sondervermögen Bundeswehr sowie weitere verteidigungsrelevante Ausgaben.

Ein Anstieg auf fünf Prozent des BIP würde diese Summe auf etwa 225 Milliarden Euro nahezu verdreifachen. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt für das Jahr 2024 liegt bei rund 500 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Fast die Hälfte aller Bundesausgaben müsste künftig in den Bereich Verteidigung fließen – ein historisch einmaliger Vorgang. Deutschland hat in seiner Nachkriegsgeschichte noch nie einen derart hohen Anteil seines Haushalts für das Militär aufgewendet. Selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges lag der Wert nie über 4,9 Prozent – und das war 1963.

Diese Zahlen stehen nicht im luftleeren Raum. Sie müssen vor dem Hintergrund eines Haushalts gesehen werden, der bereits heute unter erheblichem Druck steht. Ob Klimawandel, Digitalisierung oder demografischer Wandel – die Herausforderungen der kommenden Jahre erfordern massive Investitionen in nicht-militärische Bereiche. Eine Verteidigungsausgabe in dieser Dimension käme faktisch einem Verzicht auf viele dieser Investitionen gleich.

Der sicherheitspolitische Paradigmenwechsel – oder: Der Preis des Prestiges

Die Forderung nach fünf Prozent des BIP steht nicht nur für eine finanzielle Herausforderung. Sie markiert einen tiefgreifenden politischen und ideologischen Wandel. Verteidigung wird – folgt man dieser Logik – nicht mehr als Teil eines umfassenden Sicherheitsbegriffs verstanden, sondern als dominanter Maßstab nationaler und internationaler Stärke.

Doch ist militärische Stärke gleich Sicherheit? Und: Welche Bedrohung rechtfertigt eine derart drastische Aufstockung des Militäretats? Zwar hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Sicherheitslage in Europa fundamental verändert. Doch eine Verteidigungspolitik, die nahezu ausschließlich auf militärische Abschreckung setzt, vernachlässigt zentrale Aspekte moderner Sicherheit: Resilienz, Diplomatie, wirtschaftliche Souveränität und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Der „Prozent-Fetischismus“ – eine gefährliche Vereinfachung

Scharfe Kritik kommt – zu Recht – aus Reihen der SPD und der Grünen. Der Begriff des „Prozent-Fetischismus“ bringt auf den Punkt, was viele Experten umtreibt: Die Fixierung auf eine starre Zahl ersetzt nicht die notwendige Debatte darüber, wie Sicherheit heute sinnvoll gestaltet werden kann. Quantität wird zur Ersatzwährung für Strategie. Verteidigung wird zur Frage des Outputs – und nicht des Konzepts.

Auch der Kompromissvorschlag, die fünf Prozent auf klassische Verteidigung (3,5 Prozent) und militärisch relevante Infrastruktur (1,5 Prozent) aufzuteilen, ändert an diesem Grundproblem wenig. Er mag haushaltstechnisch geschickter erscheinen, doch strategisch bleibt er vage. Infrastruktur ist zweifellos sicherheitsrelevant – doch wer entscheidet, welche Straße zur Verteidigung beiträgt und welche nicht? Die Gefahr besteht, dass unter dem Label „Verteidigung“ bald nahezu jede staatliche Investition gerechtfertigt wird.

Geopolitik unter Druck: Die neue transatlantische Unsicherheit

Die USA pochen – teils offen drohend – auf eine stärkere finanzielle Lastenteilung. Das transatlantische Verhältnis steht dabei auf dem Spiel: Wird Europa seinen Eigenbeitrag zur NATO erhöhen oder riskiert es eine sicherheitspolitische Abkopplung der USA?

Doch Europas sicherheitspolitische Souveränität wird nicht durch überhastete Ausgabensteigerungen erreicht, sondern durch strategische Autonomie und eine realistische Einschätzung der Bedrohungslage. Wer fünf Prozent für Verteidigung ausgibt, darf nicht vergessen, wofür diese Mittel verwendet werden – und wofür sie dann fehlen.

Fazit: Ein gefährlicher Weg – und die Chance zur Umkehr

Die Debatte um „Fünf Prozent für Verteidigung“ ist mehr als eine Budgetdiskussion. Sie ist ein Lackmustest für die zukünftige Ausrichtung der NATO, für das Selbstverständnis europäischer Sicherheit – und für die politische Standfestigkeit der Bundesregierung. Dass ein solches Ziel weder realistisch noch strategisch sinnvoll ist, liegt auf der Hand. Die Frage ist, ob man sich dieser Einsicht auch politisch stellt.

Statt sich auf symbolische Zahlen zu versteifen, braucht es eine ehrliche Diskussion über die Bedrohungslage, die Rolle Europas in der Welt und die langfristige Ausgestaltung von Sicherheit – im umfassenden Sinne. Sicherheit entsteht nicht allein durch Panzer und Raketen, sondern durch Stabilität, Zusammenhalt und kluge Außenpolitik. Wer heute blind aufrüstet, könnte morgen feststellen, dass er den Frieden nicht verteidigt, sondern verspielt hat.


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Infolge dieses „Rüstungs-Superzyklus“ sehen viele Anleger Chancen auf hohe Renditen. Die ETF-Auswahl wächst:

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    – Performance: +63,5 %
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    – Beispiele: Global X Defense Tech ETF, VanEck Defense ETF, HANetf Future of Defense
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