Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zielt darauf ab, Unternehmen in der Übergangszeit bis zur Umsetzung der europäischen Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) administrativ zu entlasten und die Anwendungs- sowie Vollzugsfreundlichkeit des LkSG zu erhöhen. Dabei bleibt das Schutzniveau für Menschenrechte und Umwelt im Wesentlichen erhalten, während bürokratische Belastungen reduziert werden.
A. Problem und Ziel
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) trat am 1. Januar 2023 in Kraft und verpflichtet Unternehmen dazu, in ihren Lieferketten menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten. Auf europäischer Ebene wurde am 25. Juli 2024 die CSDDD-Richtlinie verabschiedet, die ähnliche Anforderungen auf EU-Ebene einführt. Die Umsetzungsfrist wurde durch die sogenannte „Stop-the-clock-Richtlinie“ (Richtlinie (EU) 2025/794) um ein Jahr auf den 26. Juli 2027 verlängert.
Da die CSDDD das LkSG künftig ersetzen wird, soll in der Übergangszeit sichergestellt werden, dass deutsche Unternehmen nicht übermäßig belastet werden – insbesondere nicht stärker als ihre europäischen Konkurrenten. Ziel des Änderungsgesetzes ist daher eine wirtschaftsfreundliche, bürokratiearme und rechtssichere Übergangsregelung, die das bestehende Schutzniveau erhält, aber den administrativen Aufwand reduziert.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf sieht zwei zentrale Änderungen vor:
- Abschaffung der Berichtspflicht
Die bisherige Verpflichtung für Unternehmen, jährlich einen öffentlich zugänglichen Bericht über die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu erstellen und an die Behörden zu übermitteln, entfällt ersatzlos. - Einschränkung der Sanktionsmöglichkeiten
Bußgelder werden nur noch bei schwerwiegenden Verstößen verhängt. Konkret werden die Ordnungswidrigkeiten in § 24 LkSG auf folgende Fälle beschränkt:
- Keine oder verspätete Präventionsmaßnahmen bei menschenrechtlichen Risiken (§ 6 Abs. 1),
- Keine oder verspätete Abhilfemaßnahmen (§ 7 Abs. 1),
- Fehlende Erstellung oder Umsetzung erforderlicher Konzepte (§ 7 Abs. 2 oder § 9 Abs. 3 Nr. 3),
- Kein funktionierendes Beschwerdeverfahren (§ 8 Abs. 1). Die Bußgelder betragen bis zu 800.000 Euro, wobei die bisherigen umsatzbezogenen Sanktionen (bis zu 2 % des weltweiten Umsatzes) gestrichen werden.
Die eigentlichen Sorgfaltspflichten (Risikoanalyse, Prävention, Abhilfe, Beschwerdeverfahren) bleiben jedoch unverändert bestehen.
C. Alternativen
Es wurde erwogen, die Berichtspflicht und die Sanktionen unverändert zu lassen. Dies wurde jedoch mit dem Argument abgelehnt, dass deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich nicht unverhältnismäßig stark belastet werden sollten, solange die CSDDD noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist.
D. Haushaltsauswirkungen
Das Gesetz hat keine Auswirkungen auf den Haushalt, da es weder Mehrausgaben noch Kompensationsbedarf für den Staat verursacht.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Bürgerinnen und Bürger
Es entsteht kein zusätzlicher Aufwand für die Bevölkerung.
E.2 Wirtschaft
Der jährliche Erfüllungsaufwand für Unternehmen sinkt um rund 4,1 Millionen Euro (genau: 4.138.000 Euro), ausschließlich durch die Streichung der Informations- und Berichtspflichten. Diese Einsparung unterliegt der „One-in, one-out“-Regel, d. h., sie kann vom federführenden Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für andere regulatorische Maßnahmen kompensiert werden.
Die Einsparungen ergeben sich aus der Streichung der Berichtspflicht für folgende Unternehmensgruppen:
Unternehmensgruppe | Anzahl betroffener Berichte | Einsparung pro Bericht | Gesamteinsparung |
---|---|---|---|
Geringes Risiko | 536 | 579 € | -310.000 € |
Hohes Risiko | 1.501 | 1.158 € | -1.738.000 € |
Kein Risiko | 180 | 308,80 € | -56.000 € |
Ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung | 2.983 | 681,90 € | -2.034.000 € |
Summe | 5.200 Berichte | – | -4.138.000 € |
E.3 Verwaltung
Die Verwaltung (insbesondere das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle – BAFA) wird nur geringfügig entlastet. Obwohl die Berichtsprüfung entfällt, bleibt der Aufwand für die Kontrolle von Risiken und Verstößen sowie die Beratung von Unternehmen bestehen.
F. Weitere Kosten
Es sind keine weiteren Kosten für die Wirtschaft, soziale Sicherungssysteme oder Verbraucherpreise zu erwarten.
G. Gesetzesfolgen (Begründung)
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Durch die Streichung der Berichtspflicht und die Beschränkung der Sanktionen wird der administrative Aufwand erheblich reduziert, ohne das Schutzniveau für Menschenrechte und Umwelt zu schwächen.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Die Änderungen stehen im Einklang mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Das Ziel, Unternehmen zur Verantwortung in globalen Lieferketten zu verpflichten (vgl. Indikator 8.6), bleibt erhalten. Die Maßnahme dient der Verbesserung der Anwenderfreundlichkeit des LkSG.
3. Gesetzgebungskompetenz
Die Bundesregierung verfügt über die Kompetenz zur Regelung, da es sich um bürgerliches Recht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und Wirtschaftsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) handelt. Die bundesweite Regelung ist notwendig, um die Rechts- und Wirtschaftseinheit zu wahren (Art. 72 Abs. 2 GG).
4. Vereinbarkeit mit EU-Recht und Völkerrecht
Der Entwurf ist mit dem EU-Recht und völkerrechtlichen Verträgen vereinbar. Die CSDDD wird erst bis 2027 umgesetzt; bis dahin stellt die vorübergehende Erleichterung keine Diskriminierung dar.
5. Befristung und Evaluierung
Eine Befristung oder Evaluierung ist nicht vorgesehen, da die Änderungen bis zur Umsetzung der CSDDD gelten sollen.
H. Konkrete Gesetzesänderungen (Artikel 1)
- § 3 Abs. 1 Nr. 9 LkSG:
Streichung des Hinweises auf die Berichtspflicht (§ 10 Abs. 2). - § 10 LkSG:
- Überschrift wird von „Dokumentations- und Berichtspflicht“ zu „Dokumentationspflicht“.
- Abs. 2 bis 4 (Berichtspflicht) werden gestrichen.
- Abschnitt 4 LkSG:
- Unterabschnitt 1 (Berichtspflicht) wird gestrichen.
- Die restlichen Unterabschnitte werden neu nummeriert.
- § 21 Abs. 2 LkSG:
Streichung der Verpflichtung zur Auswertung der Unternehmensberichte. - § 22 Abs. 2 LkSG:
Nummer 1 (übermittlung der Berichte) wird gestrichen; die übrigen Nummern rücken nach. - § 24 LkSG (Bußgeldvorschriften):
- Neufassung der Ordnungswidrigkeiten: Nur noch schwerwiegende Verstöße sind sanktionierbar.
- Bußgeldhöhe: bis zu 800.000 Euro.
- Folgeänderungen in Absatz 3, um Verweisungen anzupassen.
I. Inkrafttreten (Artikel 2)
- Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- Die Streichung der Berichtspflicht gilt rückwirkend ab 1. Januar 2023.
→ Unternehmen müssen keine Berichte für 2023 und 2024 mehr erstellen, falls sie dies noch nicht getan haben.
Zusammenfassung
Das vorliegende Änderungsgesetz dient der Entlastung deutscher Unternehmen in der Übergangszeit bis zur Umsetzung der europäischen CSDDD. Es streicht die berichtspflichtigen Verpflichtungen und begrenzt die Bußgelder auf schwerwiegende Verstöße, um Bürokratie abzubauen und Planungssicherheit zu schaffen. Die Kernpflichten des LkSG bleiben jedoch bestehen: Risikoanalyse, Prävention, Abhilfe und Beschwerdeverfahren. Damit wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Unternehmensentlastung und nachhaltigkeitspolitischem Schutzziel angestrebt. Die Einsparung von über 4,1 Millionen Euro jährlich bei den Unternehmen erfolgt ohne Einbußen bei der Verwaltung oder der Bevölkerung und steht im Einklang mit EU-Recht und nationalen Nachhaltigkeitszielen.