Gillamoos im Maßkrugformat – Söder als Volkstribun zwischen Blasmusik und Bundespolitik

Wer Markus Söder auf dem Gillamoos zuhört, könnte meinen, Bayern sei die letzte Bastion der Vernunft in einem Meer aus deutscher Fehlpolitik. Mit kernigen Sprüchen, zotigen Bildern und jeder Menge Selbstbewusstsein hat der CSU-Chef seine Partei einmal mehr als „Staatspartei der Herzen“ inszeniert – oder zumindest als die Partei, die sich diesen Titel am lautesten zuschreibt. Doch hinter der Blasmusik-Rhetorik verbirgt sich mehr Folklore als Zukunftsvision.

Söders stärkstes Instrument bleibt die bayerische Identitätskarte. Er malt Bayern als ökonomischen Motor, als sicherstes Bundesland und als kulturellen Hort, in dem Feiertage und Blasmusik sakrosankt sind. Wer könnte sich dem schon entziehen, wenn der Ministerpräsident mit Augenzwinkern verkündet: „Ein Leben ohne Blasmusik ist denkbar, aber nicht sinnvoll“? Man muss ihm zugestehen: Söder versteht es, Heimatgefühle in eine Wahlkampfrakete zu verwandeln. Doch wer genau hinhört, bemerkt, dass die CSU diese Heimat zunehmend als Bollwerk gegen den Rest der Republik deutet – fast so, als müsse man Bayern vor Deutschland beschützen, nicht umgekehrt.

Sein Dauerfeind bleibt die Ampel-Koalition in Berlin. Söder geißelt sie als Inbegriff wirtschaftlicher Misere und moralischer Verirrung. Drei Jahre Rezession, Habeck als „schwächster Wirtschaftsminister aller Zeiten“, Bürgergeld als Einladung zur Faulheit – die Vokabeln sitzen. Es ist die Rolle des Stammtischoppositionellen, die er hier kultiviert. Nur: Wer so lautstark „Leistung“ und „Fleiß“ einfordert, sollte irgendwann erklären, wie er die Digitalisierung der Verwaltung, die Transformation der Autoindustrie oder die Energiewende gestalten will. Auf diese Antworten wartet man im Maßzelt vergeblich.

Besonders heikel wirkt Söders Umgang mit Migration. Das „Nein zur illegalen Zuwanderung“ ist erwartbar, der Ruf nach Rückführungen auch in Krisenländer wie Syrien oder Afghanistan provokativ. Hier bewegt er sich hart an der Grenze zwischen Härte und Menschenrechtsbedenken. Dass er NGOs gleich mit kriminalisiert, die Geflüchteten beim Umgehen der Bezahlkarte helfen, ist nicht nur scharf im Ton, sondern auch populistisch verkürzt. Eine sachliche Auseinandersetzung mit Ursachen und Lösungen findet nicht statt – stattdessen wird Migration zum Schreckgespenst, das sich vortrefflich für Applaus eignet.

Auch außenpolitisch inszeniert sich Söder als Realist: Putin sei kein Freund, Deutschland brauche eine wehrhafte Armee und die Wehrpflicht müsse zurück. Doch wer ernsthaft mehr Panzer fordert und zugleich weniger „Brüsseler Bürokratie“, unterschlägt, dass europäische Sicherheitsarchitektur ohne Brüssel gar nicht existiert. Söder will den Kuchen essen und behalten – nationale Stärke predigen, aber europäische Verantwortung kleinreden.

In seinen konservativen Kernthesen bleibt er sich treu: Nein zum Gendern, Ja zum Fleisch, Ja zum Auto, Ja zur Mütterrente. Es ist der klassische Dreiklang aus Tradition, Leistung und Familie, den er mit technologischen Zukunftsbildern garniert – Quantencomputer und Mondmissionen inklusive. Doch die Diskrepanz fällt auf: Während er Bayern zur Hightech-Supermacht erhebt, verteidigt er zugleich ein Weltbild, das mit Retro-Charme kokettiert. Der CSU-Chef will zugleich Trachtenverein und Tesla-Fabrik sein – nur vertragen sich Blasmusik und Quantenbit nicht immer so reibungslos, wie es Söder suggeriert.

Und die AfD? Sie wird scharf attackiert, als „rechtsradikale Gefahr“ gebrandmarkt. Söder grenzt sich klar ab, das muss man ihm zugutehalten. Aber die inhaltliche Schnittmenge – Migration, Nationalstolz, Ablehnung „linker Ideologien“ – bleibt so groß, dass die Grenze zwischen Abgrenzung und Anbiederung dünn wirkt. Seine Strategie: die AfD rhetorisch verdammen, aber zugleich deren Themen mit CSU-Stempel versehen.

Am Ende bleibt eine Rede, die mehr Theaterstück als Regierungsprogramm ist. Söder spielt die Rolle des starken Landesvaters, der Bayern wie einen Maßkrug hochhält – kräftig, unerschütterlich, unverzichtbar. Doch ob diese Mischung aus Heimatfolklore und Anti-Ampel-Gebrüll genügt, um Deutschland aus der Krise zu führen, darf bezweifelt werden. Wer Politik auf „Fleisch statt Tofu“ und „Blasmusik statt Bürokratie“ reduziert, mag das Publikum im Bierzelt begeistern. Aber er liefert keine Antworten auf die eigentlichen Zukunftsfragen.

Kurzum: Söders Rede war ein bayerisches Schauspiel erster Güte. Nur leider ist Politik kein Volksfest, und Deutschland braucht mehr als Maßkrug-Rhetorik.


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