Wenn heute in der Abgeschiedenheit Wyomings führende Zentralbanker, Ökonomen und Politiker zum Symposium in Jackson Hole zusammenkommen, richtet sich die Aufmerksamkeit der Finanzwelt traditionell auf nüchterne Grundsatzdebatten. Doch in diesem Jahr steht nicht die akademische Auseinandersetzung mit langfristigen Strukturfragen im Vordergrund, sondern ein Machtkampf von seltener Brisanz. Im Zentrum: Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve, und Präsident Donald Trump, der mit unverhohlenem Druck die geldpolitische Unabhängigkeit attackiert.
Powell muss in einer Rede auftreten, die unter normalen Umständen vor allem Märkte auf Zinsentscheidungen einstimmen würde. Dieses Mal jedoch gleicht sie einem politischen Überlebenskampf. Trump hat in den vergangenen Monaten nicht nur öffentlich den Rücktritt von Fed-Gouverneurin Lisa Cook gefordert, sondern Powell persönlich attackiert und offen über dessen Absetzung spekuliert. Zugleich sucht Finanzminister Scott Bessent bereits nach einem Nachfolger – Monate, ja Jahre vor Ende von Powells Amtszeit. Damit sendet das Weiße Haus ein Signal: Die geldpolitische Orthodoxie soll der politischen Agenda weichen.
In der Sache steht die Fed vor einem klassischen Dilemma. Einerseits liegt die Inflation weiterhin oberhalb der Zielmarke, verstärkt durch Trumps protektionistische Zollpolitik, die Importe verteuert und Preisdruck erzeugt. Andererseits schwächelt der Arbeitsmarkt: Das Beschäftigungswachstum ist so gering wie seit der Finanzkrise 2009 nicht mehr, die Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu, und nur wenige Branchen wie Gesundheitswesen oder öffentlicher Dienst schaffen neue Stellen. Zinssenkungen könnten die Wirtschaft stabilisieren, bergen aber die Gefahr einer neuen Inflationswelle.
Powells schwierige Balance wird jedoch durch den politischen Druck nahezu unmöglich gemacht. Die Unabhängigkeit der Federal Reserve – eine der Säulen stabiler westlicher Geldpolitik seit den 1980er Jahren – gerät ins Wanken. Schon Präsident Nixon hatte in den 1970er Jahren versucht, die Fed zu beeinflussen, um seine Wiederwahl zu sichern. Das Ergebnis war eine gefährliche Inflationsspirale, die erst durch die rigorose Politik Paul Volckers gebrochen wurde. Heute droht eine Wiederholung: Eine politisierte Notenbank verliert Glaubwürdigkeit, Investoren ziehen sich zurück, und die Rolle des Dollar als Weltleitwährung könnte erodieren.
Das diesjährige Symposium in Jackson Hole wird daher nicht nur zu einem Treffen von Fachleuten, sondern zu einem Schauplatz institutioneller Verteidigung. Powell muss beweisen, dass die Fed trotz politischer Angriffe handlungsfähig bleibt. Gelingt ihm das nicht, droht die amerikanische Geldpolitik zu einem Instrument kurzfristiger Machterhaltung degradiert zu werden – mit Risiken weit über die Vereinigten Staaten hinaus.
Die Märkte blicken gespannt nach Wyoming. Doch was auf dem Spiel steht, ist größer als die nächste Zinssenkung. Es geht um die Frage, ob die Vereinigten Staaten das Prinzip unabhängiger Geldpolitik bewahren – oder ob sie in ein Zeitalter zurückfallen, in dem politisches Kalkül über ökonomische Vernunft triumphiert.