Jerome Powells Rede zur geldpolitischen Strategie – Ein Blick hinter die Kulissen der Federal Reserve

Am 15. Mai 2025 eröffnete Jerome H. Powell, Vorsitzender des US-amerikanischen Federal Reserve Board, die zweite Thomas-Laubach-Forschungskonferenz mit einer bemerkenswerten Rede. Es war keine bloße Rückschau, sondern ein strategischer Ausblick auf die geldpolitische Ausrichtung der kommenden Jahre. Inmitten wirtschaftlicher Unsicherheiten, sich wandelnder struktureller Rahmenbedingungen und der Lehren aus den Jahren 2020 bis 2024 präsentierte Powell eine kritische Bestandsaufnahme – und kündigte grundlegende Neuerungen im geldpolitischen Rahmen der Fed an. Was steckt dahinter?

Vom Konsens zur Anpassung – Die Entwicklung des strategischen Rahmens

Powell begann mit einem Rückblick auf die Entstehung des geldpolitischen Konsensdokuments von 2012. Dieses sogenannte „Consensus Statement“ fixiert die langfristigen Ziele der Fed – stabile Preise, maximale Beschäftigung und moderate langfristige Zinssätze. Es wurde als Fundament geschaffen, auf dem alle geldpolitischen Entscheidungen beruhen. Besonders hervorgehoben wurde der Paradigmenwechsel von 2020, in dem die Fed sich verpflichtete, „Inflationsunterschreitungen“ durch gezielte moderate Überschreitungen auszugleichen. Diese Strategie, die sich an theoretischen Modellen zur „Average Inflation Targeting“ (AIT) orientierte, sollte helfen, das Risiko dauerhaft zu niedriger Inflation zu verringern.

Doch mit dem plötzlichen Inflationsschub 2021–2022 erwies sich diese Neuausrichtung als problematisch. Powell gestand ein, dass weder die Höhe noch die Dauer der Inflation vorhergesehen wurden – weder von der Fed noch von anderen Zentralbanken oder dem Markt. Die Vorstellung einer kontrollierten, leichten Überschreitung der Inflationsziele erwies sich als illusionär.

Die Lehren aus fünf turbulenten Jahren

Ein zentrales Thema der Rede war der Rückblick auf die Zeit seit dem letzten Strategiewechsel. Powell betonte, dass sich die wirtschaftliche Realität seit der Pandemie grundlegend verändert habe: Realzinsen sind gestiegen, Inflationsrisiken haben sich verschoben, und es bestehe Grund zur Annahme, dass künftige Angebotsschocks häufiger und langanhaltender sein könnten.

Vor diesem Hintergrund will die Fed nun ihre Strategie überarbeiten. Besonders deutlich wurde, dass das Konzept der „shortfalls“ von der maximalen Beschäftigung – also das Unterlassen einer geldpolitischen Reaktion bei vermeintlicher Überbeschäftigung – erneut auf den Prüfstand gestellt wird. Der einst als fortschrittlich geltende Perspektivwechsel wird nun kritisch hinterfragt.

Kommunikation als politisches Werkzeug – und Achillesferse

Ein wiederkehrendes Motiv in Powells Rede war die Rolle der Kommunikation. Während die Fed von Ökonom*innen für ihre Transparenz oft gelobt wird, sieht Powell hier weiterhin Verbesserungsbedarf. Insbesondere müsse die Fed künftig besser vermitteln, wie unsicher wirtschaftliche Prognosen in Zeiten multipler Schocks tatsächlich seien. Die Öffentlichkeit sei nicht ausreichend auf das Wechselspiel aus Prognose, Risiko und Entscheidung vorbereitet worden – ein Vorwurf, der angesichts der dramatischen Fehleinschätzungen der Jahre 2021 und 2022 nicht unberechtigt erscheint.

Kritische Einordnung: Ein Schritt zu spät?

Powells Rede lässt sich als Versuch lesen, das Vertrauen in die Federal Reserve wiederherzustellen, ohne die eigenen Fehler zu leugnen. Die Anerkennung der Schwächen des bisherigen Rahmens ist begrüßenswert – doch man muss sich fragen, ob die geplanten Korrekturen nicht zu spät kommen. Die Fed agierte in den vergangenen Jahren oft reaktiv statt proaktiv. Ihre verspäteten Zinserhöhungen führten zwar letztlich zur Disinflation, doch das Vertrauen in ihre Prognosefähigkeit hat gelitten.

Auch die geplante Revision der Kommunikation dürfte nicht ausreichen, wenn die strukturelle Unsicherheit des Wirtschaftsumfelds zunimmt. Eine klarere Offenlegung der Risiken und Alternativszenarien – etwa in Form probabilistischer Projektionen – wäre ein echter Fortschritt.

Fazit

Jerome Powells Eröffnungsrede markiert den Beginn eines erneuten Strategiewechsels innerhalb der Federal Reserve. Die vergangenen fünf Jahre haben gezeigt, dass makroökonomische Gewissheiten schnell obsolet werden können. Der geplante Rückbau von Elementen wie der durchschnittlichen Inflationsteuerung und der Fokus auf realitätsnähere Kommunikation sind ein Zeichen wachsender Selbstreflexion. Doch das allein genügt nicht.

Wenn die Fed aus der Geschichte wirklich lernen will, muss sie nicht nur ihre Strategien anpassen, sondern auch ihr institutionelles Selbstverständnis als lernende Organisation stärken. Geldpolitik ist keine exakte Wissenschaft – und in einem Zeitalter wachsender geopolitischer und ökologischer Unsicherheiten ist ein hohes Maß an Flexibilität, Transparenz und Demut gefordert. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Fed dazu bereit ist.


Quellen: Jerome H. Powell, „Opening Remarks“, Second Thomas Laubach Research Conference, Washington D.C., 15. Mai 2025.

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