Ökonomen führen die steigende Arbeitslosigkeit unter anderem auf US-Zölle zurück
Die Arbeitslosenquote in Kanada ist im Mai auf 7 Prozent gestiegen – der höchste Stand seit über acht Jahren, abgesehen von den Ausnahmewerten während der Corona-Pandemie. Lediglich 8.800 neue Arbeitsplätze wurden im Berichtsmonat geschaffen, was auf eine nachlassende Dynamik am kanadischen Arbeitsmarkt hindeutet.
Laut Experten spielen dabei auch internationale Faktoren eine entscheidende Rolle. Ökonomen weisen darauf hin, dass die steigende Arbeitslosigkeit unter anderem auf US-Zölle zurückzuführen ist, die die Einstellungsbereitschaft vieler Unternehmen beeinträchtigen. Besonders betroffen sind Branchen und Regionen, die stark vom grenzüberschreitenden Handel mit den USA abhängig sind.
Verarbeitendes Gewerbe besonders betroffen
Ein besorgniserregender Trend zeigt sich vor allem im verarbeitenden Gewerbe: Dort gingen allein im Mai 12.200 Stellen verloren. Damit setzt sich ein viermonatiger Abwärtstrend fort, bei dem insgesamt bereits rund 55.000 Arbeitsplätze im Manufacturing-Sektor weggefallen sind. Auch im Bereich Transport und Lagerwirtschaft wurden 15.000 Arbeitsplätze abgebaut.
„Das Bild ist klar: Die US-Zöllen zeigen Wirkung“, sagte Leslie Preston, Senior-Ökonomin der Toronto-Dominion Bank. „Der Rückgang in der Industrie spiegelt sich direkt in den Zahlen wider – besonders in der Automobilbranche.“
Regionale Unterschiede verschärfen die Krise
Besonders hart trifft es laut Berichten handelsgeprägte Regionen wie Windsor (Arbeitslosenquote: 10,8 %) und Oshawa (9,1 %), die eng in die nordamerikanische Lieferkette eingebunden sind. In diesen Städten ist die Arbeitslosigkeit deutlich stärker angestiegen als im Landesdurchschnitt.
Indeed Canada berichtete zudem, dass die Zahl der Stellenausschreibungen in diesen Gebieten rückläufig ist, obwohl sie landesweit stabil blieb. „Die Exportabhängigkeit dieser Regionen macht sie besonders anfällig für protektionistische Maßnahmen der USA“, so Preston weiter.
Jugendliche besonders gefährdet
Auffällig ist zudem der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit, die im Mai bei 20,1 Prozent lag. Dies wird unter anderem auf den Beginn des Sommerarbeitsmarktes zurückgeführt, bei dem junge Arbeitskräfte oft Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden – insbesondere in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten.
Arbeitsmarkt insgesamt stagniert
Die Gesamtbeschäftigungsrate blieb unverändert bei 60,8 Prozent. Während die durchschnittliche Wochenarbeitszeit stabil blieb, stiegen die Stundenlöhne um 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dennoch bleibt die Unsicherheit hoch, da die Arbeitslosenquote voraussichtlich noch weiter steigen könnte.
Aussichten: Zinssenkungen und Hoffnung auf Handelsentlastung
Die kanadische Notenbank beobachtet die Entwicklungen genau. Zuletzt hielt sie den Leitzins bei 2,75 Prozent, bleibt aber bereit, im zweiten Halbjahr eingreifend zu intervenieren. Ökonomen erwarten, dass weitere Zinssenkungen notwendig sein könnten, um den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.
Andrew Grantham, Senior-Ökonom bei der Canadian Imperial Bank of Commerce, prognostiziert: „Wir erwarten, dass die Arbeitslosenquote im weiteren Jahresverlauf weiter leicht ansteigen wird. Positive Entwicklungen beim Umgang mit US-Zöllen und mögliche Zinssenkungen könnten helfen, die Arbeitsmarktlage bis Ende des Jahres wieder zu verbessern.“
Bislang gilt jedoch: Die Kombination aus internationalen Handelshemmnissen und schwachem Binnenkonsum belastet den kanadischen Arbeitsmarkt – und könnte langfristige Spuren hinterlassen.