Langlebige Kondensstreifen-Zirren: Zwischen wissenschaftlicher Evidenz und politischer Skepsis – Bundesregierung verteidigt Klimapolitik gegen AfD-Zweifel

Die Drucksache 21/974 enthält die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zur „Dokumentation, Bewertung und klimapolitischen Relevanz langlebiger Kondensstreifen-Zirren (Contrail Cirrus) über Deutschland“. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob diese künstlich erzeugten Eiswolken durch den Flugverkehr signifikant zum Klimawandel beitragen, ob sie systematisch erfasst werden und welche politischen Maßnahmen geplant sind.

1. Vorbemerkung der Fragesteller (AfD):
Die Fragesteller äußern deutliche Skepsis gegenüber der herrschenden Klimaforschung, insbesondere gegenüber der Hypothese des „Strahlungsantriebs“ (radiative forcing), welche zentraler Bestandteil des wissenschaftlichen Konsenses zur globalen Erwärmung ist. Sie argumentieren, dass diese Hypothese lediglich ein Gedankenexperiment sei, das nicht experimentell überprüft worden sei, und verweisen auf alternative Betrachtungen physikalischer Prozesse in der Atmosphäre, insbesondere auf Energieabgabe durch molekulare Stöße statt durch Strahlung. Die Fragesteller unterstellen, dass Studien zur Erwärmungswirkung von Kondensstreifen-Zirren wissenschaftlich einseitig seien und kühlende Effekte von Wolken systematisch vernachlässigten.

2. Reaktion der Bundesregierung:
Die Bundesregierung verteidigt den Stand der Klimawissenschaften und verweist auf die wissenschaftliche Basis des Weltklimarates IPCC. Das Konzept des Strahlungsantriebs sei in internationalen Studien vielfach belegt. Auch im atmosphärischen Modell des Deutschen Wetterdienstes (DWD) seien die infrarotphysikalischen Prozesse korrekt berücksichtigt.

3. Wissenschaftliche Erkenntnislage zu Kondensstreifen-Zirren:
Mehrere internationale Studien – unter anderem vom DLR, Imperial College London und der European Geosciences Union – kommen zu dem Schluss, dass langlebige Kondensstreifen-Zirren einen nicht vernachlässigbaren Erwärmungseffekt haben. Besonders in höheren Fluglagen und bei zunehmendem Luftverkehr könnten diese Wolkenformationen bis 2050 einen dreifach stärkeren Einfluss auf das Klima haben als 2006. Zwar könnten technische Maßnahmen wie Rußreduktion, alternative Flugkraftstoffe oder optimierte Flugrouten den Effekt mindern, eine vollständige Kompensation sei aber nicht realistisch.

4. Monitoring und Datenlage in Deutschland:
Der DWD führt allgemeine Wolkenbeobachtungen durch, jedoch keine gezielte und systematische Erfassung langlebiger Kondensstreifen-Zirren. Konkrete Auswirkungen dieser Wolken auf regionale Klimaparameter wie Temperatur, Sonnenscheindauer oder Niederschlagsmuster seien laut Bundesregierung bislang nicht gesichert oder nur unzureichend erforscht. Auch lägen der Bundesregierung keine eigenen Bewertungen zur möglichen Verstärkung oder Veränderung von Wetterlagen durch diese Phänomene vor.

5. Politische Maßnahmen und Regulierung:
Nicht-CO2-Effekte des Luftverkehrs – also insbesondere durch Kondensstreifen-Zirren – werden seit 2025 im Rahmen des europäischen Emissionshandels (EU ETS) von den Luftfahrtunternehmen erfasst, jedoch (noch) nicht bepreist. Auf nationaler Ebene gibt es Forschungsprojekte zur Vermeidung von Kondensstreifen, etwa durch optimierte Flugrouten. Eine gesonderte Besteuerung solcher Emissionen lehnt die Bundesregierung derzeit ab.

Kritische Einordnung:
Die Anfrage der AfD ist stark von einem grundsätzlichen Zweifel an der etablierten Klimawissenschaft geprägt und versucht, durch selektive Argumentation Unsicherheiten in der Klimaforschung zu politischen Zweifeln aufzubauschen. Dass die Bundesregierung ihre Position auf internationale Forschungskooperationen und den IPCC stützt, ist aus wissenschaftlicher Sicht nachvollziehbar. Gleichwohl zeigt die Antwort auch, dass die spezifischen Auswirkungen von langlebigen Kondensstreifen-Zirren auf das regionale Klima noch nicht vollständig verstanden sind und weiterer Forschungsbedarf besteht. Die politische Relevanz dieses Themas könnte in Zukunft zunehmen, insbesondere wenn sich die wissenschaftliche Evidenz zur Wirkung dieser atmosphärischen Phänomene verdichtet.

Zusammenfassend zeigt die Debatte exemplarisch die Spannungsfelder zwischen wissenschaftlichem Erkenntnisstand, politischer Entscheidungsfindung und ideologisch geprägter Kritik auf.


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