Zusammenfassung des UNHCR-Berichts „Global Trends in Forced Displacement in 2024“
Der Bericht zeichnet ein düsteres Bild der globalen Flüchtlings- und Vertreibungssituation und hebt hervor, dass die Zahl der Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen aus ihrer Heimat fliehen mussten, einen neuen, traurigen Rekord erreicht hat.
Gesamtzahlen und wichtigste Statistiken
- 123,2 Millionen gewaltsam Vertriebene: Ende 2024 waren weltweit 123,2 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben. Dies ist ein Anstieg von 7 Millionen (6 %) gegenüber Ende 2023. Das bedeutet, dass 1 von 67 Menschen weltweit ein Flüchtling oder Binnenvertriebener ist.
- Anhaltender Anstieg: Die Zahl der Vertriebenen ist seit über einem Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen. Allerdings verlangsamte sich die Zuwachsrate in der zweiten Jahreshälfte 2024.
Die 123,2 Millionen Vertriebenen setzen sich wie folgt zusammen:
- 73,5 Millionen Binnenvertriebene (IDPs): Menschen, die innerhalb ihres eigenen Landes vertrieben wurden.
- 31 Millionen Flüchtlinge unter UNHCR-Mandat: Dies schließt auch Menschen in flüchtlingsähnlichen Situationen ein.
- 8,4 Millionen Asylsuchende: Menschen, die auf eine Entscheidung über ihren Asylantrag warten.
- 5,9 Millionen Palästina-Flüchtlinge unter UNRWA-Mandat.
- 5,9 Millionen andere schutzbedürftige Personen, die internationalen Schutz benötigen.
Wichtige Trends und Erkenntnisse
- Aufnahmeländer:
- 73 % der Flüchtlinge und anderer international Schutzbedürftiger werden in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufgenommen.
- 67 % leben in Nachbarländern ihrer Herkunftsländer.
- Libanon beherbergt im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung die meisten Flüchtlinge (1 von 8 Einwohnern), gefolgt von Aruba, Tschad, Curaçao und Jordanien.
- Neue Asylanträge:
- Im Jahr 2024 wurden weltweit 3,1 Millionen neue individuelle Asylanträge gestellt.
- Die USA waren mit 729.100 Anträgen (nur erste Jahreshälfte) der größte Empfänger neuer Anträge, gefolgt von Ägypten, Deutschland, Kanada und Spanien.
- Demografie der Vertriebenen:
- Kinder sind überproportional betroffen: Sie machen 29 % der Weltbevölkerung aus, aber 40 % aller gewaltsam vertriebenen Menschen.
Hauptursachen und Krisenherde 2024
- Sudan: Der Konflikt im Sudan hat die weltweit größte Vertreibungskrise ausgelöst. Ende 2024 gab es 14,3 Millionen vertriebene Sudanesen, davon 11,6 Millionen Binnenvertriebene.
- Syrien: Die Situation in Syrien bleibt eine der größten Vertreibungskrisen (13,5 Millionen Vertriebene). Der Sturz der Assad-Regierung im Dezember 2024 hat jedoch eine neue Dynamik und eine Hoffnung auf Rückkehr für viele Syrer geschaffen. In den ersten Monaten des Jahres 2025 wurde bereits eine deutliche Zunahme der Rückkehrerzahlen verzeichnet.
- Gaza (Palästina): Der andauernde Konflikt hat 90 % der Zivilbevölkerung entwurzelt, was zu 2 Millionen Binnenvertriebenen führte.
- Ukraine: Der internationale bewaffnete Konflikt führte weiterhin zu massiver Vertreibung. Ende 2024 gab es über 5 Millionen ukrainische Flüchtlinge in Europa und 3,7 Millionen Binnenvertriebene.
- Myanmar: Die Krise, insbesondere die der staatenlosen Rohingya, und der eskalierende interne Konflikt haben Millionen von Menschen vertrieben (3,5 Millionen IDPs). Viele unternehmen verzweifelte und gefährliche Reisen auf der Suche nach Schutz.
- Die Sahelzone: Konflikte, politische Instabilität und extreme Wetterereignisse in Ländern wie Burkina Faso, Mali und Niger haben zu einer massiven Zunahme der Vertreibung in der Region geführt (insgesamt 3,8 Millionen Vertriebene).
Lösungen für Vertriebene
Obwohl die Zahlen für Lösungen im Jahr 2024 gestiegen sind, bleiben sie im Vergleich zum Ausmaß der weltweiten Vertreibung gering:
- 9,8 Millionen Menschen kehrten zurück: Davon waren 8,2 Millionen Binnenvertriebene, die in ihre Heimatregionen zurückkehrten, und 1,6 Millionen Flüchtlinge, die in ihre Herkunftsländer zurückkehrten.
- 188.800 Flüchtlinge wurden umgesiedelt (Resettlement): Dies ist die höchste Zahl seit über 40 Jahren, was ihnen ermöglicht, in einem sicheren Drittland ein neues Leben aufzubauen.
- 47.200 Staatenlose erhielten eine Staatsbürgerschaft oder bekamen ihre Nationalität bestätigt.
Besondere Schwerpunkte des Berichts
- Staatenlosigkeit: Schätzungsweise 4,4 Millionen Menschen sind staatenlos, wobei die Rohingya die größte betroffene Gruppe darstellen. Die wahre Zahl ist wahrscheinlich viel höher.
- Psychische Gesundheit: Ein spezieller Abschnitt beleuchtet die psychische Gesundheit von Flüchtlingen. Studien zeigen, dass Flüchtlinge eine signifikant höhere Prävalenz von Depressionen aufweisen als die Aufnahmegemeinschaften. Zugang zu psychologischer Betreuung ist oft durch Sprachbarrieren, Kosten und Stigmatisierung erschwert.
Die Situation in Syrien: Ein Wendepunkt
Die Lage in Syrien befindet sich an einem kritischen Scheideweg. Nach über einem Jahrzehnt Konflikt, der zu einer der größten Vertreibungskrisen der Welt führte, hat der Sturz der Assad-Regierung am 8. Dezember 2024 die Dynamik grundlegend verändert.
Gesamtlage Ende 2024:
- Insgesamt waren 13,5 Millionen Syrer gewaltsam vertrieben.
- 7,4 Millionen davon waren Binnenvertriebene (IDPs) innerhalb Syriens.
- 6,1 Millionen waren Flüchtlinge und Asylsuchende im Ausland, die meisten davon in Nachbarländern:
- Türkei: 2,9 Millionen
- Libanon: 755.000
- Jordanien: 611.000
- Deutschland ist mit 788.000 ebenfalls ein sehr wichtiges Aufnahmeland.
Die Rückkehrerzahlen: Eine Welle der Hoffnung
Der politische Umsturz hat bei vielen vertriebenen Syrern eine neue Hoffnung auf Rückkehr geweckt. Dies spiegelt sich in den konkreten Zahlen wider, die seit Dezember 2024 stark angestiegen sind.
1. Rückkehr von Flüchtlingen (aus dem Ausland):
- Seit dem 8. Dezember 2024 (und bis Mitte Mai 2025) sind schätzungsweise mehr als 500.000 Syrer aus dem Ausland zurückgekehrt, die überwältigende Mehrheit aus den Nachbarländern.
- Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2024 kehrten 512.700 Syrer zurück. Die Rückkehrbewegung in den ersten Monaten von 2025 ist also bereits fast so groß wie im gesamten Vorjahr.
2. Rückkehr von Binnenvertriebenen (innerhalb Syriens):
- Seit Ende November 2024 (und bis Mitte Mai 2025) sind schätzungsweise 1,2 Millionen Binnenvertriebene an ihre Herkunftsorte zurückgekehrt.
- Auch hier ist der Anstieg enorm, wenn man bedenkt, dass im gesamten Jahr 2024 „nur“ 513.900 IDP-Rückkehrer verzeichnet wurden.
Prognosen und Absichten für 2025
Die Absicht zur Rückkehr hat sich dramatisch erhöht:
- Eine UNHCR-Umfrage im Januar 2025 ergab, dass 80 % der befragten syrischen Flüchtlinge hoffen, eines Tages zurückzukehren (im Vergleich zu 57 % vor dem Regierungssturz).
- 27 % gaben an, innerhalb des nächsten Jahres zurückkehren zu wollen (ein massiver Anstieg von unter 2 % in der vorherigen Umfrage).
- Prognose für 2025: Der Bericht schätzt, dass bis Ende 2025 bis zu 1,5 Millionen Syrer aus dem Ausland und 2 Millionen Binnenvertriebene zurückkehren könnten.
Herausforderungen für eine nachhaltige Rückkehr
Trotz der Hoffnung bleiben erhebliche Hindernisse bestehen, die eine sichere und nachhaltige Rückkehr erschweren:
- Sicherheitslage: Die Situation ist weiterhin instabil und es herrscht Unsicherheit über die neuen Autoritäten.
- Zerstörte Infrastruktur: Viele Häuser und Wohnungen sind beschädigt oder zerstört. Es fehlt an grundlegenden Dienstleistungen wie Strom, Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung.
- Wirtschaftliche Lage: Die wirtschaftlichen Herausforderungen in Syrien sind enorm.
- Eigentumsrechte: Die Klärung von Eigentumsrechten an Häusern und Land ist komplex und wird Zeit brauchen.
Fazit: Der Bericht zeigt, dass der politische Wandel in Syrien eine einzigartige, aber fragile Chance für die Rückkehr von Millionen von Menschen geschaffen hat. Während die Rückkehrzahlen und -absichten in die Höhe schnellen, ist massive internationale Unterstützung für den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Landes entscheidend, damit diese Rückkehr auch nachhaltig und würdevoll sein kann.