Merz’ IAA-Rede und die Schieflage der Auto-Republik

„Ich sage Ihnen schon heute zu, dass ich auch bei den nächsten drei internationalen Automobilausstellungen 2027, 2029 und 2031 bei Ihnen…“ – und Markus Söder klatscht. Man könnte meinen, der Kanzler habe eben keine Einladung, sondern eine Drohung ausgesprochen. Mit dieser Mischung aus Selbstverheißung und politischer Dauerkarte eröffnete Friedrich Merz die IAA Mobility in München. Pathos, Zahlen und große Worte fehlten nicht – wie so oft bei Merz. Doch die Frage bleibt: Was folgt eigentlich nach diesen salbungsvollen Auftritten?

Man möchte fast applaudieren, so schwungvoll, so staatsmännisch und zugleich volksnah hat Friedrich Merz die IAA Mobility in München eröffnet. Es war die perfekte Inszenierung eines Kanzlers, der endlich dort angekommen scheint, wo er immer hinwollte: an der Spitze der Republik und auf der Bühne der Schlüsselindustrie. Mit Pathos beschwor er das Auto als „Stück Freiheit“, lobte die Ingenieurskunst, versprach Steuererleichterungen und Technologieoffenheit. Ein Versprechen, das alle Wünsche erfüllt, ohne irgendeinen Konflikt anzutasten. Wer so redet, klingt wie der Messias des Motorraums. Nur: Politik besteht nicht aus Worten, sondern aus Handeln – und genau daran hakt es bei Merz, wie so oft.

Die Rede ließ keinen Zweifel daran, dass die Automobilindustrie im Zentrum der deutschen Wirtschafts- und Wohlstandserzählung steht. Über 770.000 Arbeitsplätze, ein Exportvolumen von vier Millionen Fahrzeugen jährlich, „Made in Germany“ als Gütesiegel – Merz jonglierte mit Zahlen, als wären sie die Trophäen seiner eigenen Politik. Dabei weiß er, und alle in München wissen es auch: Die Branche steckt tief in der Krise. Absatzschwächen, technologische Umbrüche, Konkurrenz aus China und den USA – dazu die Unsicherheit in Bezug auf Batterien, Rohstoffe und Energiepreise. Schönreden hilft da nicht weiter.

Merz kündigte zwar an, die Körperschaftsteuer schrittweise zu senken, die Forschung zu fördern und Investitionen steuerlich zu erleichtern. Doch das klingt eher nach ideologischer Schubladenpolitik aus den Achtzigern als nach einem Masterplan für das 21. Jahrhundert. Mit der gleichen Inbrunst hätte er auch versprechen können, man werde „Benzinpreise unter zwei Mark“ garantieren. Solche Pauschalmaßnahmen mögen kurzfristig Beifall im Saal erzeugen, lösen aber kein einziges strukturelles Problem.

Der Kanzler beschwört die „Technologieoffenheit“ – ein Wort, das inzwischen eher wie eine rhetorische Ausflucht klingt. Denn was heißt das konkret? Dass man sich nicht festlegen will, ob am Ende Batterie, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe den Markt beherrschen? Technologieoffenheit klingt freiheitlich, doch in Wahrheit ist es politisches Nichtstun. Die Hersteller erwarten Planungssicherheit, nicht bloß die Freiheit, alles ein bisschen ausprobieren zu dürfen, während China längst auf Batterien setzt und die USA mit massiven Subventionen für E-Mobilität Fakten schaffen.

Merz lehnt „übermäßige Regulierung“ ab. Ein verständlicher Reflex, doch gerade in der Mobilitätswende braucht es klare Leitplanken: verbindliche Standards bei Ladeinfrastruktur, Förderung von Schienenverkehr und Logistik, realistische CO₂-Ziele, die nicht alle zwei Jahre verschoben werden. Ohne staatliche Rahmensetzung droht der deutsche Automobilbau nicht Offenheit, sondern Beliebigkeit.

Die Frage ist daher: Schafft es die Autoindustrie trotz Merz, sich neu aufzustellen? Vermutlich ja, zumindest teilweise. Denn die großen Konzerne – ob VW, BMW oder Mercedes – haben längst eigene Strategien entwickelt, um den Umbruch zu bewältigen. Sie investieren Milliarden in E-Mobilität, Software, autonomes Fahren. Sie tun es nicht, weil Merz sie dazu ermuntert, sondern weil der internationale Wettbewerb sie zwingt. Die eigentliche Gefahr ist, dass der Kanzler den Prozess eher bremst als beschleunigt, indem er sich hinter wohlfeilen Reden versteckt, statt mutige Entscheidungen durchzusetzen.

Es wäre seine Aufgabe, Deutschland als Standort für Zukunftstechnologien zu sichern, Rohstoffabhängigkeiten aktiv zu reduzieren, europäische Industriepolitik voranzutreiben und den Strompreis dauerhaft zu senken. Doch dazu schweigt er. Stattdessen verteilt er steuerpolitische Bonbons, die zwar in den Schlagzeilen wirken, aber kaum ein mittelständischer Zulieferer in Zwickau oder Paderborn als Rettungsanker empfindet.

So bleibt am Ende ein Bild, das zur IAA passt wie der Chrom zum Oldtimer: glänzend poliert, aber fahruntauglich. Friedrich Merz liefert Reden, keine Richtung. Die Autoindustrie wird ihren Weg in die Zukunft gehen – vielleicht mit Blessuren, vielleicht mit neuen Erfolgen. Aber sie wird es eher trotz der Merz-Regierung schaffen als wegen ihr. Wer nur in Pathos badet, kommt irgendwann ins Schleudern. Und Deutschland kann sich in dieser entscheidenden Industrie keinen Kanzler am Steuer leisten, der bloß den Rückspiegel bewundert.


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