Nasdaq vor dem Dauerhandel: Globaler Anspruch, technische Hürden und offene Risiken

1. Kerninhalt und Zielsetzung

Die US-Technologiebörse Nasdaq plant, den Aktienhandel an fünf Tagen pro Woche von bislang 16 auf künftig 23 Stunden auszuweiten. Vorgesehen ist lediglich eine einstündige tägliche Unterbrechung für Wartung und Abwicklung. Ziel ist es, den Handel faktisch nahezu rund um die Uhr zu ermöglichen und damit der stark gestiegenen internationalen Nachfrage nach US-Aktien Rechnung zu tragen. Ein entsprechender Antrag bei der US-Börsenaufsicht SEC gilt als weitgehend unproblematisch. Der mögliche Starttermin wird für die zweite Hälfte des Jahres 2026 genannt .

2. Begründung: Globalisierung der Kapitalmärkte

Die Nasdaq argumentiert mit der fortschreitenden Internationalisierung der US-Märkte. Ausländische Investoren – insbesondere aus Europa und Asien – halten US-Aktien im Wert von mehreren Billionen US-Dollar und wünschen einen Handel zu ihren jeweiligen Zeitzonen. Führungskräfte der Nasdaq verweisen darauf, dass historische Börsenöffnungszeiten aus der Zeit des Parketthandels stammen und nicht mehr zu einem global digitalisierten Markt passen .

3. Wettbewerb und Marktumfeld

Der Vorstoß ist Teil eines breiteren Trends: Auch konkurrierende Börsenbetreiber wie die New York Stock Exchange (NYSE) und Cboe Global Markets planen oder testen längere Handelszeiten. Verfügbarkeit wird zunehmend als Standortfaktor im globalen Wettbewerb der Börsenplätze verstanden. Die Nasdaq will zudem nächtliche Handelsaktivitäten, die derzeit häufig auf außerbörsliche und weniger regulierte Plattformen ausweichen, wieder in den regulierten Börsenhandel zurückholen .

4. Technische und regulatorische Voraussetzungen

Ein zentraler Unsicherheitsfaktor liegt in der Marktinfrastruktur. Besonders kritisch ist das Clearing: Die zentrale Abwicklungsstelle (DTCC) plant einen durchgehenden 24/7-Betrieb erst bis Ende 2026. Ohne diese Umstellung bleibt der Dauerhandel faktisch eingeschränkt. Auch Kursdatenprozessoren und Abwicklungssysteme müssen für den Dauerbetrieb angepasst werden .

5. Potenzielle Vorteile für Anleger

Befürworter sehen Vorteile in höherer Flexibilität und der Möglichkeit, schneller auf Unternehmensmeldungen oder geopolitische Ereignisse zu reagieren. Zudem könnten sich langfristig engere Spreads ergeben, wenn nächtlicher Handel aus dem OTC-Bereich in den regulierten Börsenhandel verlagert wird. Für internationale Investoren würde der Zugang zu US-Aktien deutlich erleichtert .

6. Kritik und Risiken

Große US-Banken äußern deutliche Vorbehalte. In Rand- und Nachtzeiten drohen geringe Liquidität, stärkere Kursschwankungen und damit höhere Risiken für Marktteilnehmer. Hinzu kommen hohe Investitionskosten für Technik, Personal und Risikomanagement, die sich möglicherweise nicht durch zusätzliche Einnahmen amortisieren. Kritiker bezweifeln daher, dass längere Handelszeiten automatisch zu effizienteren oder stabileren Märkten führen .

7. Kritische Einordnung

Die geplante Ausweitung der Handelszeiten erscheint konsequent vor dem Hintergrund globaler Kapitalströme und digitaler Märkte. Dennoch ist fraglich, ob nahezu durchgehender Handel den Markt als Ganzes verbessert oder lediglich bestehende Liquidität zeitlich streckt. Historisch zeigt sich, dass der Großteil des Handelsvolumens weiterhin in den Kernzeiten stattfindet. Der Nutzen für Privatanleger könnte begrenzt bleiben, während systemische Risiken und Kosten vor allem bei institutionellen Akteuren anfallen. Die Entscheidung markiert daher weniger einen qualitativen Fortschritt als vielmehr eine strategische Anpassung an den globalen Wettbewerb – mit offenem Ausgang hinsichtlich Effizienz, Stabilität und tatsächlichem Mehrwert für Investoren.


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