Der neue Nestlé-Chef Philipp Navratil greift durch. Nur sechs Wochen nach seinem Amtsantritt kündigte der Chef des weltgrößten Lebensmittelkonzerns einen drastischen Umbau an: 16.000 Arbeitsplätze sollen in den kommenden zwei Jahren weltweit gestrichen werden. Ziel ist es, die Kostenstruktur zu verschlanken und die digitale Transformation des Unternehmens zu beschleunigen. Die Botschaft ist eindeutig – Nestlé will zurück zu alter Stärke, notfalls auf Kosten der Belegschaft.
Nach Angaben des Konzerns entfallen 12.000 Stellen auf Büroarbeitsplätze und 4.000 auf Produktion und Lieferketten. Die Maßnahmen sollen jährliche Einsparungen von rund einer Milliarde Franken bringen. Insgesamt erhöht Navratil das Sparziel auf drei Milliarden Franken bis 2027. Betroffen sind laut Unternehmensangaben weltweit rund 277.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; in Deutschland beschäftigt Nestlé etwa 6.700 Personen an zwölf Standorten. Ob und in welchem Ausmaß dort Stellen gestrichen werden, bleibt offen.
Die Ankündigung fällt in eine Phase der Neuausrichtung. Navratil übernahm das Ruder von Laurent Freixe, der wegen einer internen Affäre und Compliance-Vorwürfen gehen musste. Mit dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Pablo Isla soll der Konzern wieder Stabilität gewinnen. Nestlé, dessen Markenportfolio von Nespresso und KitKat bis Perrier reicht, kämpft seit Jahren mit schwächerem Wachstum als die Konkurrenz. Navratil reagiert darauf mit einem harten Sparkurs, flankiert von Digitalisierung und Automatisierung – Prozesse, die laut CNN direkt zum Stellenabbau beitragen.
Finanziell zeigt sich Nestlé robust: Der Umsatz stieg in den ersten neun Monaten 2025 um 3,3 Prozent auf 65,87 Milliarden Franken, die operative Marge liegt bei über 16 Prozent. Die Börse honorierte die Reformpläne prompt: Die Aktie sprang um 7,7 Prozent nach oben. Investoren sehen in Navratils Kurs die Chance auf neue Dynamik – doch Branchenexperten mahnen, dass der Konzern mit Wettbewerbern wie Danone und Unilever weiterhin Schritt halten muss.
Was wirtschaftlich rational erscheint, ist sozial brisant. Nestlé betont die Notwendigkeit der Anpassung an „eine sich wandelnde Welt“. Doch während Digitalisierung und Effizienzsteigerung im Fokus stehen, bleibt offen, wie der Konzern den Arbeitsplatzverlust sozial abfedern will. Programme zur Umschulung oder internen Neuplatzierung sind bisher nicht angekündigt. Kritiker warnen, dass ein Unternehmen mit Nestlés Größe und öffentlicher Strahlkraft Gefahr läuft, als Symbol für kalte Effizienzpolitik wahrgenommen zu werden – ein Vorwurf, den der Konzern in der Vergangenheit mehrfach zu entkräften suchte.
Unbestreitbar ist: Der Umbau signalisiert Entschlossenheit. Navratil will Nestlé fit machen für eine Ära globaler Konkurrenz, steigender Rohstoffpreise und technischer Disruption. Die Frage bleibt jedoch, ob der Balanceakt zwischen Wirtschaftlichkeit und sozialer Verantwortung gelingt. Der Markt applaudiert – doch in den Werkshallen dürfte die Stimmung weniger euphorisch sein.