Der Nikkei 225, Leitindex der Tokioter Börse, ist mehr als nur eine Zahl auf den Bildschirmen internationaler Investoren. Er ist Symbol für das Auf und Ab der japanischen Wirtschaft – ein Spiegel des Optimismus, der Übertreibungen und der mühsamen Suche nach einem stabilen Wachstumspfad.
Im August 2025 erreichte der Nikkei mit über 43.000 Punkten ein neues Rekordhoch. Damit hat er die Marke übertroffen, die seit Ende 1989 wie eine unüberwindbare Hürde wirkte. Damals, auf dem Höhepunkt der größten Spekulationsblase der Nachkriegszeit, schien Japan unaufhaltsam. Aktien- und Immobilienpreise explodierten, die Welt sprach vom „japanischen Jahrhundert“. Dann kam der Absturz: In den folgenden Jahren verlor der Index bis zu 80 Prozent seines Wertes, und das Land versank in Deflation und Wachstumsstagnation. Die „verlorenen Dekaden“ wurden zur Chiffre für eine Wirtschaft, die ihrem eigenen Erfolg erlegen war.
Heute nun, nach Jahrzehnten der Ernüchterung, erlebt Japan eine Wiederauferstehung. Mehrere Faktoren haben die Rallye befeuert: Starke Unternehmensgewinne, eine günstige Wechselkursentwicklung, die Exporterlöse steigert, und eine Notenbank, die mit extrem lockerer Geldpolitik den Markt stützt. Besonders entscheidend aber sind die Reformen in der Unternehmensführung. Unter dem Druck von Aufsichtsbehörden und Börse haben viele Konzerne ihre Kapitalstruktur modernisiert, Dividenden erhöht und Aktionäre stärker am Erfolg beteiligt. Für internationale Investoren ist das ein Novum in einem Land, das lange für ineffiziente Firmenkonglomerate und unproduktives „cross-shareholding“ berüchtigt war.
Gleichwohl bleibt Vorsicht geboten. Der schwache Yen ist Segen und Fluch zugleich: Er stärkt die Wettbewerbsfähigkeit, signalisiert aber auch mangelndes Vertrauen in die langfristige Dynamik der Volkswirtschaft. Noch schwerer wiegt die demografische Realität: Japans Bevölkerung schrumpft, die Gesellschaft altert rapide. Ohne substanzielle Produktivitätsgewinne droht der Aufschwung an strukturellen Grenzen zu verhallen. Zudem ist die enorme Staatsverschuldung ein permanentes Risiko – jeder Versuch der Bank of Japan, die Zinsen deutlicher anzuheben, könnte den Markt aus dem Gleichgewicht bringen.
Der Nikkei 225 ist damit erneut zur Projektionsfläche geworden: Für die einen symbolisiert er das späte „Erwachen“ Japans, für andere lediglich die nächste Etappe einer Achterbahnfahrt. Sicher ist nur: Das Land hat sich durch Reformen und Marktöffnung attraktiver gemacht. Ob daraus aber eine nachhaltige Wachstumsstory erwächst oder ob die Euphorie an den alten Bremsklötzen scheitert, wird erst die nächste Dekade zeigen.