Pakistan, neben Iran, setzt seit Herbst 2023 im Rahmen des „Illegal Foreigners Repatriation Plan“ (IFRP) eine beispiellose Kampagne zur Rückführung afghanischer Staatsangehöriger um. Offiziell richtet sich der Plan gegen alle Ausländer ohne gültige Papiere, tatsächlich sind nahezu ausschließlich Afghanen betroffen. Nach aktuellen Schätzungen internationaler Organisationen sind seit Beginn der Maßnahmen zwischen 800.000 und einer Million Menschen aus Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt – weit mehr, als in älteren Berichten mit „über einer halben Million“ angegeben.
Menschenrechtsorganisationen und das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) kritisieren den IFRP als Verstoß gegen das völkerrechtliche Non-Refoulement-Prinzip, das die Rückführung Schutzsuchender in Staaten verbietet, in denen ihnen Gefahr für Leib und Leben droht. Die Kritik wiegt schwer, da Afghanistan unter den Taliban von einer gravierenden humanitären Krise, politischer Repression, insbesondere gegen Frauen und Mädchen, sowie anhaltenden Menschenrechtsverletzungen geprägt ist.
Die pakistanische Regierung verweist zur Rechtfertigung auf Sicherheits-, Wirtschafts- und Rechtsargumente. Sie macht afghanische Staatsangehörige mitverantwortlich für eine Zunahme von Terroranschlägen, darunter Vorfälle mit Beteiligung der Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) und des Islamischen Staates in Khorasan (IS-K), die teils von afghanischem Boden aus operieren. Zwar belegen einzelne Anschlagsfälle diese Gefahr, doch die pauschale Kollektivhaftung einer ganzen Bevölkerungsgruppe widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen. Neben Sicherheitsaspekten werden die Belastung öffentlicher Ressourcen in der anhaltenden Wirtschaftskrise sowie ethnopolitische Spannungen – viele afghanische Flüchtlinge sind Paschtunen – als Treiber genannt.
Besonders umstritten ist der Umgang mit registrierten Flüchtlingen. Die Gültigkeit der „Proof of Registration“-Karten (PoR) wurde am 11. Juli 2024 um ein Jahr bis zum 30. Juni 2025 verlängert. Dennoch dokumentierte das UNHCR 2025 Festnahmen und Abschiebungen auch unter PoR-Inhabern, was den offiziellen Schutzstatus faktisch aushöhlt. Auch Besitzer sogenannter Afghan Citizen Cards (ACC) geraten zunehmend ins Visier der Behörden. Damit verschiebt sich der IFRP von einer Maßnahme gegen „illegale Ausländer“ zu einem generellen Instrument der Druckausübung auf die afghanische Bevölkerung im Land.
Diese Politik hat nicht nur dramatische humanitäre Folgen, sondern auch geopolitische Implikationen. Sie setzt die Taliban-Regierung in Kabul unter Druck, verschärft jedoch zugleich die Spannungen zwischen Islamabad und Kabul. Für westliche Staaten, darunter EU-Mitglieder, die afghanische Flüchtlinge aus Pakistan aufnehmen wollen, verschlechtert sich die Lage: Betroffene, die in Ausreise- und Umsiedlungsprogrammen registriert sind, verlieren in Pakistan zunehmend den Schutz, bevor eine sichere Ausreise möglich wird. Damit wird das Problem des internationalen Flüchtlingsschutzes verschärft – mit absehbaren moralischen und politischen Folgekosten für alle Beteiligten.