Pendeln unter Druck: Warum Arbeitnehmer ab 2027 kräftig zur Kasse gebeten werden – egal ob Auto oder Bahn
Die aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamts belegt: Der Pkw bleibt auch 2024 mit einem Anteil von 65 % das dominierende Verkehrsmittel für Berufspendlerinnen und -pendler in Deutschland. Öffentliche Verkehrsmittel (16 %), das Fahrrad (10 %) und der Fußweg (7 %) folgen mit deutlichem Abstand. Doch hinter dieser vermeintlichen Stabilität verbirgt sich ein wachsender Krisenherd. Denn ab 2027 drohen drastische Mehrkosten für alle, die regelmäßig zur Arbeit pendeln – ganz gleich, ob im Auto oder im Zug.
Kostenexplosion durch CO₂-Bepreisung
Mit dem Einstieg in den zweiten europäischen Emissionshandel (EU ETS2) wird der Preis für CO₂ ab 2027 nicht mehr staatlich reguliert, sondern durch den Markt bestimmt. Ziel ist es, die Emissionen fossiler Energieträger zu senken – der Preis dafür: ein absehbarer Anstieg der Energie- und insbesondere der Kraftstoffkosten. Schon jetzt warnen Fachleute vor einem Aufschlag von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin oder Diesel. Sollte der CO₂-Preis tatsächlich – wie im Worst-Case-Szenario – auf 300 Euro pro Tonne steigen, wären noch deutlich höhere Kosten denkbar.
Doch auch das Bahnfahren wird sich nicht als kostengünstige Alternative erweisen: Der öffentliche Verkehr hängt ebenfalls an steigenden Energiepreisen, zunehmendem Instandhaltungsbedarf und wachsendem Personalaufwand. Diese Betriebskosten werden sich unweigerlich in höheren Ticketpreisen niederschlagen – das Deutschlandticket wurde bereits zum 1. Januar 2025 auf 58,00 € pro Monat erhöht. Weitere Preisanpassungen sind nicht ausgeschlossen, solange die Finanzierung ungeklärt bleibt.
Pendler in der Mobilitätsfalle
Besonders hart trifft es jene, die keine echte Wahl haben: Berufspendlerinnen und -pendler im ländlichen Raum. Hier ist der ÖPNV vielerorts unzureichend ausgebaut oder gar nicht vorhanden. Das Auto bleibt alternativlos. Zwar wurde die Pendlerpauschale für 2025 nochmals angepasst – auf 0,30 € pro Kilometer bis zum 20. und 0,38 € ab dem 21. Kilometer. Eine einheitliche Erhöhung auf 0,38 € ab dem ersten Kilometer ist ab 2027 geplant. Doch diese Entlastung greift spät, wirkt nur rückwirkend über die Steuer und bevorzugt Besserverdienende. Wer unter dem Grundfreibetrag liegt, profitiert kaum – und kann höchstens eine wenig bekannte Mobilitätsprämie in Anspruch nehmen.
Hinzu kommt ein weiterer Webfehler: Die Pauschale ist unabhängig vom Verkehrsmittel – wer also 60 Kilometer mit dem Diesel-SUV zur Arbeit fährt, wird genauso entlastet wie jemand, der drei Kilometer mit dem Fahrrad zurücklegt. Ein umweltfreundliches Mobilitätsverhalten wird nicht belohnt – sondern steuerlich gleich behandelt oder gar benachteiligt. Wer radelt, zahlt am Ende oft drauf.
Deutschlandticket: Flatrate mit Fallstricken
Mit großem politischen Symbolwert eingeführt, steht das Deutschlandticket nun auf einem fragilen Fundament. Die Preiserhöhung auf 58,00 € monatlich widerspricht der ursprünglichen Idee einer sozial gerechteren Mobilitätslösung. Zwar existieren ermäßigte Varianten – etwa für Studierende oder über das Jobticket-Modell – doch diese sind weder flächendeckend verfügbar noch sozial ausgewogen. Wer in prekären Arbeitsverhältnissen steht oder in Regionen ohne leistungsfähigen ÖPNV lebt, trägt die Kosten ohne entsprechenden Gegenwert.
Für Menschen in der Stadt bleibt das Ticket attraktiv, in vielen ländlichen Regionen dagegen wird es zur teuren Makulatur – eine Art „Flatrate für den Fahrplan“, aber ohne tatsächlichen Anschluss.
Klimageld: Versprochen, aber nicht geliefert
Ursprünglich als Gegengewicht zur CO₂-Bepreisung angekündigt, ist das sogenannte Klimageld längst zum politischen Phantom geworden. Die Idee war, die Einnahmen aus der CO₂-Abgabe pro Kopf an die Bevölkerung zurückzugeben – als sozialer Ausgleich. Doch bis heute fehlt ein funktionierendes Auszahlungssystem. Die benötigte Infrastruktur – etwa eine Verknüpfung von Steuer-ID und Kontoverbindung – wurde nicht geschaffen. Stattdessen versickern die Einnahmen im Klima- und Transformationsfonds, wo sie anderen Zwecken dienen.
Das Ergebnis ist fatal: Die CO₂-Bepreisung entfaltet ihre Lenkungswirkung – aber ohne soziale Flankierung. Gerade Haushalte mit geringem Einkommen und hohem Energiebedarf zahlen die Zeche. Das zentrale Versprechen einer gerechten Klimapolitik wurde gebrochen – mit weitreichenden Folgen für die politische Glaubwürdigkeit.
Fazit: Mobilität wird zum sozialen Risiko
Pendeln wird teurer, unsicherer und ungleicher. Die politischen Instrumente – Pendlerpauschale, Deutschlandticket, Klimageld – greifen entweder zu kurz, zu spät oder gar nicht. Besonders betroffen sind jene, die strukturell aufs Pendeln angewiesen sind, aber über kein ausreichendes Einkommen verfügen, um die steigenden Kosten abzufedern.
Eine Mobilitätswende, die nur auf Preise und Marktmechanismen setzt, ohne soziale Ausgleichsinstrumente, verliert nicht nur ihre Legitimation – sie scheitert an der Lebensrealität der Mehrheit. Was fehlt, ist nicht das Geld, sondern der politische Wille: für ein solidarisch finanziertes, flächendeckendes ÖPNV-Angebot, für gezielte Entlastungen statt pauschaler Steuerlogik, und für ein Klimageld, das seinen Namen verdient. Andernfalls wird der Weg zur Arbeit für viele zum Luxus – und die Verkehrswende zur sozialen Spaltung.