Das Power-Law-Prinzip (auch als Potenzgesetz bezeichnet) ist ein statistisches Phänomen, das in vielen natürlichen und sozialen Systemen auftritt – einschließlich des Aktienmarktes. Im Kontext des Finanzmarktes beschreibt es die Verteilung von Ereignissen wie Kursveränderungen, Handelsvolumina oder Risiken.
Was bedeutet das Power-Law-Prinzip?
Ein Power Law beschreibt eine Beziehung zwischen zwei Größen, bei der eine Größe proportional zu einer Potenz der anderen ist. In mathematischer Form:
$$
P(x) \propto x^{-\alpha}
$$
Dabei:
- [math]P(x) [/math]: Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses mit Größe [math] x [/math]
- ∝ : Exponent (meist > 1)
- Die Verteilung hat keine scharfe Grenze – große Ereignisse sind selten, aber nicht unmöglich.
Power Law im Aktienmarkt
Im Aktienmarkt zeigt sich das Power-Law-Prinzip besonders bei:
1. Kursveränderungen (Return Distributions)
- Kleine tägliche Preisschwankungen sind sehr häufig.
- Große Schwankungen (z. B. Crashs oder starke Rallys) sind selten, aber können katastrophale Auswirkungen haben.
- Diese Verteilung folgt oft einem Fat-Tail-Verhalten, was bedeutet, dass extreme Ereignisse („Black Swans“) wahrscheinlicher sind als bei einer Normalverteilung angenommen.
Beispiel: Ein 5%-iger Tagesrückgang kommt etwa alle 10 Jahre vor, ein 10%-iger alle 50 Jahre, ein 20%-iger vielleicht alle 100 Jahre – obwohl dies immer noch realistisch ist.
2. Handelsvolumina
- Das Handelsvolumen folgt oft einem Power Law: Wenige Tage mit extrem hohem Volumen dominieren den größten Teil des jährlichen Handels.
- Dies deutet auf Selbstähnlichkeit und komplexe Interaktionen zwischen Marktteilnehmern hin.
3. Marktkapitalisierung von Unternehmen
- Die Verteilung der Marktkapitalisierungen folgt ebenfalls einem Power Law: Einige wenige große Unternehmen machen einen Großteil des Marktwerts aus, während viele kleine Unternehmen nur geringe Anteile beisteuern.
Warum ist das wichtig für Anleger?
- Risikobewusstsein:
- Extreme Ereignisse sind seltener als in klassischen Modellen (wie der Normalverteilung) angenommen, aber nicht unmöglich.
- Diversifikation und Hedging sollten daher stärker auf solche „schweren Schwingen“ abzielen.
- Modellierung und Vorhersage:
- Traditionelle Modelle (z. B. Black-Scholes) basieren oft auf der Annahme normalverteilter Renditen – diese sind jedoch unrealistisch.
- Stattdessen werden Modelle verwendet, die Fat-Tails berücksichtigen (z. B. Stable Distributions oder GARCH-Modelle).
- Marktstruktur:
- Das Verständnis von Power Laws hilft dabei, Marktzyklen, Dominanz großer Akteure und systemische Risiken besser einzuschätzen.
Zusammenfassung
Merkmal | Beschreibung |
---|---|
Definition | Eine Verteilung, bei der extreme Ereignisse seltener, aber nicht unmöglich sind. |
Anwendung am Markt | Kursveränderungen, Handelsvolumina, Marktkapitalisierung |
Auswirkungen | Höhere Risiken durch „fat tails“, Notwendigkeit neuer Modellierungsansätze |
Beispiel | Ein Börsencrash tritt seltener als nach Normalverteilung erwartet auf, aber seine Wahrscheinlichkeit ist höher als null. |
Praktisches Beispiel zur Berechnung
Beispiel: Vermögensverteilung
Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit P(x)
, dass eine Person ein Vermögen von mindestens x Euro besitzt, folgt einer Power-Law-Verteilung mit Exponent α = 2
.
Die Funktion lautet dann:
[math] P(x) = C \cdot x^{-2} [/math]
C ist eine Normierungskonstante, die davon abhängt, wie groß die gesamte Grundgesamtheit ist. Für das Beispiel ist sie hier unerheblich, wir betrachten relative Verhältnisse.
Frage:
Wie viel häufiger ist es, dass jemand ein Vermögen von 100.000 € hat, verglichen mit 1.000.000 €?
Setzen wir in die Verteilung ein:
[math]\frac{P(100{,}000)}{P(1{,}000{,}000)} = \frac{100{,}000^{-2}}{1{,}000{,}000^{-2}} = \left( \frac{1{,}000{,}000}{100{,}000} \right)^2 = 10^2 = 100[/math]
Ergebnis:
Ein Vermögen von 100.000 € ist 100-mal häufiger als eines von 1.000.000 €, sofern die Verteilung einem Power-Law mit Exponent 2 folgt.