Profiteure im Sturm der Märkte

Wenn andere Branchen unter der Unberechenbarkeit der Märkte leiden, reiben sich Börsenbetreiber die Hände. Ihre Gewinne steigen, wenn die Kurse schwanken. Ein genauer Blick auf die Branche zeigt, warum ihre Aktien in turbulenten Zeiten besonders attraktiv sind.

Marktvolatilität – Albtraum für viele, Goldgrube für wenige

Volatilität ist das Schreckgespenst vieler Unternehmen: Prognosen verlieren an Aussagekraft, Investitionsentscheidungen werden verschoben, Margen schrumpfen. Doch für Börsenbetreiber ist genau das Gegenteil der Fall. Mehr Schwankung bedeutet für sie: mehr Transaktionen, höhere Handelsvolumina, steigende Umsätze – und bei gleichbleibender Kostenstruktur: mehr Gewinn. Die aktuelle Marktlage illustriert diesen Mechanismus eindrucksvoll.

In Zeiten, in denen Inflationssorgen, geopolitische Spannungen und geldpolitische Unsicherheit für ein wildes Auf und Ab auf den Kapitalmärkten sorgen, zählen die Börsenbetreiber zu den stabilsten und gleichzeitig wachstumsstärksten Akteuren im Finanzsektor. Sie sind – so paradox es klingt – Nutznießer des Chaos.

Deutsche Börse AG: In der Heimat der „Aktienmuffel“ ein Börsenstar

Ein Paradebeispiel für diesen Trend ist die Deutsche Börse AG. In einem wirtschaftlich angespannten Umfeld – in dem selbst Industrieikonen wie Porsche oder Mercedes-Benz ihre Jahresprognosen kassierten – schwang sich die Börsenaktie zu Höchstformen auf. Mit einem Kursplus von fast 60 % innerhalb eines Jahres deklassierte sie sowohl den DAX (+28 %) als auch den MSCI World (+7 %). In den letzten drei Monaten kamen nochmals rund 20 % Performance hinzu.

Die Handelsvolumina an den Kassamärkten sprechen eine deutliche Sprache: Im April setzte die Deutsche Börse 188 Milliarden Euro um – fast 60 % mehr als im Vorjahresmonat. Damit notiert die Aktie nahe ihrem Allzeithoch. Und das in einem Land, in dem Privatanleger lange Zeit als aktienscheu galten.

Mittlerweile ist die Deutsche Börse, gemessen an ihrer Marktkapitalisierung von 53 Milliarden Euro, der sechstgrößte Börsenbetreiber weltweit – und rechnet sich laut eigener Quartalsmitteilung weiteres Potenzial aus, sollte die Volatilität anhalten.

Globale Konkurrenz: Wachstum auf allen Kontinenten

Auch andere internationale Börsenbetreiber profitieren von der Nervosität der Märkte – wenn auch in unterschiedlichem Maß.

London Stock Exchange Group (LSEG)

Die Briten sind mit einer Marktkapitalisierung von 72 Milliarden Euro größer als die Deutsche Börse und bieten ein umfassendes Angebot: Handelsplattformen, Kapitalmarktberatung, Indexgeschäft (FTSE, Russell) und Finanzmarktdaten. Analysten loben das Unternehmen; vier von fünf empfehlen die Aktie zum Kauf. Im letzten Jahr legte sie um ein Drittel zu – inklusive einer soliden Dividendenrendite.

Intercontinental Exchange (ICE)

Die ICE betreibt mit der New York Stock Exchange (NYSE) den größten Handelsplatz der Welt: 2023 wurden dort Wertpapiere im Volumen von über 30 Billionen Dollar gehandelt – das entspricht dem 20-fachen des Frankfurter Volumens. Neben dem Aktienhandel ist ICE auch stark im Rohstoff- und Derivategeschäft engagiert. Das Kurspotenzial wird aktuell mit rund 10 % bewertet.

CME Group

Der Derivate-Spezialist aus Chicago dominiert das weltweite Geschäft mit Futures und Optionen – zentral für professionelles Risikomanagement. Die Aktie hat sich in der jüngeren Korrekturphase gut behauptet und bietet Anlegern eine attraktive Dividendenrendite von 4 %. Nach Einschätzung vieler Analysten ist der faire Wert jedoch vorerst erreicht.

Euronext

Weniger im Fokus, aber ebenso bedeutend: Euronext, Betreiberin von Börsen in sieben Ländern – darunter Frankreich, Italien und die Niederlande. Sie umfasst mit Euronext Amsterdam auch die älteste Börse der Welt. Gemessen an der Marktkapitalisierung der gehandelten Titel ist Euronext größer als die Deutsche Börse – und damit Europas Nummer eins.

NASDAQ Inc.: Wenn Größe allein nicht reicht

Ein Sonderfall ist die NASDAQ Inc., die eigentlich von Natur aus ein Volatilitätsgewinner sein sollte – schließlich ist sie Amerikas aktivste Börse. Doch im ersten Quartal 2024 enttäuschte sie mit einem Gewinn je Aktie von nur 63 Cent – deutlich unter Analystenerwartungen.

Zwar stiegen die Erlöse um 24 %, doch der Gewinn blieb hinter den Erwartungen zurück. Der Grund: explodierende Betriebskosten und eine hohe Verschuldung. Die Übernahme des FinTechs Adenza brachte Verbindlichkeiten von fast 10 Milliarden Dollar mit sich – das Dreifache des operativen Gewinns. Hinzu kommt: Diese Schulden müssen künftig zu deutlich höheren Zinsen refinanziert werden. Das schmälert nicht nur die Margen, sondern auch die Attraktivität der Aktie.

Fazit: Börsenaktien – wenig günstig, aber hochattraktiv

Es stimmt: Günstig bewertet sind viele Börsenbetreiber nicht mehr. Doch ihre Geschäftsmodelle haben einen entscheidenden Vorteil: Sie sind nicht nur krisenresistent, sondern profitieren direkt von Marktverwerfungen. In Kombination mit strukturellen Megatrends wie der privaten Altersvorsorge, der Zunahme algorithmischen Tradings und einer weltweiten Zunahme der Anlegeraktivität entsteht ein seltenes Profil: robust, wachstumsstark und konjunkturunabhängig.

Für Anleger, die nicht vor Marktschwankungen zurückschrecken, sondern sie gezielt nutzen wollen, bieten Börsenaktien damit eine strategisch kluge Beimischung – insbesondere in einem Umfeld, das von Unsicherheit geprägt ist.

Schlussgedanke:
Wenn das Börsenparkett bebt, stehen die Betreiber fest auf beiden Beinen – oder wachsen sogar über sich hinaus. Ein Investment, das gegen den Strich denkt, aber mit der Zeit geht.


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