Das Bundeskabinett hat die umstrittene „Aktivrente“ durchgewunken, doch scharfe Kritik aus der Wirtschaft lässt nicht auf sich warten. Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zerlegen das Vorhaben als eine milliardenschwere Fehlkalkulation mit hohem rechtlichen Risiko. Statt einer nachhaltigen Stärkung des Arbeitsmarktes und einer Entlastung der Sozialkassen droht ein teures Strohfeuer.
Die Bundesregierung feiert ihren jüngsten Beschluss zur „Aktivrente“ als Meilenstein im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Rentner sollen künftig bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Die Hoffnung: Ältere Arbeitnehmer kehren in den Arbeitsmarkt zurück und stabilisieren die Rentenkasse. Doch eine nüchterne Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeichnet ein gänzlich anderes Bild. Die Ökonomen Jochen Pimpertz und Oliver Stettes warnen vor „enormen Kosten bei zweifelhaftem Nutzen“.
Ein Milliardenloch für den Fiskus
Im Zentrum der Kritik stehen die immensen Kosten des Vorhabens. Während das Finanzministerium die Steuerausfälle auf rund 900 Millionen Euro beziffert, kommt das IW in einer eigenen Schätzung zu einem weitaus dramatischeren Ergebnis: Bis zu 1,4 Milliarden Euro an Steuereinnahmen könnten dem Staat jährlich entgehen – und das ohne die Effekte bei Selbstständigen überhaupt zu berücksichtigen. Es ist ein teures Versprechen, dessen Rechnung am Ende der Steuerzahler begleichen muss.
Wirkungslos und am Ziel vorbei
Der fundamentale Webfehler des Gesetzes liegt laut den IW-Experten in der Annahme, finanzielle Anreize seien der entscheidende Hebel. Eine IW-Umfrage belegt jedoch das Gegenteil: Die Mehrheit der älteren Beschäftigten, die über das Rentenalter hinaus arbeiten, tut dies aus Freude an der Tätigkeit oder zur Pflege sozialer Kontakte. Der finanzielle Aspekt ist oft nachrangig.
Damit verpufft der teure Anreiz wirkungslos. Das Ziel, eine signifikante Zahl zusätzlicher Fachkräfte zu mobilisieren, wird aller Voraussicht nach verfehlt. In der Konsequenz bleibt auch die versprochene Entlastung der Rentenkasse ein leeres Versprechen. Es ist eine Politik, die auf falschen Annahmen beruht und die wahren Motive der Menschen ignoriert.
Rechtlicher Sprengstoff mit Ansage
Zusätzlich zu den ökonomischen Schwächen birgt der Plan erheblichen juristischen Sprengstoff. Die steuerliche Bevorzugung von angestellten Rentnern gegenüber Selbstständigen steht im klaren Widerspruch zum Gleichbehandlungsgrundsatz und könnte Klagewellen provozieren. Noch heikler ist die drohende Altersdiskriminierung: Werden ältere Arbeitnehmer gegenüber jüngeren Kollegen bevorzugt, öffnet dies die Tür für juristische Auseinandersetzungen. Ein kostspieliges Nachspiel vor Gericht scheint damit nicht ausgeschlossen, sondern fast schon vorprogrammiert.
Fazit: Symptombekämpfung statt Problemlösung
Die Aktivrente entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als klassisches Beispiel für politische Symptombekämpfung. Anstatt das Kernproblem – zu wenige Erwerbstätige finanzieren eine wachsende Zahl von Rentnern – anzugehen, schafft die Regierung teure Fehlanreize. Eine nachhaltige Lösung, so das IW, kann nur darin bestehen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern und Anreize zur Frühverrentung konsequent abzuschaffen. Alles andere ist eine teure Illusion, die die demografischen Realitäten ignoriert.
Quelle: IW