Die Drucksache 21/971 dokumentiert die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zu regionalen Stromüberschüssen in Deutschland und deren Nutzung. Die Fragesteller kritisieren die Energiewende als ideologiegetrieben und fordern eine wirtschaftlichere Nutzung überschüssiger Energie, insbesondere im Hinblick auf die Ansiedlung von Rechenzentren und energieintensiven Industrien.
1. Aktuelle Stromüberschüsse (2020–Juni 2025)
Die Bundesregierung erklärt, dass aufgrund des einheitlichen nationalen Strommarkts keine bilanziellen Aussagen über Stromüberschüsse einzelner Bundesländer möglich seien. Strom wird anonym über die Strombörse gehandelt, Herkunft und Verbleib sind nicht zuordenbar. Bei Netzengpässen wird Strom in Pumpspeicherkraftwerken zwischengespeichert (z. B. 13,05 TWh im Jahr 2024). Stromexporte und -abregelungen finden ebenfalls statt, insbesondere bei fehlender Netzkapazität (Redispatch).
2. Prognosen bis 2035
Eine fundierte Voraussage künftiger regionaler Stromüberschüsse bis 2035 hält die Bundesregierung für nicht möglich, da diese von zu vielen Faktoren (Verbrauch, Netzausbau, Erzeugungsausbau) abhängig sei.
3. Stromhandel zu negativen Preisen
Zwischen 2020 und Juni 2025 wurde in großem Umfang Strom zu negativen Preisen gehandelt. Besonders deutlich war dies 2024 (18.700 GWh, Verlust von 236 Mio. €) und im ersten Halbjahr 2025 (17.075 GWh, Verlust von 256 Mio. €). Diese Preise spiegeln ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wider und sollen zu mehr Flexibilität anregen. Die Kosten tragen die Marktteilnehmer.
4. Nutzung lokaler Überschüsse vor Ort
Die Bundesregierung setzt auf Netzausbau als zentrale Lösung, damit Strom aus Überschussregionen (z. B. Windstrom aus dem Norden) überall genutzt werden kann. Rechenzentren und energieintensive Industrien könnten von dauerhaft verfügbarem, günstigem Strom profitieren – allerdings nur bei funktionierender Netzinfrastruktur.
5./6. Förderprogramme und Pläne zur Nutzung lokaler Stromüberschüsse
Zwei gesetzliche Maßnahmen sollen eine bessere Nutzung lokaler Überschüsse ermöglichen:
- § 13 Abs. 6a EnWG (KWK-Flexibilisierung): Betreiber können KWK-Anlagen mit elektrischen Wärmeerzeugern kombinieren, um bei Netzengpässen Stromproduktion zu senken und gleichzeitig vor Ort Wärme zu erzeugen. Kosten entstehen nicht dem Bundeshaushalt, sondern werden über Netzentgelte refinanziert.
- § 13k EnWG („Nutzen statt Abregeln“) – seit Oktober 2024 in Erprobung: Überschüssiger erneuerbarer Strom wird in Engpassregionen preisvergünstigt an zusätzliche Verbraucher abgegeben. Ziel ist die Entlastung des Netzes, Nutzung günstiger Strompreise vor Ort und Senkung der Abregelungskosten.
Kritische Einordnung
Die Bundesregierung setzt einseitig auf marktwirtschaftliche Mechanismen und den überregionalen Netzausbau, ohne das Potenzial regionaler Wertschöpfung systematisch zu erschließen. Regionale Stromüberschüsse könnten etwa für industrielle Cluster oder Rechenzentren gezielt genutzt werden – was aber durch Netzengpässe und fehlende Strukturpolitik behindert wird. Die Maßnahmen des § 13k EnWG sind ein erster Schritt, bleiben aber in Umfang und Ambition begrenzt. Auch fehlt eine übergreifende Strategie zur Förderung dezentraler Energiestandorte.
Fazit: Die Antwort der Bundesregierung zeigt ein stark systemtechnisches und netzgetriebenes Verständnis von Energiewirtschaft, ohne proaktive industriepolitische Impulse zu setzen. Die Kritik der Fragesteller an der mangelnden Nutzung regionaler Überschüsse ist daher in Teilen nachvollziehbar.
Jahr | Gehandeltes Volumen (GWh) | Negativer Umsatz (Mio. €) |
2020 | 9099,86 | -148,65 |
2021 | 4172,92 | -72,91 |
2022 | 1881,48 | -4,44 |
2023 | 9773,01 | -139,91 |
2024 | 18700,19 | -236,25 |
2025 (Jan–Juni) | 17075,27 | -256,53 |