Rüstung mit Rendite? Europas Hoffnung auf das Militär als Wachstumstreiber

Europa steht vor einer sicherheitspolitischen Zeitenwende, begleitet von einem massiven Aufrüstungsprogramm – und die Hoffnung wächst, dass daraus auch wirtschaftlicher Aufschwung erwachsen könnte. Die zentrale Frage: Kann das Verteidigungswesen zur Triebfeder für Innovation, Produktivität und Wachstum werden, ähnlich wie es in den USA der Fall war?

Militärische Forschung war historisch immer wieder Quelle bahnbrechender ziviler Technologien – GPS, Mikrowelle, PC oder Drohnen sind nur einige Beispiele für sogenannte militärisch-zivile Fusionen. Nun schöpfen europäische Entscheidungsträger Hoffnung, dass ähnliche Innovationsdynamiken auch auf dem Kontinent entstehen könnten.

Die neue Welle der Verteidigungsausgaben

Die Europäische Kommission hat den Weg für bis zu 800 Milliarden Euro an Verteidigungsausgaben freigemacht. Deutschland will sogar eine Billion Euro investieren, um Bundeswehr und Infrastruktur zu modernisieren. Projekte wie eine kontinentale Raketenabwehr oder satellitengestützte Kommunikationssysteme sollen dabei Europas technologische Souveränität sichern – nicht zuletzt als Alternative zu US-Diensten wie Elon Musks Starlink.

NATO-Generalsekretär Mark Rutte fordert „mehr und besseres Ausgeben“ und betont, dass trotz Fortschritten beim 2-Prozent-Ziel viele Staaten noch zu wenig für ihre eigene Sicherheit tun. Zugleich entsteht eine neue Riege von Start-ups und Technologieunternehmen, die sich in der Verteidigungsindustrie etablieren wollen. Beispielhaft steht dafür Comand AI, ein französisches Start-up, das mit KI-basierter Software die Effizienz militärischer Operationen steigern will – mit potenziellen Anwendungen auch im zivilen Bereich.

Innovationsmotor oder Geldverbrennung?

Die Erwartungen sind hoch, doch ob die Rechnung aufgeht, ist offen. Zwar zeigt die Geschichte der USA, dass militärische F&E (Forschung und Entwicklung) erheblich zur zivilen Technologieentwicklung beitragen kann. Laut dem Kieler Institut kann jedes zusätzliche Prozent des BIP, das in militärische Forschung fließt, Europas Produktivität langfristig um 0,25 Prozent steigern.

Allerdings sind solche Effekte nicht garantiert. Während militärische Investitionen kurzfristig Beschäftigung schaffen und Industrien ankurbeln, ist der längerfristige Nutzen begrenzt, wenn Produkte wie Minen oder Panzer lediglich gelagert werden. Die eigentliche wirtschaftliche Hebelwirkung entsteht nur, wenn Investitionen in Hochtechnologie münden, die auch zivil nutzbar ist.

Ein weiterer Haken: Die Finanzierung erfolgt größtenteils über Schulden. Bereits heute sind viele europäische Länder hoch verschuldet. Ohne entsprechende wirtschaftliche Gegenleistung könnte die Neuverschuldung zum Problem werden. Zudem geraten Sozialleistungen zunehmend unter Druck – ein Balanceakt, der politisch brisant ist und Populismus befeuern könnte, wie Beispiele aus Großbritannien zeigen.

Europa zwischen Eigenständigkeit und Abhängigkeit

Ein weiteres Dilemma ist die starke Abhängigkeit Europas von US-Rüstungsgütern: Über die Hälfte der Ausgaben für Rüstungsbeschaffung fließt in die Vereinigten Staaten. Frankreichs Präsident Macron fordert daher eine europäische Alternative zu Systemen wie Patriot-Raketen oder F-35-Kampfjets. Doch osteuropäische Länder wie Polen oder Finnland bevorzugen kurzfristige Sicherheit – auch wenn sie dafür weiterhin auf US- oder südkoreanische Technik setzen.

Zudem kritisieren Experten, dass zu viel Geld an verkrustete nationale Rüstungskonzerne fließt, die wenig innovationsfreudig sind. Die USA setzen hingegen auf Wettbewerb und Innovationsförderung durch offene Ausschreibungen und duale Beschaffung (z. B. zwei Anbieter für dieselbe Waffenkategorie). So werden auch kleinere, junge Unternehmen in die Entwicklung einbezogen – mit nachweislich höherer Innovationsrate.

Der Unterschied ist markant: Während in den USA 16 Prozent der Militärausgaben in F&E fließen, sind es in Europa nur 4,5 Prozent.

Fazit: Große Chance – unter Bedingungen

Die Modernisierung der europäischen Verteidigung bietet zweifellos wirtschaftliche Chancen – von kurzfristigen Wachstumsimpulsen bis zu langfristiger Innovationsdynamik. Doch damit aus Rüstungsprojekten tatsächlich eine wirtschaftliche Lokomotive wird, braucht es strategische Weitsicht, Innovationsförderung, eine Öffnung für neue Marktteilnehmer und europäische Eigenständigkeit in der Produktion. Ohne diese Elemente droht ein Szenario, in dem hohe Schulden und soziale Verwerfungen das Projekt torpedieren – und das Rüstungsboom-Potenzial in wirtschaftlicher Bedeutungslosigkeit verpufft.

Europa hat die historische Gelegenheit, Verteidigung als wirtschaftlichen Entwicklungsmotor zu nutzen. Ob es gelingt, hängt von politischem Mut, ökonomischem Sachverstand – und einem echten Innovationswillen ab.


Ein Privatinvestor kann von Europas massiven Verteidigungsausgaben und der sich wandelnden Sicherheitsarchitektur auf mehreren Ebenen profitieren – aber nur, wenn er klug selektiert, technologische Entwicklungen versteht und geopolitische Risiken einpreist. Die Aufrüstung Europas ist keine klassische Konjunkturspritze, sondern ein politisch getriebenes, langfristiges Strukturprojekt – vergleichbar mit früheren Infrastrukturwellen oder dem Beginn der Raumfahrtära.

1. Direkte Investitionen in europäische Rüstungsunternehmen

Die offensichtlichste Möglichkeit ist ein Engagement in börsennotierten Verteidigungsunternehmen, vor allem solchen mit Sitz in Europa. Beispiele:

  • Rheinmetall (Deutschland): Marktführer bei gepanzerten Fahrzeugen, Munition, Luftverteidigungssystemen.
  • Thales (Frankreich): Anbieter von Cyberabwehr, Kommunikationssystemen, Satellitentechnik.
  • Dassault Aviation (Frankreich): Hersteller des Kampfflugzeugs Rafale.
  • Leonardo (Italien): Beteiligt an Drohnen, Hubschraubern und Elektroniksystemen.
  • BAE Systems (UK): Zwar britisch, aber stark in NATO-Programmen verwurzelt.

Diese Unternehmen profitieren sowohl durch direkte Aufträge europäischer Staaten als auch durch Programme wie den „European Defence Fund“ oder die gezielte Förderung von Souveränität in der Rüstungsindustrie.

Vorsicht: Der Sektor ist hochzyklisch, von politischen Stimmungen abhängig und unterliegt Exportbeschränkungen. Wer hier investiert, muss geopolitisch denken können.

2. Investitionen in technologische Zulieferer und Dual-Use-Unternehmen

Viele der spannendsten Innovationen entstehen nicht bei den klassischen Rüstungsfirmen, sondern bei Start-ups oder spezialisierten Tech-Zulieferern mit sogenannter „Dual-Use“-Technologie, also militärisch-zivil verwendbaren Produkten:

  • Künstliche Intelligenz (z. B. autonome Systeme, Entscheidungsunterstützung)
  • Satellitenkommunikation und Raumfahrt (z. B. Airbus Defence & Space, OHB)
  • Cybersecurity (z. B. Darktrace, Atos, Secunet)
  • Halbleitertechnik (z. B. Infineon, STMicroelectronics, ASML – kritisch für Steuerungssysteme und Waffenelektronik)

Viele dieser Unternehmen sind zivile Akteure, die indirekt vom Verteidigungsboom profitieren. Wer hier investiert, partizipiert an einer breiteren technologischen Welle – mit potenziell geringerem Reputationsrisiko als bei Rüstungsherstellern.

3. Thematische ETFs und Fonds

Für risikoaverse Investoren bieten sich spezialisierte Fonds oder ETFs an, etwa:

  • iShares U.S. Aerospace & Defense ETF
  • SPDR S&P Aerospace & Defense ETF
  • HANetf Future of Defence UCITS ETF (Europe) – ein neu aufgelegter ETF, der speziell europäische Verteidigungsinnovationen abbildet

Zudem gibt es Mischfonds mit Fokus auf „Sicherheits- und Zukunftstechnologien“, die Rüstung, Cybersecurity und Weltraumtechnik kombinieren. Vorteil: Diversifikation und Risikostreuung.

4. Private Equity, Frühphasenfinanzierung und Start-up-Beteiligungen

In der Frühphase des Verteidigungsbooms entstehen zahlreiche Deep-Tech-Start-ups, etwa im Bereich Drohnenabwehr, autonomer Kriegsführung, Logistik-Software oder KI-gestützten Simulationssystemen. Wer Zugang zu Venture-Capital-Fonds hat, die auf Dual-Use oder DefenceTech spezialisiert sind, kann überdurchschnittliche Renditen erzielen.

Beispiel: Firmen wie Comand AI, die militärische Entscheidungsunterstützung per KI anbieten, könnten künftig auch im zivilen Katastrophenschutz, bei Lieferkettenmanagement oder Cyberabwehr eine Rolle spielen. Der Exit erfolgt meist über Übernahmen durch Großkonzerne.

Zugang ist allerdings oft auf professionelle Investoren beschränkt – hier braucht es Kontakte oder Plattformen mit Zugang zu Private Markets.

5. Immobilien, Infrastruktur und Logistikstandorte

Militäraufrüstung verändert auch die Nachfrage nach Logistikflächen, Infrastruktur, Transportkorridoren und sicherheitsnahen Immobilien – etwa in Grenzregionen, bei Militärbasen oder im Raumfahrtbereich (Satellitenzentren, Rechenzentren für Verteidigungsdaten).

Ein aufmerksamer Immobilieninvestor kann indirekt von gestiegener Nachfrage durch Militär, Zulieferer oder Behörden profitieren – etwa durch gezielte Investments in Gewerbeparks oder Speziallogistik.


Fazit

Ein Privatinvestor kann profitieren, wenn er:

  • frühzeitig auf europäische Verteidigungs- und Dual-Use-Technologien setzt,
  • das politische Umfeld und Fördermechanismen versteht,
  • technologische Kompetenz mitbringt,
  • und gleichzeitig Reputationsrisiken berücksichtigt.

Die sicherheitspolitische Transformation Europas ist nicht nur ein geopolitisches Projekt – sie könnte, klug kanalisiert, auch ein neuer Wachstumstreiber für Industrie, Technologie und Innovation sein. Doch Rendite kommt hier nicht ohne Risiko – geopolitisch, technologisch und moralisch.


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