Ein brisantes Thema aus Washington aufgegriffen: Section 899 aus dem sogenannten „One Big Beautiful Bill“, dem neuen Haushalts- und Steuergesetzesvorstoß von Donald Trump. Was trocken klingt, könnte erhebliche Konsequenzen für internationale Anleger haben – auch in Deutschland.
Kernaussage:
Section 899 sieht Strafsteuern auf passive Einkünfte (Dividenden, Zinsen) für Anleger aus „diskriminierenden Staaten“ vor – also solchen, die aus Sicht der USA US-Unternehmen steuerlich benachteiligen. Die zusätzliche Steuer soll bei 5 % starten und jährlich um 5 Prozentpunkte steigen, bis zu einem Maximum von 20 %.
Wer ist betroffen?
- Auch Deutschland könnte dazugehören, etwa wegen § 49 des deutschen Einkommensteuergesetzes, das bestimmte ausländische Unternehmen steuerpflichtig macht.
- Die Regelung betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch Pensionsfonds, Staatsfonds und Privatanleger, wenn sie US-Wertpapiere halten.
Was bedeutet das konkret?
- Bereits heute zahlen deutsche Anleger 30 % US-Quellensteuer auf Dividenden, die durch Doppelbesteuerungsabkommen auf 15 % gesenkt werden kann.
- Zusätzliche 20 % Steuer würden die Rendite stark drücken: Beim S&P 500 (aktuelle Dividendenrendite: 1,3 %) bliebe weniger als 1 % übrig.
- Besonders betroffen wären ETFs mit hohem US-Anteil, z. B. MSCI World, in dem US-Aktien aktuell rund 69 % ausmachen.
Gibt es Ausweichstrategien?
Ja. Anleger könnten auf Swap-basierte ETFs setzen. Diese replizieren Indizes nicht physisch, sondern über Finanzkontrakte (Swaps), die aktuell nicht gleichermaßen besteuert werden. Beispiele:
- iShares oder Xtrackers S&P 500 Swap-ETFs
- Scalable MSCI AC World Xtrackers ETF (bildet US-Anteil über Swaps ab)
Offene Fragen:
- Ob die Strafsteuer auch Zinsen aus US-Staatsanleihen betrifft, ist bislang unklar.
- Die drohenden Steuererhöhungen könnten ausländische Investoren abschrecken – mit potenziell höheren Finanzierungskosten für die USA als Folge.
Politischer Hintergrund:
Die Maßnahme zielt nicht primär auf Anleger, sondern ist Teil eines wirtschaftspolitischen Druckmittels gegen Länder wie Deutschland und Frankreich, die:
- Digitale Dienstleistungen besteuern
- Die OECD-Mindeststeuer konsequent umsetzen
Die EU arbeitet an einer diplomatischen Lösung und denkt etwa darüber nach, die USA als „Safe Harbor“-Land einzustufen. Eine Einigung steht aber noch aus.
Fazit:
Section 899 ist kein bürokratischer Nebensatz, sondern ein möglicher Gamechanger für internationale Anleger. Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet – aber wer signifikant in US-Wertpapiere investiert ist, sollte die Entwicklung genau verfolgen. Es könnte ein Anlass sein, das eigene Portfolio international breiter und steuerstrategischer aufzustellen.
Hier ist die deutsche Übersetzung von Section 899: „Durchsetzung von Gegenmaßnahmen gegen unfaire ausländische Besteuerung“ aus dem „One Big Beautiful Bill“:
§ 899 – Durchsetzung von Gegenmaßnahmen gegen unfaire ausländische Steuern
(a) Allgemeines –
Stellt der US-Finanzminister (Secretary) fest, dass ein ausländischer Staat eine „unfaire ausländische Steuer“ eingeführt oder beibehalten hat, kann er geeignete Maßnahmen ergreifen, um dieser Diskriminierung entgegenzuwirken. Dazu gehört insbesondere die Erhöhung der Quellensteuer gemäß den §§ 1441, 1442 und 1443 des US-Steuergesetzes auf Einkünfte, die solchen Steuern unterliegen und an Personen mit Wohnsitz oder Staatsbürgerschaft in dem betreffenden Land gezahlt werden.
(b) Definition einer unfairen ausländischen Steuer –
Im Sinne dieses Abschnitts gilt eine Steuer als „unfair“, wenn sie gegen US-Personen diskriminiert, etwa indem sie:
- dazu führt, dass US-Personen einer materiell höheren Steuerbelastung unterliegen als inländische Steuerpflichtige unter vergleichbaren Umständen;
- nicht dieselben Vorteile gewährt, wie sie im Rahmen von § 894 oder eines umfassenden Doppelbesteuerungsabkommens vorgesehen wären;
- eine extraterritoriale Besteuerung von Einkünften aus den USA vornimmt, die von US-Personen erzielt wurden;
- eine digitale Dienstleistungssteuer oder eine ähnliche Abgabe darstellt, die speziell auf US-basierte Unternehmen abzielt.
(c) Staffelweise Erhöhung der Quellensteuer –
Wenn der Finanzminister Maßnahmen gemäß Absatz (a) ergreift, beginnt die zusätzliche Quellensteuer im ersten Kalenderjahr bei 5 % und erhöht sich in jedem Folgejahr um weitere 5 Prozentpunkte, bis ein Höchstwert von 20 % erreicht ist.
(d) Beendigung –
Sämtliche Maßnahmen nach diesem Abschnitt werden für ein betroffenes Land aufgehoben, sobald der Finanzminister feststellt, dass dieses Land keine unfaire ausländische Steuer mehr erhebt.
Diese Regelung stellt ein klar politisches Druckinstrument dar, das Steuerpolitik mit Handel und Diplomatie verknüpft. Sie ist gezielt gegen Länder gerichtet, die z. B. digitale Konzerne besteuern oder strikte internationale Mindeststeuern umsetzen – also gegen viele EU-Staaten, darunter auch Deutschland.