Auf seiner ersten Sommerpressekonferenz am 18. Juli 2025 präsentierte sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) als ein Regierungschef, der auf Stabilität, ökonomische Erneuerung und außenpolitische Verantwortung setzt – gleichwohl überschattet von einer schweren Belastungsprobe innerhalb der Koalition: der gescheiterten Wahl der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ans Bundesverfassungsgericht.
Bilanz der ersten 74 Tage
Merz blickte auf die ersten gut zwei Monate seiner Amtszeit zurück und zog eine positive Zwischenbilanz. Der Koalitionsvertrag sei in großen Teilen bereits umgesetzt, insbesondere im Rahmen eines „Sofortprogramms“. Im Zentrum stehe die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft, etwa durch ein 500 Milliarden Euro schweres Infrastruktur-Sondervermögen, flankiert von einer Unternehmenssteuerreform, dem „Investitionsbooster“ und Bürokratieabbau. Die ersten ökonomischen Indikatoren zeigten zwar eine Stimmungsaufhellung, substanziell lasse sich dies jedoch noch nicht messen.
Migrations- und Sozialpolitik
Im Bereich der Migrationspolitik verwies Merz auf sinkende Asylbewerberzahlen – eine Entwicklung, die er dem restriktiveren Kurs der Regierung zuschreibt, obgleich diese bereits vor seiner Amtsübernahme einsetzte. Deutschland solle ein attraktives Einwanderungsland bleiben, jedoch mit einer restriktiven Haltung gegenüber irregulärer Migration. Die Sozialpolitik wiederum sieht er vor tiefgreifenden Reformen: das Bürgergeld soll reformiert, leistungsfeindliche Anreize zurückgebaut werden. Merz plädierte für ein klares Lohnabstandsgebot – wer arbeitet, soll spürbar mehr haben als jemand, der Transferleistungen bezieht.
Verteidigungspolitik und außenpolitische Führungsrolle
Ein weiterer Schwerpunkt war die nationale Sicherheit. Deutschland solle konventionell die stärkste Armee Europas aufbauen – eine Aussage, die seinen Anspruch unterstreicht, das Land außenpolitisch wieder in eine Führungsrolle zu führen. Dazu gehöre auch eine engere Koordination mit den NATO-Partnern und der EU.
Nahost und Israel-Politik
Besonders kritisch wurde Merz’ Haltung zum Nahostkonflikt hinterfragt. Während er Israels Sicherheitsinteressen betonte und Sanktionen gegen das Land strikt ablehnt – mit dem Verweis auf Israels demokratische Struktur und legitime Verteidigung gegen terroristische Bedrohungen –, räumte er auch ein, dass die humanitäre Lage in Gaza „nicht mehr akzeptabel“ sei. Die Bundesregierung dränge auf Feuerpausen und humanitäre Hilfe, allerdings sehe man kaum Spielräume für härtere Instrumente.
Richterwahl als Belastungstest
Zentrales innenpolitisches Reizthema blieb die gescheiterte Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf. Merz bemühte sich um Schadensbegrenzung, verweigerte jedoch eine klare Positionierung zu ihrer Person. Er versuchte, den Dissens innerhalb der Koalition zu relativieren und sprach von handwerklichen Fehlern, die in Zukunft nicht mehr passieren sollten. Die wiederholt formulierte Haltung, man wolle nun „besser zuhören“, klang wie ein spätes Eingeständnis mangelnder innerparteilicher Kommunikation. Sein Hinweis auf frühere Konflikte in der Geschichte der Bundesrepublik (etwa 1983 unter Helmut Kohl) sollte offenbar Kontinuität und Normalität suggerieren – ein rhetorischer Versuch, die Krise zu entdramatisieren.
Kritische Gesamtbewertung
Trotz der betont staatsmännischen Tonlage blieb Merz in vielen Punkten vage. Die Beteuerung, Deutschland „wieder aus der Mitte heraus regieren“ zu wollen, kontrastiert mit einer zunehmend polarisierenden gesellschaftlichen Wirklichkeit. Dass sich seine Koalition bislang nicht auf eine gemeinsame Linie in einer grundlegenden Personalie verständigen konnte, wirft einen Schatten auf das Bild der „besten Bundesregierung der letzten Jahrzehnte“, das Merz zeichnen möchte. Seine Argumentation oszilliert zwischen technokratischem Pragmatismus und betontem Führungsanspruch – doch ob sich daraus tatsächlich eine kohärente Reformpolitik entwickelt, bleibt abzuwarten.
Fazit: Die erste Sommerpressekonferenz von Bundeskanzler Friedrich Merz war ein Versuch, Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen – mit solider Rhetorik, wirtschaftspolitischen Ambitionen und außenpolitischer Sachlichkeit. Doch die Richterkrise offenbart die Fragilität des innenpolitischen Gefüges, und seine Nahostpolitik zeigt die Grenzen außenpolitischer Glaubwürdigkeit. In der Gesamtschau präsentiert sich Merz als nüchterner Pragmatiker – doch der Spagat zwischen Führung und Konsens droht zur strukturellen Herausforderung seiner Kanzlerschaft zu werden.