Sondervermögen ohne Steuererhöhung? – Bundesregierung vertagt Tilgung auf Jahrzehnte und setzt auf haushaltspolitischen Formalismus

Bundestagsdrucksache 21/908 vom 15. Juli 2025: Tilgung der Sondervermögen und fiskalpolitische Einordnung

Die Bundesregierung beantwortete eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zur Finanzierung und Tilgung der Sondervermögen „Bundeswehr“ und „Infrastruktur und Klimaneutralität“ (SVIK). Zentrale Aussagen lauten:

Tilgung der Sondervermögen:
Das 2022 geschaffene Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro muss spätestens ab dem 1. Januar 2031 getilgt werden. Bereits ab dem Jahr 2028 sind Tilgungszahlungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro jährlich im Bundeshaushalt eingeplant. Das neue, auf 500 Milliarden Euro angelegte SVIK soll ab 1. Januar 2044 getilgt werden. Über etwaige Steuererhöhungen zur Refinanzierung dieser Mittel äußert sich die Bundesregierung nicht verbindlich, sondern verweist auf den Haushaltsgesetzgeber, der „zum gegebenen Zeitpunkt“ Entscheidungen treffen werde.

Zusätzlichkeit von Investitionen:
Die Regierung betont, dass die mit dem SVIK finanzierten Investitionen die verfassungsrechtlich geforderte Zusätzlichkeit erfüllen. Dies sei gegeben, wenn mindestens zehn Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt (ohne Sondervermögen) als Investitionen veranschlagt sind. Diese Quote werde im Regierungsentwurf 2025 sowie in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2029 durchgehend erreicht.

Investitionsbedarf und Steuerpolitik:
Die Bundesregierung erkennt einen erheblichen Investitionsbedarf, insbesondere für Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung, an. Sie lehnt jedoch direkte Maßnahmen zur Steuererhöhung ab und zeigt sich zurückhaltend bei Vorschlägen wie Übergewinnsteuern oder der Wiedereinführung der Vermögensteuer. Steuerliche Entlastungen für Unternehmen – etwa durch die geplante Körperschaftsteuersenkung ab 2028 – werden als wachstumsfördernd dargestellt, obwohl sie laut eigenen Angaben primär den profitabelsten Unternehmen zugutekommen.

Verfassungsrechtliche Bewertung und Schuldenbremse:
Das Kriterium der Zusätzlichkeit wurde durch die Grundgesetzänderung (Artikel 143h GG) und eine entsprechende Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses konkretisiert. Die Schuldenbremse bleibe trotz SVIK und Bundeswehrfonds formal gewahrt, solange die Tilgung planmäßig erfolgt und die Investitionsquote als angemessen angesehen wird.

Kritische Einordnung:
Diese fiskalpolitische Linie zeugt von einem Spagat zwischen notwendiger Investitionstätigkeit und formalistischer Haushaltsdisziplin. Die langfristige Tilgungsperspektive der Sondervermögen birgt jedoch Unsicherheiten, insbesondere hinsichtlich der Tragfähigkeit ohne Steueranpassungen. Dass die Tilgung des SVIK erst 2044 beginnt, stellt künftige Generationen vor hohe fiskalische Lasten, ohne dass heute eine solide Gegenfinanzierung erkennbar ist. Die enge Auslegung der Zusätzlichkeitsklausel dürfte faktisch haushaltspolitische Spielräume beschränken und könnte zur faktischen Aushöhlung der Schuldenbremse durch Sonderkonstruktionen führen. Die Ausklammerung realpolitischer Steueroptionen (Erbschaftsteuerreform, Vermögensteuer, Finanztransaktionssteuer) untergräbt die langfristige Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen.

Insgesamt offenbart die Antwort der Bundesregierung ein gewisses Maß an fiskalischem Opportunismus: Während Investitionsnotwendigkeiten zwar anerkannt werden, erfolgt ihre Finanzierung primär durch kreditbasierte Sonderlösungen, deren Rückzahlung in weit entfernte Jahrzehnte vertagt wird. Eine stringente und faire Lastenverteilung über alle Einkommens- und Vermögensgruppen hinweg bleibt dabei bislang aus.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater