Sparzwang statt Sicherheit: Deutsche verlieren Vertrauen in ihre finanzielle Zukunft

Die CRIF-Studie „Banking on Banks“ aus dem März 2025 zeichnet ein alarmierendes Bild der finanziellen Stimmungslage in Deutschland. 80 Prozent der Bundesbürger blicken mit Sorge auf ihre finanzielle Zukunft – mehr als in jedem anderen der fünf untersuchten Länder Europas (Durchschnitt: 74 Prozent). Besonders betroffen zeigen sich die 35- bis 54-Jährigen, von denen 35 Prozent eine Verschlechterung ihrer Lebensverhältnisse erwarten.

Zentral ist der zunehmende Druck durch gestiegene Lebenshaltungskosten: Rund ein Drittel der Befragten gibt an, heute deutlich mehr für Miete, Versicherungen und Mobilität ausgeben zu müssen als vor fünf Jahren. Besonders prekär: 24 Prozent der Deutschen fürchten, ihre Rechnungen nicht mehr pünktlich begleichen zu können – ein europäischer Spitzenwert. Bei Miete oder Hypothekenzahlungen ist diese Sorge bei rund jedem zehnten Befragten präsent.

Vor diesem Hintergrund offenbart sich ein Wandel im finanziellen Verhalten: Während Deutschland traditionell als bargeldaffin und risikoavers gilt, haben 52 Prozent der Bürger im vergangenen Jahr neue Kreditrahmen genutzt – darunter 29 Prozent über neue Kreditkarten. Der Anteil der Nutzer von „Buy Now, Pay Later“-Diensten ist mit 20 Prozent fast doppelt so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Dies lässt auf eine zunehmende Abhängigkeit von kurzfristiger Liquidität schließen, die durch stagnierende Reallöhne, Inflation und Energiekrise bedingt ist.

Gleichzeitig wird der Zugang zu Krediten schwieriger: Seit Anfang 2024 wurde zwölf Prozent der deutschen Befragten ein Kredit verweigert. Insgesamt berichten 27 Prozent, bereits mindestens einmal eine Absage erhalten zu haben – ein im europäischen Vergleich hoher Wert.

In der Konsequenz bemühen sich viele Haushalte um größere Sparsamkeit: 59 Prozent gaben an, im letzten Jahr sparsamer geworden zu sein. Der Rückgriff auf Bargeld nimmt wieder zu (28 Prozent), offenbar als bewusste Maßnahme zur Ausgabenkontrolle. Trotz dieses Rückgriffs auf traditionelle Mittel wünscht sich eine Mehrheit (58 Prozent) die vollständige digitale Kontrolle ihrer Finanzen über Smartphone oder Computer. Gleichwohl kritisieren 62 Prozent die Schließung von Bankfilialen, da der persönliche Kontakt in Finanzfragen vermisst wird.

Kritische Einordnung:
Die Ergebnisse zeichnen nicht nur ein Bild wirtschaftlicher Unsicherheit, sondern auch einer tiefgreifenden Erosion des finanzpolitischen Vertrauens in der Mittelschicht. Dass in einem wirtschaftlich stabilen Land wie Deutschland rund ein Drittel der Bürger einen sinkenden Lebensstandard erwartet, wirft Fragen nach der Effektivität der geld- und sozialpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre auf. Zugleich offenbart die verstärkte Nutzung digitaler und kreditbasierter Finanzprodukte eine Anpassung an neue Realitäten – jedoch nicht aus Innovationsfreude, sondern aus schierer Notwendigkeit. Dass digitale Selbstverwaltung begrüßt, zugleich aber der persönliche Kontakt vermisst wird, legt ein strukturelles Dilemma in der Transformation des Bankensektors offen.

Diese ambivalente Entwicklung verdeutlicht: Die wirtschaftspolitische Kommunikation und konkrete Entlastungspolitik stehen vor einer Bewährungsprobe. Andernfalls droht ein Vertrauensverlust, der weit über den Finanzsektor hinausreicht.


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