Die Ereignisse am 15. Mai 2025 in Berlin-Kreuzberg werfen ein grelles Licht auf ein Thema, das in der öffentlichen Debatte oft heruntergespielt wird: Staatsversagen. Was als Gedenken an die Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948 begann, endete in einem Gewaltausbruch, der Polizisten verletzte, antisemitische Parolen laut werden ließ und die Frage aufwirft, ob der Staat noch in der Lage ist, seine Bürger und den Rechtsstaat zu schützen. Dieser Vorfall ist kein Einzelfall, sondern ein Symptom tieferliegender Probleme in der staatlichen Ordnung und Sicherheitspolitik.
Eskalation statt Dialog: Ein Versagen der Vorbeugung
Die Eskalation in Kreuzberg zeigt, wie schnell legitime Proteste in Gewalt umschlagen können, wenn präventive Maßnahmen fehlen. Dass bis zu 1000 Menschen sich versammeln und gezielt Polizisten angreifen, deutet auf ein Versäumnis der Sicherheitsbehörden hin, die Dynamik solcher Veranstaltungen frühzeitig einzuschätzen. Warum gab es keine stärkere Präsenz oder deeskalierende Maßnahmen, um die Situation zu entschärfen, bevor sie außer Kontrolle geriet? Zehn verletzte Polizisten, einer davon so schwer, dass ein Defibrillator nötig war, sind ein Alarmzeichen. Der Staat hat die Pflicht, seine Einsatzkräfte zu schützen – hier ist er gescheitert.
Antisemitismus und Hetze: Ein blindes Auge des Staates
Noch beunruhigender ist die Tatsache, dass antisemitische und israelfeindliche Parolen aus der Menge skandiert wurden. Diese Form von Hassrede ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern verstößt gegen deutsches Recht, unter anderem Paragraf 8a. Doch warum wurden solche Äußerungen nicht frühzeitig unterbunden? Der regierende Bürgermeister verspricht nun harte Maßnahmen, aber dieses Versprechen klingt hohl, wenn friedliche Gegendemonstranten Angst vor einem „marodierenden Mob“ haben müssen. Der Staat hat es versäumt, klare Grenzen zu ziehen und die Demonstrationsfreiheit von der Verbreitung von Hass und Hetze zu trennen. Dieses Zögern nährt den Eindruck, dass antisemitische Tendenzen in bestimmten Kontexten toleriert werden, solange sie nicht „zu laut“ werden.
Politische Reaktionen: Worte statt Taten
Die Reaktionen der Politik – von Innensenatorin Spranger, die von einem „Angriff auf den Rechtsstaat“ spricht, bis zum Bundesinnenminister, der bessere Ausstattung für die Polizei fordert – wirken wie ein Reflex, der die eigentlichen Probleme umgeht. Natürlich brauchen Sicherheitskräfte angemessene Ressourcen, aber das allein löst das Problem nicht. Wo bleibt die strategische Auseinandersetzung mit der Radikalisierung bestimmter Gruppen? Warum fehlt ein Konzept, um Demonstrationen so zu begleiten, dass sie nicht in Gewaltorgien ausarten? Die Forderung nach „konsequenten Maßnahmen“ ist richtig, aber sie kommt zu spät und bleibt vage. Ein Staat, der nur reagiert, statt zu agieren, verliert an Autorität.
Das Demonstrationsrecht missbraucht: Ein Balanceakt ohne Netz
Das Demonstrationsrecht ist ein Grundpfeiler der Demokratie, aber es ist kein Freifahrtschein für Gewalt oder Hass. Der Vorfall in Kreuzberg zeigt, wie schwierig es ist, diesen Balanceakt zu meistern. Doch genau hier liegt die Verantwortung des Staates: klare Regeln aufzustellen, sie durchzusetzen und gleichzeitig die Meinungsfreiheit zu schützen. Wenn der Staat zulässt, dass Demonstrationen regelmäßig in Chaos münden – wie es laut Berichten „immer wieder“ geschieht –, dann versagt er nicht nur an der Basis, sondern untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen in die Rechtsstaatlichkeit. Friedliche Demonstrantinnen, die Angst vor Gewalt haben, und Polizisten, die angegriffen werden, sind die Opfer dieses Versagens.
Fazit: Der Staat muss liefern
Die Ereignisse in Berlin-Kreuzberg sind ein Weckruf. Staatsversagen zeigt sich nicht nur in spektakulären Eskalationen, sondern in den vielen kleinen Versäumnissen, die dazu führen: mangelnde Prävention, unzureichende Durchsetzung von Gesetzen, zögerliche Reaktionen auf Hass und Gewalt. Ein Rechtsstaat, der seine Bürger und seine Werte schützen will, muss handlungsfähig sein – präventiv, konsequent und strategisch. Sonst droht nicht nur die Kontrolle über die Straßen verloren zu gehen, sondern auch das Vertrauen in die Institutionen, die uns allen Sicherheit und Freiheit garantieren sollen.
Es ist Zeit, dass der Staat aus Worten Taten macht. Sonst wird der 15. Mai 2025 nur ein weiteres Kapitel in einer langen Geschichte von Versäumnissen.