Symbolpolitik mit Abflug: Abschiebeflug nach Afghanistan als Kulisse für Dobrindts Migrationsgipfel

Am Morgen des 18. Juli 2025 hat ein weiterer Abschiebeflug nach Afghanistan vom Flughafen Leipzig/Halle stattgefunden. Die Maschine, ein Airbus A330 der Qatar Airways mit der Flugnummer 7431, hob gegen 7 Uhr ab und ist für die afghanische Hauptstadt Kabul bestimmt. Öffentliche Flugdaten bestätigten das Ziel, und wenige Minuten nach dem Abflug erfolgte auch die offizielle Bestätigung durch das Bundesinnenministerium.

Der Flug steht in einer auffälligen Parallele zu einem ähnlichen Vorgang vom 30. August 2024: Damals fand ebenfalls ein Abschiebeflug mit derselben Flugnummer und ebenfalls am frühen Morgen statt, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen. Beide Flüge fanden unter der Herrschaft der Taliban statt – ein geopolitischer Umstand, der juristisch und ethisch diskutiert wird. Auch diesmal handelte es sich bei den Abgeschobenen um „schwere und schwerste Straftäter“, wie Bundesinnenminister Alexander Dobrindt betonte.

Brisant ist die zeitliche Koinzidenz mit dem heutigen Migrationsgipfel auf der Zugspitze, den Dobrindt organisiert hat. Dort beraten fünf EU-Innenminister über eine gemeinsame, verschärfte Migrationspolitik. Ob der Abschiebeflug bewusst auf diesen Tag gelegt wurde, blieb offen, der zeitliche Zusammenhang jedoch ist offensichtlich.

Dobrindt äußerte sich im Interview unmissverständlich zur politischen Stoßrichtung: Die Abschiebung nach Afghanistan sei notwendig und durchsetzbar – auch wenn dies „technische Kontakte“ zu den Taliban erfordere, vermittelt über strategische Partner wie Katar. Direkte diplomatische Beziehungen seien nicht nötig, man müsse jedoch pragmatisch handeln, um Abschiebungen umzusetzen. Kritische Stimmen, etwa aus der CDU, die vor einem Reputationsgewinn der Taliban warnten, wies er zurück – die Sicherheit Deutschlands habe Vorrang.

Dobrindt betonte weiter, dass dies der Beginn einer neuen Praxis sei: Künftig werde man auch nach Syrien abschieben, um sogenannte „Rückführungsoffensiven“ zu realisieren. Dies sei ein Kernstück der von der Union geforderten und nun eingeleiteten „Migrationswende“.

Der Minister verteidigte auch seine Unterstützung für verstärkte Grenzkontrollen, etwa an der deutsch-polnischen Grenze, und signalisierte Bereitschaft zur Kooperation mit Polen, trotz dortiger Irritationen. Von der Zugspitze aus soll ein europäisches Signal ausgehen: Deutschland strebe an, nicht länger ein Hemmschuh, sondern ein Taktgeber einer härteren EU-Migrationspolitik zu sein.

Am Rande des Gesprächs kam auch die Personaldebatte um Frauke Brosius-Gersdorf zur Sprache, deren Kandidatur für ein wichtiges Amt im Bundestag jüngst aufgrund parteiinterner Uneinigkeit scheiterte. Dobrindt wich einer inhaltlichen Positionierung aus, ließ jedoch durchblicken, dass sich in der parlamentarischen Lage seither wenig verändert habe.

Kritische Würdigung:
Die Durchführung des Abschiebeflugs am Tag eines symbolträchtigen Gipfeltreffens ist mehr als ein bloßer Zufall – sie dient offensichtlich der politischen Kommunikation: Härte zeigen, Handlungsfähigkeit beweisen. Dass der Rechtsstaat sich durchsetzt, ist zweifellos geboten, insbesondere bei strafrechtlich verurteilten Personen. Dennoch wirft der Vollzug in ein Taliban-regiertes Land erhebliche menschenrechtliche und sicherheitspolitische Fragen auf. Die begriffliche Verharmlosung direkter Kontakte als „technische Verhandlungen“ offenbart, wie stark außenpolitische Prinzipien dem innenpolitischen Kalkül untergeordnet werden. Die Frage bleibt, ob solche symbolträchtigen Maßnahmen tatsächliche Migrationspolitik darstellen – oder bloß Inszenierung.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater