The Ape and the Child: Ein kontroverses Experiment in der Entwicklungspsychologie

Einleitung

Im Jahr 1931 führten der Psychologe Winthrop Niles Kellogg und seine Frau Luella an der Indiana University ein außergewöhnliches Forschungsprojekt durch, das bis heute in der Entwicklungspsychologie und der Natur-versus-Nurture-Debatte diskutiert wird. Unter dem Titel The Ape and the Child (1933) veröffentlicht, untersuchte das Experiment, wie stark die Umwelt das Verhalten prägt und ob ein Menschenaffe durch menschliche Erziehung Verhaltensweisen eines Menschen übernehmen kann. Dieses kontroverse Vorhaben wirft Fragen nach den Grenzen behavioristischer Ansätze, der Plastizität menschlichen Verhaltens und ethischen Standards in der Forschung auf.

Das Experiment

Die Kelloggs nahmen ein sieben Monate altes Schimpansenweibchen namens Gua in ihre Familie auf und zogen es gemeinsam mit ihrem zehn Monate alten Sohn Donald auf. Beide „Kinder“ wurden identisch behandelt: Sie erhielten die gleiche Ernährung, denselben Tagesablauf, dieselben Reize und wurden denselben motorischen und kognitiven Tests unterzogen. Ziel war es, die zentrale Frage zu beantworten: Wie viel des menschlichen Verhaltens ist erlernt, und wie viel ist angeboren?

Die behavioristische Prämisse des Experiments ging davon aus, dass Verhalten weitgehend durch Umwelt und Erziehung geformt wird. Die Kelloggs erwarteten, dass Gua durch die menschliche Umgebung Verhaltensweisen entwickeln würde, die denen eines menschlichen Kindes ähneln, und dass dies die Lernfähigkeit von Primaten unterstreichen würde.

Ergebnisse

Zu Beginn des Experiments zeigte Gua überraschende Fortschritte. In einigen motorischen und kognitiven Tests übertraf sie Donald, was die Forscher als Beleg für die hohe Lernfähigkeit von Schimpansen interpretierten. Sie war schneller in der Entwicklung bestimmter Fähigkeiten, wie dem Gebrauch von Werkzeugen oder dem Reagieren auf einfache Anweisungen.

Nach etwa neun Monaten zeigte sich jedoch eine unerwartete Wendung: Donald begann, Guas Verhalten zu imitieren. Er übernahm affentypische Laute, Gesten und Reaktionen, wie das Klettern oder Knurren. Diese „Verprimateisierung“ des menschlichen Kindes war das Gegenteil der ursprünglichen Hypothese, die eine „Vermenschlichung“ von Gua erwartete. Die Kelloggs waren alarmiert über die möglichen langfristigen Auswirkungen auf Donalds Entwicklung und beendeten das Experiment vorzeitig.

Interpretation und Bedeutung

Das Experiment lieferte unerwartete Einblicke in die Natur-versus-Nurture-Debatte. Es zeigte, dass menschliches Verhalten in der frühen Kindheit besonders anfällig für soziale Nachahmung ist – weit mehr, als die Kelloggs angenommen hatten. Während Gua gewisse Grenzen in ihrer Anpassung an menschliches Verhalten zeigte, die vermutlich auf angeborene biologische Unterschiede zurückzuführen waren, erwies sich Donald als äußerst plastisch in seinem Verhalten. Dies unterstreicht die Macht sozialer Interaktionen in der Prägung menschlicher Entwicklung.

Das Ergebnis stellte behavioristische Annahmen infrage, die davon ausgingen, dass Verhalten allein durch Umweltreize gesteuert wird. Stattdessen deutet das Experiment darauf hin, dass biologische Unterschiede zwischen Arten eine Rolle spielen und dass menschliche Kinder eine besondere Fähigkeit zur Imitation besitzen, die über das hinausgeht, was Primaten leisten können.

Methodische Kritik

Methodisch war das Experiment begrenzt. Die kleine Stichprobe (ein Schimpanse, ein Kind) und die kurze Dauer machen es schwierig, allgemeingültige Schlüsse zu ziehen. Dennoch bleibt das Experiment ein Meilenstein in der Entwicklungspsychologie, da es die Komplexität der Interaktion zwischen Anlage und Umwelt verdeutlicht.

Fazit

Das Experiment The Ape and the Child zeigt eindrucksvoll, wie stark soziale Umwelten das Verhalten prägen können – insbesondere in der frühen Kindheit. Die unerwartete Imitation affentypischen Verhaltens durch Donald unterstreicht die hohe Plastizität menschlichen Verhaltens, wirft aber auch Fragen nach den Grenzen behavioristischer Ansätze auf. Gleichzeitig mahnt die Studie zur Vorsicht in der Forschung mit menschlichen und tierischen Probanden und erinnert daran, dass wissenschaftlicher Fortschritt stets mit ethischer Verantwortung einhergehen muss.

Die Erkenntnisse der Kelloggs bleiben ein faszinierendes Kapitel in der Psychologiegeschichte und regen bis heute Diskussionen über die Wechselwirkungen von Natur und Kultur an.


In einer deutschen Schulklasse, in der 90 Prozent der Schüler ausländischer Herkunft sind, stellt sich die Frage, wer von wem welche Werte übernimmt.

Das Ergebnis: Die Entstehung einer „dritten Kultur“

Das wahrscheinlichste Ergebnis in einer solchen Schulklasse ist nicht, dass eine Gruppe die Werte der anderen vollständig übernimmt. Stattdessen entsteht eine neue, gemeinsame Kultur des Klassenzimmers und des Schulhofs – eine Art „dritte Kultur“.

Diese Kultur ist ein Amalgam aus:

  • den offiziellen Werten der deutschen Schule,
  • Elementen der deutschen Mehrheitskultur (vermittelt durch Medien, Lehrer und die Schülerminderheit),
  • einer Vielzahl von Werten und Traditionen aus den Herkunftsländern der Schüler.

Diese neue Kultur hat ihre eigenen Codes, ihre eigene Sprache (oft „Kiezdeutsch“), eigene soziale Normen und ein eigenes Verständnis von Zugehörigkeit.


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