Wenn man den großen Versprechungen glaubt, dann könnte der Staat Milliarden sparen, wenn nur genug Leute vom Bürgergeld wieder arbeiten gehen. Das klingt erst mal gut. Es klingt nach Entlastung, nach Gerechtigkeit, nach endlich wieder Schwung im Land. Doch wer genauer hinschaut, merkt schnell, dass diese Rechnung auf wackligen Beinen steht. Denn die Vorstellung, man müsse einfach nur 100.000 Menschen „in Arbeit bringen“ und schon fließen Milliarden zurück in die Kasse, ist ein schöner Traum, aber leider kaum Realität.
Die Politik redet gern in runden Zahlen, weil sie so einfach klingen. Eine Milliarde hier, drei Milliarden da – das erzeugt Schlagzeilen und beruhigt die Steuerzahler. Doch die Wirklichkeit auf dem Arbeitsmarkt ist komplizierter. Viele Bürgergeld-Empfänger sind keine faulen Leute, die einfach nicht wollen. Viele sind krank, schlecht qualifiziert, alleinerziehend oder schlichtweg in einer Lebenssituation, in der reguläre Arbeit gerade nicht möglich ist. Die Idee, man könne 100.000 von ihnen einfach „aktivieren“ und so Milliarden sparen, ist daher nicht nur naiv, sie grenzt an Schönrechnerei.
Natürlich wäre es wunderbar, wenn mehr Menschen wieder Jobs finden. Niemand bestreitet, dass Arbeit Würde, Struktur und Unabhängigkeit schafft. Aber zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt ein weiter Weg. Die, die wirklich arbeitsfähig sind, haben oft andere Hürden: fehlende Kinderbetreuung, psychische Probleme, Sprachbarrieren oder schlicht keine passenden Stellen. Und viele, die Jobs finden, arbeiten dann im Niedriglohnsektor, oft in Teilzeit, manchmal nur für kurze Zeit. Das bringt zwar Bewegung in die Statistik, aber noch lange keine stabile Entlastung für den Staatshaushalt.
Hinzu kommt, dass solche Berechnungen immer so tun, als wäre jeder, der wieder arbeitet, automatisch ein Netto-Gewinn fürs System. Das stimmt so nicht. Viele müssen erst gefördert, qualifiziert oder betreut werden, bevor sie überhaupt eine Chance auf Arbeit haben. Diese Maßnahmen kosten Geld, und zwar nicht wenig. Jobcenter, Integrationskurse, Weiterbildung, Vermittlungsprogramme – all das sind teure Investitionen. Wer also behauptet, mit 100.000 weniger Bürgergeld-Beziehern spare man direkt Milliarden, verschweigt, dass man vorher vielleicht fast genauso viel ausgeben muss, um diese Menschen überhaupt fit für den Arbeitsmarkt zu machen.
Ein weiterer Punkt, der gern übersehen wird: Nicht jeder, der arbeitet, zahlt automatisch spürbar mehr Steuern. Wer in Teilzeit oder mit Mindestlohn arbeitet, trägt zwar etwas bei, aber keine Milliardenbeträge. Und viele bleiben trotz Arbeit auf ergänzende Leistungen angewiesen. Das nennt sich Aufstockung und ist längst kein Randphänomen mehr. Es gibt in Deutschland hunderttausende Menschen, die arbeiten und trotzdem Bürgergeld oder Wohngeld bekommen. Das Bild vom „vom Staat abhängigen Arbeitslosen“, der plötzlich durch Arbeit die Staatskasse füllt, ist also stark verkürzt.
Was bleibt, ist ein politisches Signal: Die Regierung will Handlungsfähigkeit zeigen, und das Bürgergeld eignet sich dafür bestens als Symbol. Es weckt Emotionen, provoziert Debatten und liefert einfache Botschaften. Doch einfache Botschaften lösen keine komplexen Probleme. Wenn man wirklich Geld sparen will, muss man in Bildung investieren, in psychologische Betreuung, in faire Löhne und stabile Arbeitsverhältnisse. Das ist mühsam, dauert lange und bringt keine schnellen Schlagzeilen. Aber nur so entsteht echte Entlastung – nicht durch Rechenspiele mit hypothetischen Milliarden.
Am Ende bleibt der Verdacht, dass hier weniger gerechnet als vielmehr geträumt wird. Eine Milliarde klingt gut, drei Milliarden noch besser. Doch was bringt diese Zahl, wenn sie nur auf Annahmen basiert, die mit der Realität der Betroffenen wenig zu tun haben? Wer wirklich sparen will, muss verstehen, dass Menschen keine Posten in einer Tabelle sind. Sie sind keine Zahl im Haushaltsplan, sondern Teil eines Systems, das funktioniert, wenn man es ernsthaft und langfristig unterstützt. Die Frage ist also nicht, wie viel der Staat spart, wenn 100.000 Menschen arbeiten. Die Frage ist, was der Staat bereit ist zu investieren, damit sie es überhaupt können.