An den US-Anleihemärkten hat sich eine oberflächlich entspannte Lage durchgesetzt. Sinkende Renditen befeuern die Rekordjagd an den Aktienbörsen, und eine weitere Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zur kommenden Sitzung scheint mit einer Wahrscheinlichkeit von über 96 Prozent ausgemachte Sache. Doch hinter der Fassade der Stabilität mehren sich die Stimmen, die vor einem bösen Erwachen und den fundamentalen Risiken warnen, die der Markt derzeit geflissentlich ignoriert.
Während sich Investoren in Sicherheit wiegen, zeichnet der renommierte Vermögensverwalter T. Rowe Price durch seinen Experten Arif Husain ein düsteres Szenario. Trotz der Aussicht auf kurzfristig fallende Zinsen prognostiziert er einen massiven Druck auf die Kurse zehnjähriger US-Staatsanleihen. Die Konsequenz wäre ein spiegelbildlicher Anstieg der Renditen auf bis zu sechs Prozent. Ein solcher Sprung von aktuell rund vier Prozent wäre ein echter Schock für die Finanzmärkte und würde ein Renditeniveau markieren, das zuletzt vor einem Vierteljahrhundert zu beobachten war.
Husains Argumentation fußt auf drei soliden ökonomischen Säulen, die das derzeitige Marktgeschehen als fundamental unterbewertetes Risiko entlarven:
- Mangelnde Haushaltsdisziplin: Die ausufernden Staatsfinanzen der USA und das stetig wachsende Angebot an neuen Staatsanleihen erfordern einen Preis. Investoren, so die These, werden für die Übernahme dieser Risiken eine deutlich höhere Rendite einfordern, um die Nachfrage aufrechtzuerhalten.
- Hartnäckige Inflation: Mit drei Prozent verharrt die Teuerungsrate hartnäckig einen vollen Prozentpunkt über dem offiziellen Zielwert der Fed. Dieser Inflationsdruck, der durch Handelszölle weiter befeuert werden könnte, stellt eine reale Gefahr für den Wert von Anleihen dar.
- Unattraktive Risikoprämie: Die Bewertung langfristiger Anleihen ist im Vergleich zu sicherem Bargeld unattraktiv geworden. Die nur noch magere Renditesteigerung für das Eingehen langfristiger Risiken stellt die ökonomische Rationalität für Anleger zunehmend infrage.
Die eigentliche Gefahr liegt jedoch nicht nur in den ökonomischen Fundamentaldaten, sondern in der zunehmenden Politisierung der Geldpolitik. In der „Trump-Ära“ wächst die Sorge vor einem verstärkten Einfluss der Regierung auf die unabhängige Notenbank. Die jüngste Forderung des von Trump ernannten Fed-Gouverneurs Stephen Miran, die Fed müsse auch für „moderate langfristige Zinsen“ sorgen, deutet auf einen drohenden Paradigmenwechsel hin. Sollte die Fed dem politischen Druck nachgeben und versuchen, die gesamte Zinskurve zu kontrollieren, wären die marktwirtschaftlichen Konsequenzen unkalkulierbar.
Husain rät Investoren zwar, sich an das alte Börsen-Motto „Kämpfe nicht gegen die Fed!“ zu halten. Die entscheidende Frage für die Zukunft wird jedoch sein, wessen Interessen die Fed am Ende dient – denen der Preisstabilität oder denen der Politik. Die gegenwärtige Ruhe am Anleihemarkt könnte sich somit als die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm erweisen.