Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeichnen ein scheinbar beruhigendes Bild: Mit +2,2 Prozent im August 2025 liegt die Teuerungsrate nur leicht über den Vormonaten und bewegt sich damit in einem moderaten Korridor. Für ein Land, das in den vergangenen Jahren zweistellige Energiepreisschocks und galoppierende Lebensmittelpreise verkraften musste, wirkt dies wie eine Rückkehr zur Normalität. Doch dieser Eindruck täuscht. Hinter den nüchternen Daten verbergen sich strukturelle Risiken, die weit über kurzfristige Preisschwankungen hinausreichen – und die gerade aus marktwirtschaftlicher Sicht ernst genommen werden müssen.
Energie, über Jahre hinweg Haupttreiber der Inflation, wirkte auch im August inflationsdämpfend. Mit –2,4 Prozent waren die Preise niedriger als im Vorjahr, doch der Effekt schwächt sich ab. Gaspreise stiegen erstmals wieder leicht. Dies ist mehr als ein statistisches Detail: Es zeigt, dass die Phase massiver Energiepreisrückgänge ihrem Ende entgegengeht. Wer also glaubt, die Inflationsfrage sei mit sinkenden Öl- und Gaspreisen erledigt, macht sich Illusionen. In einer global fragilen geopolitischen Lage und angesichts immer neuer regulatorischer Eingriffe in den Energiemarkt kann sich diese Entwicklung jederzeit umkehren.
Stärker ins Gewicht fallen inzwischen die Lebensmittelpreise. Sie stiegen binnen Jahresfrist um 2,5 Prozent – überdurchschnittlich und für breite Schichten spürbar. Obst verteuerte sich sogar um mehr als sieben Prozent, Zucker und Süßwaren um fast ebenso viel. Solche Preisschübe treffen besonders Haushalte mit geringem Einkommen, deren Budgets ohnehin durch Wohn- und Energiekosten überdehnt sind. Zwar sanken einzelne Produkte wie Gemüse oder Olivenöl, doch die Volatilität in diesem Sektor macht ihn unberechenbar. Hier wirken globale Ernteerträge, Transportkosten und Spekulationen ebenso wie nationale Steuerpolitik und Regulierung.
Die eigentliche Alarmglocke schrillt jedoch bei der Kerninflation. Ohne Energie und Nahrungsmittel lag sie im August bei 2,7 Prozent – stabil hoch. Besonders Dienstleistungen (+3,1 Prozent) und Gesundheitskosten (+6,5 Prozent) treiben die Preise. Versicherungen, soziale Dienstleistungen und selbst die Grundversorgung mit Wasser verteuerten sich spürbar. Diese Teuerung ist kein konjunkturelles Strohfeuer, sondern Ausdruck struktureller Kostensteigerungen: demografischer Druck, steigende Löhne, wachsende Bürokratie und ausufernde Regulierung. Hier liegt die eigentliche Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Kritisch ist auch die politische Dimension: Während die öffentliche Debatte oft den Energiepreis in den Mittelpunkt stellt, entwickelt sich die eigentliche Inflationsgefahr längst in den Bereichen, die unmittelbar das alltägliche Leben betreffen – Lebensmittel, Gesundheit, Wohnen. Für eine konservative Wirtschaftspolitik bedeutet dies: Man darf nicht nur auf kurzfristige Energieeffekte und Zinspolitik setzen, sondern muss strukturelle Kostentreiber – Bürokratie, überbordende Abgabenlast, ineffiziente Regulierung – in den Blick nehmen, um Preisdruck nachhaltig zu mindern.
Die Europäische Zentralbank dürfte die Entwicklung mit gespannter Ruhe beobachten. Eine Inflationsrate von etwas über zwei Prozent gibt grundsätzlich Raum für Zinssenkungen, doch die hohe Kerninflation signalisiert Vorsicht. Wer in Frankfurt zu früh lockert, riskiert eine Verfestigung der Preisdynamik in den Sektoren, die sich ohnehin der Geldpolitik weitgehend entziehen. Damit verschärft sich die Verantwortung der nationalen Politik: Nur durch ordnungspolitische Klarheit, eine Entlastung der Unternehmen und den Abbau unnötiger Regulierung kann die Basis für dauerhaft stabile Preise geschaffen werden.
Deutschland braucht daher weniger politische Symbolpolitik und mehr marktwirtschaftliche Vernunft. Wer die Inflation wirklich bekämpfen will, muss Kosten- und Produktivitätsfaktoren an der Wurzel anpacken: flexible Arbeitsmärkte statt verkrusteter Tarifstrukturen, ein Steuersystem, das Leistung belohnt, und eine Energiepolitik, die Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gleichermaßen im Blick hat. Nur so lässt sich verhindern, dass die scheinbare Preisstabilität von heute zur trügerischen Ruhe vor dem nächsten Sturm wird.