Trumps „Big, Beautiful Bill“ – Versprechen für die Mittelschicht oder Steuergeschenk für Reiche?

Mit dem sogenannten „Big, Beautiful Bill“ setzt Donald Trump erneut auf ein wirtschaftspolitisches Rezept, das die USA bereits aus seiner ersten Amtszeit kennen: Steuersenkungen, Deregulierung und eine aggressive Wachstumsagenda. Nach Darstellung des Weißen Hauses soll die Neuauflage seiner Steuer- und Ausgabenpolitik nun zu einem kräftigen Plus im Geldbeutel amerikanischer Familien führen – doch wie stichhaltig sind diese Versprechen wirklich?

Laut einer Analyse des Council of Economic Advisers (CEA) wird prognostiziert, dass die kombinierte Wirkung von Steuererleichterungen und wachstumsfördernden Maßnahmen zu einem Anstieg des Familieneinkommens zwischen USD 7.800 und USD 13.300 führen könnte. Auch Arbeitnehmerlöhne sollen demnach um USD 6.100 bis USD 11.600 steigen. Speziell für Senioren sieht das Gesetz eine zusätzliche Steuervergünstigung vor, die im Durchschnitt USD 400 bis USD 450 mehr pro Jahr bringen soll.

Diese optimistischen Zahlen basieren vor allem auf der Verlängerung der „Tax Cuts and Jobs Act“ (TCJA) von 2017, die unter Trumps erster Amtszeit eingeführt wurden. Zudem plant die GOP weitere Neuerungen: steuerfreie Trinkgelder, die Abschaffung von Abgaben auf Überstunden sowie zusätzliche Investitionsanreize. Besonders hervor hebt die Regierung den Vorschlag, Trinkgelder künftig steuerfrei zu stellen – ein Vorhaben, das laut CEA das Einkommen von Beschäftigten in diesem Bereich um durchschnittlich USD 1.675 jährlich steigern würde.

Doch während die Regierung diese Maßnahmen als „größte Steuersenkung der US-Geschichte“ bezeichnet, werfen Kritiker den Republikanern vor, einseitig die Interessen der Wohlhabenden zu bedienen. Demokraten verweisen etwa auf Berechnungen des Joint Committee on Taxation, wonach Geringverdiener unter USD 50.000 Jahreseinkommen lediglich eine Entlastung von USD 263 erwarten können, während die reichsten Amerikaner mit Steuererleichterungen von über USD 81.000 rechnen dürfen.

Die republikanische Argumentation, man lasse den Spitzensteuersatz von 37 % unangetastet und konzentriere sich ausschließlich auf die Mittelschicht, wirkt auf den ersten Blick beruhigend. Doch gerade dieser Punkt wirft Fragen auf: Warum profitieren dann die obersten Einkommensgruppen so überproportional? Der Verzicht auf eine tatsächliche Progression in der Steuerpolitik bleibt ein zentraler Kritikpunkt.

Zudem gibt es Zweifel an der ökonomischen Tragweite der Projektionen. Die positiven Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werden vom CEA mit nur 0,1 % bis 0,2 % beziffert – ein vergleichsweise bescheidener Impuls, wenn man bedenkt, dass damit Einnahmeverluste in Milliardenhöhe gegenfinanziert werden müssten. Auch die versprochene Schaffung oder Sicherung von 4,2 Mio. Vollzeitstellen klingt ambitioniert, bleibt aber methodisch und empirisch schwach belegt.

Nicht zuletzt ruft das Verfahren der Haushaltsabstimmung (budget reconciliation), mit dem die Republikaner die Gesetzesinitiative durch den Kongress bringen wollen, erhebliche Kritik hervor. Es erlaubt dem Mehrheitsführer, umfangreiche Reformen am Senat vorbei durchzusetzen – ein demokratischer Grenzgang, der schon in der Vergangenheit für politische Spaltung gesorgt hat.

Fazit: Trumps neues Steuerpaket ist ein klassisches Beispiel republikanischer Angebotspolitik. Es verspricht kurzfristige Entlastungen, vor allem für bestimmte Berufsgruppen und Senioren, setzt langfristig jedoch auf ein trickle-down-Prinzip, das sich empirisch nur selten bewährt hat. Die Behauptung, man stärke damit vor allem die Mittelschicht, hält einer genauen Analyse kaum stand. Vielmehr droht eine weitere Umverteilung von unten nach oben – getarnt als patriotischer Akt wirtschaftlicher Erneuerung.

Ein „big, beautiful bill“ – ja. Aber für wen?


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