Trumps „großes, schönes Gesetz“ im Senat: Ein Balanceakt zwischen Steuererleichterung, Sozialabbau und parteipolitischer Zerreißprobe

Der jetzt veröffentlichte Entwurf des republikanisch dominierten Finanzausschusses im US-Senat markiert den politisch heikelsten Abschnitt von Donald Trumps „großem, schönem Gesetzentwurf“: Er verknüpft die Anhebung der Schuldenobergrenze, Grenz- und Militärfinanzierung sowie ein umfassendes Steuer- und Sozialpaket zu einem einzigen, mehrere Tausend Seiten starken Vorhaben. Die republikanische Führung hofft, das Paket noch vor der 4-Juli-Pause durch das Oberhaus zu peitschen, doch die Unterschiede zum bereits vom Repräsentantenhaus verabschiedeten Text sind erheblich.

Steuerpolitisch setzt der Senat eigene Akzente: Der Kindersteuerabzug soll nur auf 2 200 $ steigen (House Bill: 2 500 $), dafür würden Ausnahmeregeln für Unternehmensinvestitionen und F&E-Aufwendungen dauerhaft werden. Gleichzeitig kappt der Entwurf eine geplante Einschränkung von Steuervorteilen für Eigentümer von Sportfranchises und hält am bisherigen, für Private-Equity-Fonds lukrativen Carried-Interest-Privileg fest – obwohl Trump selbst dessen Abschaffung gefordert hatte. Mit der Absenkung der SALT-Obergrenze auf gerade 10 000 $ setzt der Senat den Verhandlungspartnern im Repräsentantenhaus, die 40 000 $ erstritten hatten, ein deutliches Druckmittel vor: Die Zahl fungiert offen als Platzhalter, signalisiert aber den konservativen Bundesstaaten, dass man keine teuren Zugeständnisse an „Blue-State-Interessen“ machen will.

Auf der Ausgabenseite verschärft der Senatsvorschlag die Einschnitte bei Medicaid: Die zulässige Anbietersteuer, mit der Bundesstaaten ihren Eigenanteil an den Kosten aufbringen, würde für Expansionsstaaten bis 2031 von 6 % auf 3,5 % sinken – eine faktische Haushaltskürzung, die vor allem ärmere Staaten treffen dürfte. Zugleich wird das Auslaufen von grünen Steuergutschriften aus dem Inflation Reduction Act abgefedert, sodass Projekte länger von Subventionen profitieren können. Diese doppelte Bewegung – Kürzen bei der Sozialhilfe, Verlängern von Investitionsanreizen – illustriert eine ideologisch widersprüchliche Linie: fiskalische Strenge für Bedürftige, fiskalische Großzügigkeit für Kapital- und Energiesektoren.

Politisch ergibt sich ein gefährliches Patt. Weder Senat noch Repräsentantenhaus wollen ein formelles Vermittlungskomitee („Conference“), doch die nun sichtbar gewordene Textfülle erzwingt de-facto Konferenzverhandlungen. Insbesondere House-Speaker Mike Johnson braucht eine höhere SALT-Freigrenze, um Abweichler aus wohlhabenden Vorstadtbezirken einzubinden. Umgekehrt drohen im Senat fiskalkonservative Stimmen mit Blockade, falls das Medicaid-Sparpaket aufgeweicht wird. Der ambitionierte Zeitplan – Verabschiedung vor der Nationalfeier – scheint daher eher symbolisch denn realpolitisch begründet.

Kritische Würdigung: Der Entwurf vergrößert die soziale Schieflage. Die reale Ersparnis für betroffene Familien durch den reduzierten Kindersteuerabzug bleibt hinter der Inflation zurück, während die dauerhafte Sofortabschreibung von Investitionskosten primär Großunternehmen zugutekommt. Die Medicaid-Kürzungen delegieren Kostenrisiken an Bundesstaaten, was im Krisenfall zu Leistungsabbau führen dürfte. Gleichzeitige Verlängerungen von Klimagutschriften wirken widersprüchlich zur langjährigen GOP-Kritik am Inflation Reduction Act – hier überwiegt offenbar die Industrieförderung über ideologische Konsistenz. Dass das Carried-Interest-Loophole erneut unangetastet bleibt, verweist auf den durchschlagenden Einfluss finanzstarker Lobbys; Trumps frühere Attacken auf dieses Privileg erscheinen de facto folgenlos.

Ausblick: Selbst wenn der Senat die erforderlichen 50 Stimmen mobilisiert, ist ungewiss, ob die Kompromisssuche bis zum Independence Day gelingt. Jede Verschiebung des SALT-Deckels oder Aufweichung der Medicaid-Kürzungen könnte im jeweils anderen Haus neue Revolten auslösen. Bleibt die Verhandlungsmasse unverändert, drohen stattdessen lähmende Haushalts- und Schuldenlimitkrisen im Spätsommer. Kurz: Der „große, schöne Gesetzentwurf“ droht an seiner eigenen Größe und den widersprüchlichen Schönheitskorrekturen zu scheitern – eine Leerstelle, die nur durch ernsthafte parteiübergreifende Haushaltsdisziplin gefüllt werden könnte.


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