US-Notenbank zwischen Inflationsdruck und Konjunktursorge – Die zweite Zinssenkung der Fed spaltet Ökonomen und Märkte

Die US-Notenbank Federal Reserve hat Ende Oktober 2025 ihren Leitzins zum zweiten Mal in diesem Jahr um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Der Zinssatz liegt nun in der Spanne von 3,75 bis 4,0 Prozent – ein Schritt, der zwar erwartet worden war, dessen Begründung jedoch tiefer blicken lässt. Denn die Fed reagiert damit auf zunehmende Anzeichen einer konjunkturellen Abschwächung, während die Inflation mit rund drei Prozent hartnäckig über dem Zielwert verharrt.

Ein Balanceakt in unsicherem Terrain
Fed-Chef Jerome Powell steht vor einem Dilemma: Auf der einen Seite verlangsamte sich der Jobaufbau, Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen zurück, und der Konsum zeigt erste Ermüdungserscheinungen. Auf der anderen Seite bleibt der Preisauftrieb robust – befeuert durch Trumps Zollpolitik, die Importwaren verteuert. Eine klassische Rezessionsgefahr ist noch nicht erkennbar, doch das Bild der US-Wirtschaft wird diffuser. Der anhaltende Regierungs-Shutdown hat die Veröffentlichung wichtiger Konjunkturdaten lahmgelegt, was die geldpolitische Lagebeurteilung zusätzlich erschwert. Powell selbst fasste die Situation in einprägsam zusammen: „Wenn man im Nebel fährt, gibt man weniger Gas.“

Politischer Druck und interne Spannungen
Die Entscheidung der Fed fiel nicht einstimmig. Zwei Mitglieder des Offenmarktausschusses votierten gegen die Zinssenkung – aus entgegengesetzten Gründen. Stephen Miran, ein von Präsident Trump berufener Ökonom, forderte eine deutlich stärkere Lockerung um 0,5 Prozentpunkte, während Jeffrey Schmid, Präsident der Kansas City Fed, überhaupt keine Senkung wollte. Die Differenzen zeigen, wie tief die Gräben im geldpolitischen Lager inzwischen verlaufen. Der politische Einfluss aus dem Weißen Haus ist unverkennbar: Trump drängt seit Monaten auf eine expansive Geldpolitik, um Wachstum und Kreditnachfrage vor der Wahl 2026 anzukurbeln. Für die Unabhängigkeit der Fed ist das ein heikles Signal.

Technologie treibt – doch wie nachhaltig?
Ein stabilisierender Faktor bleibt der Boom im Bereich Künstlicher Intelligenz. Laut Harvard-Ökonom Jason Furman wurde das US-Wachstum im ersten Halbjahr fast vollständig durch Investitionen in Rechenzentren und IT-Infrastruktur getragen. Powell warnt dennoch vor überzogenen Erwartungen, sieht aber – anders als zur Jahrtausendwende – keine spekulative Blase. Die Unternehmen erwirtschafteten reale Gewinne, die Bewertungen seien insofern „deutlich besser unterfüttert“ als zur Zeit der Dotcom-Euphorie. Gleichwohl gilt: Ohne den KI-Sektor sähe das Wachstum deutlich schwächer aus.

Verunsicherte Märkte, vorsichtige Notenbank
An den Finanzmärkten führte die Zinssenkung zunächst zu Kursgewinnen. Doch Powells warnende Worte, eine weitere Lockerung im Dezember sei „keineswegs ausgemacht“, dämpften die Euphorie. Die Leitindizes Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq gaben ihre Gewinne rasch wieder ab. Anleger bleiben nervös: Einerseits hoffen sie auf billigeres Geld, andererseits wächst die Sorge vor einer geldpolitischen Überdehnung.

Bilanzpolitik als stilles Stabilisierungsinstrument
Parallel zur Zinssenkung kündigte die Fed an, den Abbau ihrer Bilanzsumme ab Dezember zu stoppen. Damit wird dem Markt keine Liquidität mehr entzogen – eine vorsichtige Rückkehr zu expansiveren Tönen. In der Praxis bedeutet das: Die Notenbank setzt weniger auf Zinssignale, sondern zunehmend auf Liquiditätsmanagement, um das Vertrauen der Märkte zu stabilisieren.

Fazit: Zwischen Vorsicht und Vertrauensverlust
Die zweite Zinssenkung der Fed verdeutlicht die Zerrissenheit zwischen geldpolitischer Vorsicht und wachsender politischer Einflussnahme. Während Powell um Glaubwürdigkeit und Stabilität bemüht ist, droht die Notenbank unter den Augen der Märkte an politischem Druck und Datenunsicherheit an Kontur zu verlieren. Eine dritte Senkung im Dezember ist möglich, aber keineswegs sicher – und sie würde die Diskussion um das Mandat der Fed neu entfachen. In der gegenwärtigen Lage ist die Fed weniger ein Leuchtturm der Stabilität als ein Spiegel der Unsicherheit, die die US-Wirtschaft erfasst hat.


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