Das Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Die israelische Militäroperation Rising Lion und die US-Angriffe Midnight Hammer gegen iranische Atomanlagen im Lichte des Völkerrechts“ (WD 2 – 3000 – 029/25) analysiert die militärischen Angriffe Israels und der USA auf iranische Nuklearanlagen im Juni 2025 unter dem Gesichtspunkt des Völkerrechts. Im Zentrum steht die Frage, ob diese Maßnahmen als rechtmäßige Selbstverteidigung gelten können oder ob sie gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot verstoßen.
Kernaussagen und Gliederung:
1. Einleitung
Der Bericht konstatiert eine Erosion der regelbasierten internationalen Ordnung zugunsten machtbasierter Politik. Die militärischen Interventionen werden vor dem Hintergrund wachsender Unsicherheiten über das iranische Atomprogramm und widersprüchlicher Geheimdienstinformationen analysiert. Im Zentrum steht die rechtliche Bewertung im Lichte des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 VN-Charta.
2. Präventive Selbstverteidigung
Der klassische Begriff der Selbstverteidigung wird beleuchtet, insbesondere das Caroline-Kriterium von 1837, das eine „unmittelbare, überwältigende Notwendigkeit“ voraussetzt. Der Bericht untersucht moderne Interpretationen wie:
- Chatham House Principles: Berücksichtigen Kontextfaktoren wie Art der Bedrohung und Fähigkeit des Angreifers.
- „Last window of opportunity“: Erlaubt Eingreifen, bevor ein Angriff unmittelbar bevorsteht, wenn spätere Abwehr faktisch unmöglich wäre.
- Bush-Doktrin: Legitimiert militärisches Handeln schon bei abstrakter Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen – völkerrechtlich höchst umstritten.
3. Israelische Militäroperation „Rising Lion“
Die Operation wird als Fortsetzung der israelischen Begin-Doktrin gewertet. Israel argumentiert mit einer existenziellen Bedrohung durch Irans Atomwaffenprogramm, verweist auf IAEA-Berichte zu Verstößen gegen den Atomwaffensperrvertrag. Die wissenschaftliche Bewertung bleibt kritisch: Weder wird Art. 51 explizit angerufen, noch gibt es hinreichende Beweise für eine „unmittelbare Bedrohung“. Die Glaubwürdigkeit der Begründung wird durch widersprüchliche Informationen und den politischen Kontext (z. B. US-Einfluss auf Geheimdienste) geschwächt.
4. Fortdauernder bewaffneter Konflikt (ongoing conflict)
Untersucht wird, ob die Angriffe im Rahmen eines andauernden internationalen bewaffneten Konflikts stehen. Hierbei spielen Irans Proxy-Akteure (Hisbollah, Huthi) eine Rolle. Die Anwendung des Selbstverteidigungsrechts innerhalb eines „ongoing conflict“ bleibt völkerrechtlich umstritten und ungeklärt.
5. US-Operation „Midnight Hammer“
Die USA begründen ihr militärisches Eingreifen mit kollektiver Selbstverteidigung zugunsten Israels. Auch hier fehlen überzeugende Nachweise für eine akute Bedrohung. Die Reaktion Irans auf US-Stützpunkte wirft die Frage eines möglichen NATO-Bündnisfalls auf, die im Bericht mit Bedacht relativierend behandelt wird.
6. Völkerrechtliche Legalität vs. politische Legitimität
Der Bericht warnt vor einer Aufweichung völkerrechtlicher Normen durch politisch-moralische Rechtfertigungsnarrative. Ein Rückgriff auf Begriffe wie „existenzielles Interesse“ oder „letzte Gelegenheit“ unterminiere langfristig das Gewaltverbot der VN-Charta. Eine Legitimierung auf Basis vager Bedrohungslagen (à la Bush-Doktrin) sei völkerrechtlich nicht haltbar.
7. Fazit
- Weder Israel noch die USA können sich überzeugend auf das Selbstverteidigungsrecht berufen.
- Die Operationen stehen im Spannungsfeld zwischen legitimen Sicherheitsinteressen und dem völkerrechtlichen Gewaltverbot.
- Die internationale Gemeinschaft hat keine klare Haltung bezogen, was den völkergewohnheitsrechtlichen Präzedenzwert dieser Operationen betrifft – ein alarmierender Umstand für die regelbasierte Ordnung.
Kritische Bewertung:
Das Gutachten macht deutlich, dass die Berufung auf präventive Selbstverteidigung völkerrechtlich eng begrenzt ist. Die Operationen Rising Lion und Midnight Hammer drohen – insbesondere durch das Schweigen oder die Gleichgültigkeit der Staatengemeinschaft – zur faktischen Aufweichung des Gewaltverbots beizutragen. Diese Entwicklung widerspricht fundamental dem normativen Anspruch der VN-Charta und stellt eine gefährliche Erosion des internationalen Rechtsrahmens dar.
Bei Interesse kann ich auch einzelne Abschnitte wie die völkerrechtliche Bewertung der „Rising Lion“-Operation oder die Debatte um die „last window of opportunity“-Doktrin im Detail aufschlüsseln.