Warum Deutschland den teuersten Strom Europas hat

Deutschland ist Spitzenreiter – allerdings in einem Bereich, auf den niemand stolz sein kann: den Strompreisen. Private Haushalte zahlen hierzulande mit rund 36 bis 40 Cent pro Kilowattstunde fast ein Drittel mehr als der europäische Durchschnitt. Für viele Bürger bedeutet das spürbare Belastungen, und selbst für energieintensive Industrien wird der Standort zunehmend unattraktiv. Doch warum ist Strom in Deutschland so teuer?

Ein Kernproblem liegt in der Finanzierung der Energiewende. Über Jahre wurde der Ausbau erneuerbarer Energien durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit garantierten Einspeisevergütungen gefördert. Die Kosten dafür landeten direkt auf der Stromrechnung. Zwar ist die EEG-Umlage seit 2022 abgeschafft und wird nun aus dem Bundeshaushalt finanziert, doch das entlastet Verbraucher nur optisch. Die Kosten bleiben im System und werden über Steuern oder Verschuldung weitergetragen.

Hinzu kommen die Folgen des Ukrainekriegs und der dramatisch gestiegenen Gaspreise. Da am Strommarkt das sogenannte „Merit-Order-Prinzip“ gilt, setzen die teuersten Kraftwerke – häufig Gaskraftwerke – den Preis für alle. Das führt dazu, dass auch billig erzeugter Wind- oder Solarstrom zu hohen Marktpreisen verkauft wird. Die Entlastung, die von niedrigen Erzeugungskosten ausgehen könnte, kommt bei den Endverbrauchern nicht an.

Besonders paradox erscheint die Lage bei den erneuerbaren Energien: Solarstrom kostet an der Quelle nur etwa 4 bis 6 Cent, Windstrom rund 7 Cent. Doch je mehr dieser fluktuierenden Energien eingespeist werden, desto größer ist der Bedarf an konventionellen Kraftwerken, die als Reserve bereitstehen müssen. Diese laufen immer seltener und werden dadurch wirtschaftlich untragbar, was wiederum zusätzliche Subventionen oder Ersatzmechanismen nötig macht. Die wahren Systemkosten von Wind- und Solarstrom liegen deshalb, unter Berücksichtigung von Netzausbau und Backup-Kapazitäten, nach Studien längst im Bereich von über 30 Cent pro Kilowattstunde – ein Vielfaches der reinen Erzeugungskosten.

Die historische Förderpolitik hat zudem Fehlanreize gesetzt. Jahrzehntelang erhielten Betreiber erneuerbarer Anlagen feste Abnahmepreise, unabhängig davon, ob der Strom gebraucht wurde oder nicht. Selbst im Falle von Netzüberlastungen flossen Entschädigungen. Für Anbieter war dies ein „bombensicheres Geschäft“, für Verbraucher ein milliardenschweres Risiko. Kritiker sprechen daher zu Recht von einer „asymmetrischen Marktordnung“, die die Kosten sozialisiert und die Profite privatisiert.

Letztlich sind die hohen Strompreise kein Zufallsprodukt, sondern politisch gewollt. Sie sollen einerseits Investitionen in erneuerbare Energien anreizen, andererseits Lenkungseffekte erzeugen: Sparen, Dekarbonisieren, Umlenken. Doch diese Strategie hat ihren Preis – im wörtlichen Sinne. Für Haushalte bedeutet sie Belastungen, für die Industrie Standortnachteile.

Die deutsche Energiepolitik steht damit vor einem Dilemma: Einerseits will man Vorreiter in der Klimapolitik sein, andererseits droht man durch überzogene Kostenstrukturen Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand zu gefährden. Eine ehrliche Debatte darüber, welche Lasten Bürger und Wirtschaft tragen können, ist überfällig. Denn die Energiewende kann nur dann nachhaltig sein, wenn sie nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch tragfähig gestaltet wird.


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