Warum die Bundesregierung ihre eigenen Versprechen konterkariert

Kaum eine Legislaturperiode vergeht, ohne dass die Bundesregierung großspurig den „Bürokratieabbau“ auf die Agenda setzt. Auch das neue Kabinett der 21. Wahlperiode hat diesen Anspruch erneuert. Unternehmer, Freiberufler und Bürger sollten entlastet werden, Verwaltungsprozesse digitalisiert und Vorschriften verschlankt werden. Doch die Realität spricht eine andere Sprache: Allein seit Februar 2025 hat die Bundesregierung bereits 85 Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht – 60 bis Ende August und weitere 25 Anfang September. Anstatt Komplexität zu verringern, wird das Dickicht der Vorschriften weiter verdichtet.

Der Widerspruch ist offensichtlich: Auf der einen Seite werden „Entlastungsgesetze“ beschlossen, auf der anderen Seite entstehen durch neue Regelungen zusätzliche Berichtspflichten, Kontrollmechanismen und Prüfverfahren. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz etwa wird offiziell „verschlankt“, de facto aber nur modifiziert – die Unternehmen bleiben im Korsett der staatlichen Überwachung. Gleiches gilt für die Umsetzung europäischer Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die zwar im Namen von Transparenz und Modernisierung eingeführt werden, in Wahrheit aber ganze Abteilungen in Unternehmen mit zusätzlicher Büroarbeit beschäftigen.

Der Grundfehler liegt in der politischen Kultur selbst: Gesetzgebung wird als Nachweis von Handlungsfähigkeit verstanden. Jeder gesellschaftliche Missstand, jede mediale Empörungswelle, jede europäische Vorgabe ruft reflexartig nach einem neuen Gesetz. Dass Deregulierung, also das bewusste Streichen von Normen, mindestens ebenso viel Mut und Gestaltungskraft erfordert, wird verdrängt. Statt systematischer Entflechtung wächst die Gesetzesflut.

Dabei sind die ökonomischen Kosten immens. Laut Berechnungen verschiedener Wirtschaftsinstitute belasten allein die Berichtspflichten im Mittelstand die Wettbewerbsfähigkeit erheblich. Innovationen werden gehemmt, Personal wird von produktiven Tätigkeiten in die Erfüllung bürokratischer Vorgaben gedrängt. Der Staat selbst trägt dazu bei, dass Fachkräfte in der Verwaltung gebunden sind, statt im Markt Mehrwert zu schaffen.

Ein echter Bürokratieabbau müsste radikal sein:
– eine konsequente Bestandsaufnahme aller Vorschriften, mit dem Ziel, ganze Regelwerke ersatzlos zu streichen,
– das Prinzip „One in, two out“, wonach für jede neue Regelung mindestens zwei alte abgeschafft werden,
– ein Paradigmenwechsel von Misstrauen zu Vertrauen, also mehr Eigenverantwortung der Unternehmen statt staatlicher Detailsteuerung.

Solange dieser Systemwechsel nicht erfolgt, bleibt der Bürokratieabbau ein politisches Schlagwort ohne Substanz – ein rhetorisches Feigenblatt, das den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit nur notdürftig kaschiert.


Statistik der Gesetzgebung

Gesetzgebung in der 20. Wahlperiode

Nach einer offiziellen Statistik des Deutschen Bundestages zur Gesetzgebung in der 20. Wahlperiode hat die Bundesregierung seit Beginn der Legislaturperiode 354 Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht. Davon wurden bis zu diesem Zeitpunkt 243 Gesetze vom Parlament verabschiedet.

Jahresbilanzen der gesetzgeberischen Arbeit

Betrachtet man die einzelnen Jahre, ergibt sich folgendes Bild:

  • 2021 (anteilig): In den letzten Wochen des Jahres 2021, nach der Konstituierung des 20. Bundestages, wurden noch sechs Gesetze verabschiedet. Zwei davon gingen auf Vorlagen der damals geschäftsführend amtierenden alten Bundesregierung zurück.
  • 2022: In diesem Jahr verabschiedete der Bundestag insgesamt 115 Gesetze. Davon stammten 75 aus der Feder der Bundesregierung.
  • 2023: Die Zahl der verabschiedeten Gesetze belief sich auf 107. Der Anteil der Regierungsvorlagen war mit 89 sogar noch höher.


Gesetzgebung in der 21. Wahlperiode

konkret:

  • Bis 29. August 2025: 60 Gesetzesinitiativen der Bundesregierung.
  • Am 3. September 2025 hinzugekommen: 25 neue Vorhaben.

Damit ergibt sich ein neuer Gesamtstand: 85 Gesetzesinitiativen der Bundesregierung in der 21. Wahlperiode (60 + 25).


 Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt auf, dass es am 1. Juni 2024 in Deutschland 4.663 vom Bund erlassene Gesetze und Verordnungen mit fast 97.000 Einzelnormen gab – 21 Prozent mehr als noch im Jahr 2010.


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