Zusammenfassung der Bundestagsdrucksache 21/557: Engagement der Bundesregierung bei Wasserstoffprojekten in Uruguay, Chile und Kolumbien
Die Drucksache dokumentiert die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke bezüglich der deutschen Beteiligung an Wasserstoffprojekten in den Ländern Uruguay, Chile und Kolumbien. Dabei geht es insbesondere um die soziale, ökologische und wirtschaftliche Ausgestaltung dieser Projekte im Kontext der deutschen Wasserstoffstrategie.
1. Hintergrund und politische Motivation
Die Bundesregierung geht davon aus, dass Deutschland ab 2030 mehr als die Hälfte seines Wasserstoffbedarfs importieren muss. Länder wie Uruguay, Chile und Kolumbien gelten aufgrund ihres Potenzials zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und synthetischen Derivaten wie E-Methanol und Ammoniak als strategische Partner. In diesem Sinne bestehen bilaterale Energiepartnerschaften und Förderprogramme, die den Hochlauf entsprechender Projekte unterstützen sollen.
2. Aktuelle Förderprojekte
Die Bundesregierung unterstützt über verschiedene Förderinstrumente wie H2Global, H2Uppp und die „Förderrichtlinie für internationale Wasserstoffprojekte“ (FRL int. H2) mehrere Projekte:
- Uruguay: Projekt der Linde GmbH zur Erzeugung von grünem Wasserstoff (wird jedoch eingestellt); kleines Mobilitätsprojekt mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Kein deutsches Unternehmen ist derzeit an dem umstrittenen Projekt in Tambores beteiligt.
- Kolumbien: Zwei PPP-Projekte über H2Uppp, u.a. mit Viridi RE (Projekt AkuaippaHy in La Guajira) und SAP.
- Chile: Gefördert wurden u.a. das Pilotprojekt Haru Oni (Siemens Energy, Porsche, HIF Global) und mehrere PPPs mit deutschen Unternehmen wie INERATEC, Soventix und Nordex.
3. Rolle der deutschen Unternehmen
Mehrere deutsche Firmen wie Linde, Siemens, Porsche, INERATEC, Nordex, SAP und Viridi RE sind in unterschiedlichen Rollen (Projektierer, Technologieanbieter, Investoren oder Abnehmer) an diesen Vorhaben beteiligt.
4. Keine Lieferverträge oder Importzahlen
Bislang existieren keine konkreten Absichtserklärungen oder Verträge über den Import von Wasserstoff aus den genannten Ländern nach Deutschland. Entsprechend liegen auch keine Prognosen zu Importmengen vor.
5. Nachhaltigkeitsprüfung und soziale Aspekte
Für geförderte Projekte ist eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung Voraussetzung für die Auszahlung von Mitteln. Allerdings ist der Kenntnisstand der Bundesregierung über konkrete Studien und Konflikte begrenzt:
- In Uruguay liegen keine bekannten Studien oder Konflikte mit der Bevölkerung vor.
- Für Haru Oni in Chile wurde eine vollständige Prüfung durchgeführt, weitere Studien sind nicht bekannt.
- In Kolumbien wurden im Projekt AkuaippaHy Studien zu sozialen und ökologischen Risiken beauftragt, insbesondere im Hinblick auf indigene Gruppen in La Guajira.
6. Kritische Anmerkungen und Konflikte
Die Fragesteller befürchten, dass Projekte ohne Beteiligung der lokalen Bevölkerung sowie ohne transparente Nachhaltigkeitskriterien soziale Ungleichheiten verschärfen könnten. Dies gilt insbesondere für das Projekt in Tambores (Uruguay), gegen das sich zivilgesellschaftlicher Widerstand regt und zu dem eine Klage beim uruguayischen Verfassungsgericht eingereicht wurde. Die Bundesregierung betont, dass das Projekt nicht mit deutschen Mitteln gefördert wird und keine direkte Beteiligung von Enertrag vorliegt.
7. Fördermittel und Beteiligungen
Die staatliche Förderung konzentriert sich auf Vorhaben mit potenzieller Exportperspektive, ohne jedoch explizit die Lieferung nach Deutschland zu sichern. Für das Projekt Haru Oni wurde Siemens Energy mit 8,2 Mio. Euro gefördert. Für das Projekt AkuaippaHy beträgt der öffentliche Anteil 200.000 Euro, der private 300.000 Euro. Weitere Projekte wurden über Summen zwischen 24.000 Euro und mehreren Millionen Euro unterstützt.
8. Fehlende Transparenz und Monitoring
Die Bundesregierung räumt ein, dass sie keine vollständige Übersicht über alle Projekte deutscher Unternehmen in den Zielländern besitzt. Zudem liegen keine Informationen über Fördermittel der EU für diese Projekte vor.
Fazit (kritisch eingeordnet):
Das Engagement Deutschlands in Südamerika für grünen Wasserstoff folgt klar wirtschafts- und klimapolitischen Motiven. Die Regierung verfolgt dabei den Aufbau von Partnerschaften und Marktzugängen, ohne jedoch bereits belastbare Lieferketten etabliert zu haben. Kritisch anzumerken ist die unzureichende Transparenz über soziale und ökologische Auswirkungen sowie die schwache Einbindung lokaler Akteure. Nachhaltigkeitsprüfungen bleiben vielfach lückenhaft dokumentiert oder sind noch nicht abgeschlossen. Die Gefahr besteht, dass eine rein technokratische Förderung der Wasserstoffwirtschaft zu neuen globalen Abhängigkeitsverhältnissen führt – gerade dort, wo soziale Gerechtigkeit, indigene Rechte und ökologische Balance ohnehin prekär sind. Ein Strategiewechsel hin zu partizipativen, sozial gerechten Energiekooperationen ist daher dringend anzuraten.
Die Aussage, dass die Bundesregierung „sieben Wasserstoff-Projekte in Uruguay (zwei), Kolumbien (zwei) und Chile (drei) mit rund zwölf Millionen Euro“ fördert, ist nur teilweise zutreffend und bedarf einer differenzierten Betrachtung auf Basis der Drucksache 21/557:
1. Anzahl der geförderten Projekte
Tatsächlich listet die Bundesregierung folgende konkrete Förderprojekte auf:
- Uruguay
- Projekt 1: Linde GmbH – Aufbau einer H₂-Produktion (10 Mio. € Förderzusage, jedoch nie ausgezahlt, da das Projekt ausläuft)
- Projekt 2: Mobilitätsvorhaben mit dem Fraunhofer-Institut (24.000 €)
- Kolumbien
- Projekt 3: PPP mit Viridi RE – Projekt AkuaippaHy (Gesamtvolumen 500.000 €, davon 200.000 € aus öffentlichen Mitteln)
- Projekt 4: PPP mit SAP (gesamt 500.845 €, davon 208.250 € aus öffentlichen Mitteln)
- Chile
- Projekt 5: Siemens Energy – Haru Oni (2020–2023: 8,2 Mio. € Einzelförderung)
- Projekt 6: PPP mit K-UTEC (397.663 €, davon 198.831,50 € öffentlich)
- Projekt 7: PPP mit ANGH / NORDEX (724.576 €, davon 200.000 € öffentlich)
2. Summe der Fördermittel (nur öffentliche Anteile)
Rechnet man die tatsächlich ausgezahlten oder vorgesehenen öffentlichen Mittel zusammen:
- Uruguay:
- Linde: 0 € (geplant: 10 Mio., aber Projekt nicht umgesetzt)
- Fraunhofer: 24.000 €
- Kolumbien:
- Viridi RE: 200.000 €
- SAP: 208.250 €
- Chile:
- Siemens/Haru Oni: 8,2 Mio. €
- K-UTEC: 198.831,50 €
- ANGH/Nordex: 200.000 €
Gesamtsumme: rund 9,03 Mio. € tatsächlicher Bundesmittel (nicht 12 Mio. €)
Fazit
Die Zahl „sieben Projekte“ ist formal korrekt, aber die Aussage „mit rund zwölf Millionen Euro“ ist falsch bzw. irreführend, da:
- Das größte Projekt in Uruguay (Linde) nicht umgesetzt wurde – Förderzusage ja, Auszahlung nein.
- Die tatsächlichen öffentlichen Mittel nur rund 9 Millionen Euro betragen.
- Nicht alle Projekte gleich gewichtet sind – Haru Oni ist mit Abstand das größte Fördervorhaben.
Kritische Bewertung
Die Zahl „zwölf Millionen Euro“ suggeriert eine aktivere und erfolgreichere Förderpraxis, als sie de facto stattfindet. Die Bundesregierung hat zwar Instrumente aufgesetzt, doch etliche Projekte bleiben im Stadium der Konzeptphase oder scheitern an praktischen Hürden. Damit stellt sich die Frage, ob die deutsche Außenwirtschafts- und Energiepolitik im globalen Süden tatsächlich partizipativ, wirksam und nachhaltig aufgestellt ist – oder ob sie eher Symbolpolitik mit unklarer Wirkung betreibt.