Zusammenfassung der 150. Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute – Frühjahr 2025
1. Weltwirtschaft: Abkühlung bei wachsender Unsicherheit
Die Weltwirtschaft befindet sich im Spannungsfeld tiefgreifender geopolitischer und wirtschaftspolitischer Veränderungen. Besonders ins Gewicht fällt die aggressive Zollpolitik der neuen US-Regierung unter Donald Trump, die zu erheblichen Belastungen des Welthandels führt. Seit dem 1. April 2025 hat sich der durchschnittliche US-Importzollsatz von 2,5 % auf 11,4 % erhöht – ein Niveau, das zuletzt während der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre erreicht wurde. Dies sorgt für massive Unsicherheit, Investitionen werden zurückgestellt. Die Weltwirtschaft dürfte 2025 und 2026 nur um jeweils 2,4 % wachsen – nach 2,7 % im Vorjahr.
2. USA: Protektionismus schwächt eigene Wirtschaft
In den USA selbst hat Trumps Politik bereits Folgen gezeigt: Verbrauchervertrauen und Aktienmärkte sind unter Druck, die wirtschaftliche Expansion kühlt sich ab. Für 2025 und 2026 wird nur noch ein Wachstum von 1,8 % erwartet (nach 2,8 % im Vorjahr). Die neuen Zölle sollen nicht nur Handelsdefizite abbauen, sondern dienen auch als innenpolitisches Druckmittel. Die Wirkung ist allerdings ambivalent: Kurzfristig könnten Unternehmen in die USA verlagern, langfristig wird jedoch die Unsicherheit als investitionshemmend eingestuft.
3. Euroraum: Mäßige Erholung – Geldpolitik am Wendepunkt
Der Euroraum wächst gedämpft, aber stabil – 2025 um 1,0 % und 2026 um 1,3 %. Die EZB dürfte ihren Zinssenkungskurs bald beenden, da der Leitzins mit 2,5 % nah am neutralen Niveau liegt. Die Kombination aus fiskalischen Impulsen und niedrigen Zinsen stabilisiert die Konjunktur, doch Handelshemmnisse bremsen auch hier.
4. Deutschland: Strukturelle Probleme dominieren
Die deutsche Wirtschaft stagniert 2025 mit einem erwarteten Wachstum von nur 0,1 %. Für 2026 rechnen die Institute mit 1,3 %. Besonders strukturelle Schwächen bremsen:
- Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit, v. a. gegenüber China,
- Rückläufige Exporte und Verlagerung von Produktionskapazitäten,
- Bürokratische Hemmnisse und Fachkräftemangel,
- Kostenbelastung durch Dekarbonisierung.
Die Konjunkturimpulse durch neue staatliche Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur (500 Mrd. € über 12 Jahre) sind positiv, könnten jedoch bei ineffizienter Umsetzung verpuffen.
5. Arbeitsmarkt & Inflation
Die Arbeitslosenquote steigt auf 6,3 % (2025), 2026 wird mit leichtem Rückgang auf 6,2 % gerechnet.
Die Inflation geht zurück: von 2,2 % (2025) auf 2,1 % (2026). Importzölle könnten punktuell Preisdruck erzeugen.
6. Koalitionsvertrag: Licht und Schatten
Der neue Koalitionsvertrag enthält mehrere richtige Weichenstellungen:
- Stärkere Ausrichtung der Klimapolitik auf CO₂-Bepreisung,
- Förderung von Start-ups und Digitalisierung,
- Bürokratieabbau und Reform der vertikalen Finanzverfassung.
Kritikpunkte:
- Sozialversicherungen bleiben vage adressiert, notwendige Reformen werden aufgeschoben.
- Potenzialwachstum von über 1 % wird als ambitioniert, aber unrealistisch angesehen – realistisch seien 0,3 % bis 0,6 %.
- Die neue Verschuldungsbefugnis (strukturell bis zu 3,7 % des BIP) wirft Fragen nach der langfristigen Fiskalnachhaltigkeit auf.
7. Rüstungsausgaben: Notwendig, aber wachstumsdämpfend
Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben wird als sicherheitspolitisch notwendig erachtet, aber ökonomisch als konsumtiv statt produktiv bewertet. Mittel würden in stark ausgelastete Bereiche fließen – mit entsprechend niedrigen Multiplikatoren (geschätzt: ca. 1,0). Spillover-Effekte durch Forschung sind denkbar, aber nicht systematisch quantifiziert.
8. Strategische Empfehlung: Strukturelle Modernisierung statt kurzfristiger Impulse
Die Institute fordern ein stärker angebotsorientiertes Reformprogramm:
- Erhöhung der Produktivität durch Investitionen in Forschung und Entwicklung,
- Senkung der Staatsquote und zielgenaue Nutzung der neuen fiskalischen Spielräume,
- Strukturreformen im Arbeitsmarkt (z. B. Erwerbsbeteiligung Älterer und Teilzeitkräfte),
- Klare energiepolitische Strategie mit marktwirtschaftlichen Instrumenten statt Subventionen.
9. China & Handelsstrategie
Ein verstärkter Marktzugang Chinas nach Europa infolge der US-Zölle wird als realistische Gefahr gesehen. Die Institute warnen vor neuen Abhängigkeiten und plädieren für:
- Diversifikation der Handelspartner,
- Europäische Kreislaufstrategien,
- Stärkere europäische Industriepolitik.
Fazit
Die deutsche und europäische Wirtschaft stehen vor einer herausfordernden Phase. Zwar wurden in der Koalition wichtige Leitlinien gesetzt, doch bleibt deren Umsetzung entscheidend. Der ökonomische Aufbruch gelingt nur, wenn strukturelle Bremsen gelöst werden – nicht durch das Verteilen von Staatsgeld, sondern durch eine konsequente Modernisierung von Arbeitsmarkt, Verwaltung und Energiewirtschaft.