Wenn das Volk schrumpft, wird der Name zu groß

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, bekennender Fan von Brecht-Zitaten, hat die Büchse der Pandora einen Spalt weiter geöffnet. Er stellte nicht nur die Nationalhymne infrage, sondern legte – ob gewollt oder nicht – die Axt an die Wurzel: den Namen des Landes selbst. Denn wenn das Volk schwindet, was wird dann aus dem Land, das nach ihm benannt ist?

Die Zahlen sind unmissverständlich. Seit 1990 ist die Bevölkerung zwar um 3,8 Millionen gewachsen – doch dieser Zuwachs ist allein der Zuwanderung zu verdanken. Ohne sie wäre die Bundesrepublik heute ein deutlich kleineres Gebilde. Während im Westen die Metropolen boomen, schrumpfen ostdeutsche Regionen so rasant, dass mancherorts bald der Letzte das Licht ausmacht – und danach die Deutschlandfahne einholt.

Die Debatte um eine neue Nationalhymne wird von vielen bereits als Angriff auf die heiligen Bundesrepublik-T-Shirts empfunden. Doch während Traditionalisten noch um ihre T-Shirts bangen, denkt Ramelow bereits zwei Züge weiter. Wenn die Geburtenrate schneller schrumpft als das Bruttosozialprodukt, wirkt der Name „Deutschland“ irgendwann wie eine Übertreibung. Zu viel Land, zu wenig Deutsch. Zeit für ein Rebranding?

Passenderweise liefert Ramelows Vorschlag für eine neue Hymne, Bertolt Brechts „Kinderhymne“, die perfekte Vorlage für die neue Corporate Identity. Sie beginnt mit den Zeilen: „Was wird aus mir, wenn ich groß bin? / Wer braucht mich? Wer will mich haben?“ Ein Slogan, der nicht nur zur Identitätssuche einer alternden Nation passt, sondern auch die 35-jährige Sinnfrage beantwortet, ob Ost und West je wirklich zusammenwachsen.

Und wenn wir schon bei den Symbolen sind: Muss Schwarz-Rot-Gold bleiben? Oder spiegeln die Farben einer liberalen Revolution des 19. Jahrhunderts noch die Realität eines Landes wider, das seine Zukunft zwischen Pflegenotstand und TikTok-Trends sucht?

Diese Debatten, so absurd sie scheinen, sind nur die sichtbaren Symptome. Deutschland sucht nicht nur neue Fachkräfte, sondern eine neue Erzählung für sich selbst. Eine Antwort auf die Frage, die Brecht schon vor Jahrzehnten stellte: „Wer braucht mich? Wer will mich haben?“


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