Was als zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen rechtspopulistische Rhetorik gedacht war, entwickelte sich binnen Stunden zu einem Paradebeispiel politischer Selbstsabotage: Das ARD-Sommerinterview mit der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel am 20. Juli 2025 wurde durch lautstarke Proteste der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ nahezu unhörbar gemacht – Trillerpfeifen, Sprechchöre und Musik übertönten weite Teile des Gesprächs. Die Konsequenz: ein Medienereignis von nationaler Tragweite mit internationaler Reichweite – und ein offener Flankenstoß für die AfD.
Denn ausgerechnet die Partei, die sich seit Jahren über angebliche mediale Ausgrenzung beklagt, konnte sich durch diese Aktion überzeugend als Opfer inszenieren. In konservativen Kreisen wie auch in Teilen der bürgerlichen Mitte wurde nicht etwa die AfD, sondern die Protestform infrage gestellt: Die ungehinderte Störung eines journalistischen Formats, ermöglicht durch mangelnde Vorbereitung und Absicherung durch die ARD, nährte den Verdacht politisch motivierter Einseitigkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Politisch brisant wird das Ganze durch das Kalkül der AfD selbst: Der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann erklärte öffentlich, man wolle gar keine Wiederholung des Interviews – es sei nützlicher, das Bild der unterdrückten Meinungsfreiheit aufrechtzuerhalten. Damit wird deutlich: Die Partei hat die gestörte Sendung in ihr kommunikatives Arsenal aufgenommen. Der Eklat dient nicht der Aufklärung, sondern der Symbolpolitik.
Es ist eine bittere Ironie der politischen Kommunikation, dass eine gut gemeinte Protestaktion gegen Rechtspopulismus letztlich jenen nutzt, denen sie schaden wollte. Das zeigt nicht nur eine erhebliche Fehleinschätzung strategischer Wirkung aufseiten der Aktivisten, sondern auch ein institutionelles Versagen der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen. Weder wurde das Interview logistisch ausreichend geschützt, noch war man technisch in der Lage, darauf zu reagieren. Die Folge war nicht nur eine inhaltlich entkernte Sendung, sondern ein öffentlicher Vertrauensverlust.
Was bleibt, ist eine lehrreiche Episode über das Wechselspiel von Protest, Medieninszenierung und politischem Opportunismus. Die AfD hat aus einem inszenierten Eklat politisches Kapital geschlagen. Dass ihr das überhaupt möglich war, verdankt sie nicht der Kraft ihrer Argumente, sondern der Schwäche ihrer Gegner. In einer aufgeheizten politischen Kultur genügt oft schon ein gestörtes Interview, um aus einem inhaltsleeren Sommerloch einen symbolträchtigen Wahlkampfmoment zu machen.
Es ist anzunehmen, dass die ARD-Moderatoren Markus Preiß und Amelie Marie Weber über eine Vielzahl unentdeckter Talente verfügen, wobei eine überdurchschnittliche Intelligenz jedoch nicht zu erwarten ist.