Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu sehen, dass in Deutschland etwas gründlich schiefläuft. Wer heute in einer Großstadt eine Wohnung sucht, braucht entweder ein dickes Konto oder starke Nerven. Die Mieten explodieren, die Politik redet, die Bauwirtschaft jammert und die Mieter bleiben auf der Strecke. Es ist, als hätte man das Grundrecht auf Wohnen heimlich gestrichen und durch ein Spiel ersetzt, bei dem nur noch Glück entscheidet, wer ein Dach über dem Kopf hat.
Die Zahlen aus dem Bericht sind erschreckend, aber eigentlich braucht man sie gar nicht. Jeder, der schon einmal eine Wohnung gesucht hat, kennt das Gefühl, wenn man in eine Anzeige klickt und beim Preis kurz schlucken muss. Eine Zweizimmerwohnung für den Preis eines Kleinwagens, und dann noch ohne Balkon, aber mit Schimmel im Bad. In München, Berlin oder Frankfurt ist das längst Alltag. Und wenn man dann noch hört, dass viele Familien über die Hälfte ihres Einkommens für die Miete ausgeben, fragt man sich, wie lange das noch gut gehen kann.
Das Verrückte daran ist, dass die Politik so tut, als sei das alles ein Naturgesetz. Als könne man gegen steigende Mieten so wenig tun wie gegen schlechtes Wetter. Dabei ist das Problem hausgemacht. Jahrzehntelang wurde gebaut, aber falsch. Luxuswohnungen statt günstiger Mietwohnungen, Eigentum für Investoren statt für Menschen, die hier leben und arbeiten. Und wenn doch mal jemand bezahlbare Wohnungen bauen will, dann kommt ein Wust aus Vorschriften, Auflagen und Genehmigungen dazwischen, der jeden Mutigen wieder vertreibt.
Gleichzeitig reden alle vom Fachkräftemangel. Dabei ist doch klar, dass niemand in eine Stadt zieht, in der er sich keine Wohnung leisten kann. Der Wohnungsmarkt wird so selbst zum Jobkiller. Menschen pendeln stundenlang oder bleiben gleich ganz weg. Unternehmen suchen verzweifelt Mitarbeiter, aber die können sich die Mieten nicht leisten. Wer also von Deutschland als „Wachstumsmotor“ spricht, sollte mal fragen, wie lange dieser Motor noch läuft, wenn er auf einer leeren Wohnung dreht.
Was besonders bitter ist: Die Spaltung wächst. Wer schon lange in seiner Wohnung lebt, zahlt oft weniger als die Hälfte dessen, was ein Neumieter hinlegen muss. Das klingt erstmal gerecht, ist es aber nicht. Denn es sorgt dafür, dass niemand mehr umzieht. Alte Leute sitzen allein in großen Wohnungen, junge Familien quetschen sich in zu kleine. Wohnungen werden blockiert, die Nachfrage steigt, die Preise ziehen weiter an. Und wer neu ankommt, hat Pech gehabt. Der Wohnungsmarkt ist zu einer Lotterie geworden, bei der die Gewinner im Warmen sitzen und die Verlierer draußen frieren.
Natürlich kann man sagen, mehr bauen sei die Lösung. Aber das sagen wir seit Jahren, und trotzdem passiert zu wenig. Warum? Weil Bauen inzwischen so teuer ist, dass sich nur noch teure Wohnungen lohnen. Grundstücke sind Gold wert, Bürokratie bremst, und jeder Quadratmeter wird von Auflagen erdrückt. Während die Politik über Mietendeckel und Wohngeld diskutiert, kassieren andere weiter kräftig ab. Es ist, als ob man einen brennenden Dachstuhl mit einem Eimer Leitungswasser löschen will.
Man könnte es auch einfacher machen. Man könnte Bodenpreise deckeln, gemeinnützige Bauträger fördern, ungenutzte Flächen freigeben, leerstehende Büros zu Wohnungen umbauen und endlich aufhören, alles dem Markt zu überlassen. Aber dafür braucht es Mut, und Mut ist in der Wohnungspolitik selten. Stattdessen wird weiter geflickt und gefordert, während die Städte immer teurer, leerer und unsozialer werden.
Das Wohnen ist längst keine private Angelegenheit mehr, es ist eine Frage der Gerechtigkeit. Wenn die Hälfte des Landes für Miete arbeitet, dann läuft etwas grundlegend falsch. Vielleicht ist es Zeit, dass wir aufhören, über Mietpreisbremse und Neubauzahlen zu reden, und anfangen, über Würde zu reden. Denn eine Gesellschaft, die ihren Leuten kein Zuhause bieten kann, verliert mehr als nur Lebensqualität. Sie verliert ihre Seele.