Eine umfassende Analyse der gegenwärtigen Entwicklungen im deutschen Lebensmittelmarkt zeigt ein klares Bild: Von den teils drastisch gestiegenen Lebensmittelpreisen – in den letzten fünf Jahren um bis zu 40 Prozent – profitieren vor allem die großen Handelsketten sowie die international agierenden Markenhersteller. Die Landwirte und kleinen Produzenten, die am Anfang der Lieferkette stehen, gehen hingegen meist leer aus oder geraten wirtschaftlich zunehmend unter Druck.
1. Der Lebensmitteleinzelhandel als Hauptprofiteur
Die Konzerne Rewe, Edeka, Aldi und Lidl beherrschen gemeinsam rund 80–85 % des deutschen Lebensmittelmarktes – eine marktwirtschaftliche Konzentration, die es ihnen erlaubt, Preise wie auch Lieferbedingungen faktisch zu diktieren. Entgegen eigener Verlautbarungen über geringe Margen steigen die Umsätze und Gewinne dieser Unternehmen kontinuierlich. Besonders profitabel erweist sich das Geschäft mit Eigenmarken, deren Preise zwischen Januar 2022 und Januar 2023 um fast ein Drittel stiegen – mehr als doppelt so stark wie die der klassischen Markenprodukte. Die Handelskonzerne lassen Eigenmarken oftmals selbst produzieren und erzielen damit Umsatzrenditen, die teils doppelt oder dreimal so hoch sind wie bei Markenwaren.
Die Preissetzung erfolgt in einem Oligopol, in dem Preisveränderungen von einem Anbieter innerhalb von Stunden bundesweit übernommen werden – eine Struktur, die dem Idealbild eines freien Wettbewerbs Hohn spricht. So sind selbst Basisprodukte wie Butter oder Pizza in allen großen Ketten häufig auf den Cent genau gleich teuer. Diese Praxis stellt nach Ansicht von Wettbewerbshütern einen klaren Hinweis auf die faktische Preissteuerung dar, was der Verbraucher am Regal nicht durchschaut.
2. Die Markenhersteller: Gewinner im Windschatten der Inflation
Neben dem Handel zählen multinationale Lebensmittelkonzerne wie Nestlé, PepsiCo, Unilever, Mondelēz oder Coca-Cola zu den großen Profiteuren. Diese nutzen die allgemeine Inflationswahrnehmung als Deckmantel für überproportionale Preissteigerungen. So verzeichnete Coca-Cola etwa in zweieinhalb Jahren eine Preissteigerung von über 17 % pro Kasten, während der Konzern gleichzeitig einen Gewinn von rund 9,2 Milliarden Euro im Jahr 2024 auswies. Besonders hochverarbeitete Produkte, die große Margen ermöglichen, tragen erheblich zur Gewinnmaximierung bei. Zudem nutzen diese Unternehmen ihre starke Verhandlungsposition, da Produkte wie Nutella, Coca-Cola oder Maggi als „Must-haves“ gelten und Kundenfrequenz sichern – was ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Handel weiter stärkt.
Gleichzeitig werden Konsumenten durch sogenannte „Shrinkflation“ getäuscht: kleinere Packungsgrößen oder gesenkte Produktqualität bei gleichbleibendem Preis sind gängige Praxis, um Preiserhöhungen zu verschleiern und die Gewinnspanne zu wahren.
3. Verlierer: Landwirte und kleine Erzeuger
Am schlechtesten gestellt sind die Landwirte. Ihre Erlösanteile sind trotz gestiegener Verbraucherpreise kontinuierlich gesunken – vielfach liegen ihre Auszahlungspreise sogar unter den Herstellungskosten. Für einen Blumenkohl, der im Handel 99 Cent kostet, erhält der Landwirt nur etwa 45 Cent, obwohl die Produktionskosten bei bis zu 78 Cent liegen. Dies ist wirtschaftlich ruinös. Besonders dramatisch ist die Situation bei der Milch: Viele kleine Betriebe geben auf, obwohl Butterpreise im Einzelhandel Höchststände erreichen. Denn der Preisdruck auf Molkereien bleibt bestehen, da der Handel sie zum Senken der Rohmilchpreise zwingt – notfalls mit der Drohung, Produkte auszulisten.
Diese strukturelle Schieflage wird durch die Verderblichkeit vieler landwirtschaftlicher Produkte verschärft: Der Zeitdruck bei der Vermarktung lässt den Produzenten kaum Verhandlungsspielraum. Die von Handelsketten geforderten Zusatzleistungen (Werbekostenbeteiligungen, Strafzahlungen bei Lieferverzug, Kosten für Lagereröffnungen) belasten zusätzlich und verdeutlichen die asymmetrischen Machtverhältnisse entlang der Lieferkette.
Fazit
Der ökonomische Nutzen aus den steigenden Lebensmittelpreisen konzentriert sich bei wenigen großen Marktakteuren: dem oligopolistisch strukturierten Einzelhandel und global agierenden Markenherstellern. Beide nutzen ihre Machtpositionen, um Verkaufspreise zu erhöhen und Gewinnmargen auszubauen – oft intransparent und auf Kosten der landwirtschaftlichen Basis. Während der Verbraucher mit versteckten Preissteigerungen konfrontiert ist, werden bäuerliche Existenzen weiter marginalisiert. Die liberale Marktordnung wird in dieser Konstellation nicht etwa von zu viel Wettbewerb, sondern von zu wenig echter Konkurrenz bedroht. Eine politische und wettbewerbsrechtliche Reaktion ist überfällig.