Wettbewerb im Wandel – Bundesregierung nimmt Stellung zum 25. Hauptgutachten der Monopolkommission

Das Dokument mit der Drucksachennummer 21/905 enthält die Stellungnahme der Bundesregierung zum 25. Hauptgutachten der Monopolkommission mit dem Titel „Wettbewerb 2024“. Es behandelt wesentliche Entwicklungen und Herausforderungen der Wettbewerbspolitik in Deutschland. Die zentralen Punkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Unternehmenskonzentration in Deutschland
Die Monopolkommission beobachtet eine leichte Zunahme der Unternehmenskonzentration, insbesondere unter den „100 größten Unternehmen“. Die größten Gewinner dieser Entwicklung im Jahr 2022 waren u. a. BMW, BioNTech und Rheinmetall – bedingt durch Sondereffekte wie Pandemie, Energiekrise und Krieg in der Ukraine. Dennoch bleibt die Konzentration im internationalen Vergleich moderat. Ein Anstieg der Nachfragemacht auf Arbeitsmärkten wird zwar festgestellt, zeigt jedoch rückläufige Tendenzen. Die Bundesregierung teilt weitgehend die Einschätzung der Kommission, erkennt aber auch die Notwendigkeit differenzierter Analysen.

2. Preisaufschläge und Inflation
Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass Unternehmen systematisch von der hohen Inflation („Gierflation“) profitiert hätten. Vielmehr werden Kosten nur unvollständig an Verbraucher weitergegeben. Im Bereich der Lebensmittellieferkette zeigt sich jedoch eine strukturelle Verschiebung der Preisaufschläge vom Agrarsektor hin zum Einzelhandel. Die Bundesregierung begrüßt die angekündigte vertiefte Untersuchung durch ein Sondergutachten, mahnt jedoch zu methodischer Sorgfalt.

3. Kartellrechtliche Entwicklungen
Mit der 11. GWB-Novelle wurde das Wettbewerbsrecht deutlich erweitert. Das Bundeskartellamt erhielt neue Eingriffsrechte auch außerhalb klassischer Kartellverfahren, etwa durch Entflechtungsmöglichkeiten bei Marktversagen. Die Monopolkommission begrüßt die Stärkung, warnt aber vor regulatorischer Ausweitung z. B. im Krankenhaussektor, wo Wettbewerb durch Ausnahmen unterlaufen werde. Die Bundesregierung verteidigt hingegen die gezielten Ausnahmen im Sinne der Versorgungssicherheit.

4. Digitale Ökosysteme
Digitale Ökosysteme stellen besondere Herausforderungen für das Wettbewerbsrecht dar. Die Monopolkommission fordert eine explizite Verankerung dieser Struktur im § 19a GWB. Die Bundesregierung lehnt dies ab, da sie die bestehende Normstruktur und Rechtsprechung für ausreichend hält.

5. Datenzugang
Die Monopolkommission fordert ein einheitliches Prüfschema für wettbewerbsrechtliche Fragen beim Zugang zu Unternehmensdaten, angesichts zunehmender Überschneidungen zwischen nationalem und europäischem Recht (Data Act, Data Governance Act). Die Bundesregierung verweist auf die Prüfungskompetenz des Bundeskartellamts.

6. Wettbewerb im Fernwärmemarkt
Die Fernwärme wird als lokal monopolistisch und wenig wettbewerbsintensiv beurteilt. Die Kommission fordert mehr Transparenz, neue Preisregelungen und stärkere Regulierung. Der regulatorische Rahmen (z. B. Wärmeplanungsgesetz) könne zu De-facto-Gebietsmonopolen führen. Die Bundesregierung erkennt Reformbedarf an, betont aber zugleich die Wahlfreiheit der Verbraucher. Eine Novellierung der AVBFernwärmeV wird in Aussicht gestellt.

7. Weitere Themen
Die Stellungnahme umfasst zudem:

  • die Bewertung geplanter EU-Leitlinien zu Behinderungsmissbrauch (Art. 102 AEUV),
  • Überlegungen zur zivilrechtlichen Organhaftung bei Kartellverstößen,
  • die Notwendigkeit einer Ex-post-Evaluation von Fusionskontrollentscheidungen,
  • sowie Entwicklungen im Sportkartellrecht, bei denen die Bundesregierung weniger Regulierung wünscht als die Kommission.

Kritische Würdigung:
Das Dokument offenbart ein Spannungsverhältnis zwischen der eher technokratisch argumentierenden Monopolkommission und der politisch-pragmatischen Haltung der Bundesregierung. Während die Kommission mehr Wettbewerbsregulierung, Transparenz und institutionelle Weiterentwicklung fordert, bleibt die Bundesregierung häufig zurückhaltend und verweist auf Evaluationszeiträume, bestehende Rechtsrahmen oder wirtschaftspolitische Zielkonflikte (z. B. Versorgungssicherheit vs. Wettbewerb).

Die Wettbewerbspolitik bewegt sich zunehmend im Spannungsfeld zwischen traditionellen marktwirtschaftlichen Prinzipien und neuen Herausforderungen durch Digitalisierung, geopolitische Schocks und klimapolitische Zielsetzungen. Insofern liefert das Gutachten eine wertvolle Orientierung für zukünftige Regulierungsvorhaben – insbesondere dort, wo Wettbewerbssysteme von sich aus keine „Marktgerechtigkeit“ mehr erzeugen. Es bleibt jedoch offen, ob die Bundesregierung den vorgeschlagenen Reformbedarf tatsächlich mit dem erforderlichen politischen Nachdruck aufgreifen wird.


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