Die vorliegende Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit der Nummer WD 7-3000-044/25 vom 9. Juli 2025 behandelt den Amtsträgerbegriff im Zusammenhang mit § 113 Strafgesetzbuch (StGB), der den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte unter Strafe stellt. Die Ausarbeitung dient als fachliche Unterstützung für Abgeordnete des Deutschen Bundestages und gibt deren individuelle Anfrage wieder. Sie stellt keine offizielle Position des Bundestages oder seiner Organe dar und unterliegt gegebenenfalls Beschränkungen hinsichtlich Weitergabe und Veröffentlichung.
1. Regelungszweck und Anwendungsbereich von § 113 StGB
Gemäß § 113 Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer
„einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet“.
Der Schutzbereich dieser Norm ist eng gefasst: Es geht nicht um jede Handlung eines Beamten, sondern ausschließlich um Vollstreckungshandlungen, also die durchsetzungsorientierte Realisierung staatlichen Willens gegenüber Bürgern oder Sachen, gegebenenfalls auch unter Anwendung von Zwang.
Für eine Strafbarkeit nach § 113 StGB müssen daher drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Amtsträgerqualität der betroffenen Person (gemäß § 11 StGB),
- Berufung zur Vollstreckung (d. h. Zuständigkeit für die Durchsetzung staatlicher Anordnungen),
- Durchführung einer entsprechenden Diensthandlung im konkreten Fall.
2. Der Amtsträgerbegriff nach § 11 StGB
Die Definition des Amtsträgers findet sich in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Danach ist Amtsträger, wer
„nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen, unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform“.
Dieser Begriff umfasst also nicht nur klassische Beamte, sondern auch:
- Richter,
- Arbeitnehmer in öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnissen (z. B. Tarifbeschäftigte in Behörden, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen),
- Personen, die von einer Behörde beauftragt sind, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen – auch wenn sie nicht selbst Beamte sind.
3. „Vollstreckungsbeamter“ – engerer Anwendungsbereich als „Beamter“
§ 113 StGB schützt nicht jeden Amtsträger, sondern nur solche, die zur Vollstreckung berufen sind. Das bedeutet, dass die konkrete Handlung des Amtsträgers der Durchsetzung von Rechtsvorschriften oder behördlichen/gerichtlichen Anordnungen dient – also eine exekutive, durchsetzungsstarke Funktion ausübt.
Ein Amtsträger ist „zur Vollstreckung berufen“, wenn die notfalls auch zwangsweise Durchsetzung des staatlichen Willens zu seinen Aufgaben gehört (so Rosenau, Rn. 15). Dazu gehören insbesondere:
- Polizeibeamte bei polizeilichen Maßnahmen (z. B. Festnahmen, Räumungen),
- Gerichtsvollzieher bei Zwangsvollstreckungen,
- Zollbeamte bei Kontrollen oder Beschlagnahmen,
- Vollstreckungsbeamte der Finanzämter oder gesetzlichen Versicherungsanstalten,
- Strafvollzugsbeamte in der Anstalt,
- Richter, soweit sie die Sitzungspolizei ausüben (z. B. Ordnungsrufe im Gerichtssaal),
- Lehrer an öffentlichen Schulen, sofern sie die öffentliche Gewalt zur Durchsetzung der Schulordnung anordnungsgemäß ausüben (Dallmeyer, Rn. 4; Rosenau, Rn. 16).
Die Einordnung, ob jemand im konkreten Fall als „Vollstreckungsbeamter“ gilt, ist fallabhängig. Es reicht nicht aus, dass jemand allgemein öffentliche Aufgaben wahrnimmt – es muss eine exekutive, durchsetzungsorientierte Handlung im Einzelfall vorliegen.
4. Erweiterung des Schutzes durch § 115 StGB
Da nicht alle Personen, die staatliche Befugnisse ausüben, formal Amtsträger sind, sieht § 115 StGB vor, dass § 113 StGB entsprechend gilt für bestimmte Personengruppen, die keine Amtsträger im Sinne des § 11 StGB sind, aber ähnliche Funktionen wahrnehmen.
Absatz 1: Personen mit Polizeibefugnissen oder als Ermittlungspersonen
§ 115 Abs. 1 StGB schützt Personen, die
- die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben, oder
- Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind,
ohne Amtsträger zu sein.
Beispiele hierfür sind laut Bosch (Rn. 4):
- Bestätigte Jagdaufseher, soweit sie Berufsjäger und forstlich ausgebildet sind (im Rahmen des Jagdschutzes),
- Fischereiaufseher, die ähnlich wie Jagdaufseher reguliert sind.
Diese Personen genießen also denselben strafrechtlichen Schutz wie Vollstreckungsbeamte, wenn sie in Ausübung ihrer besonderen Befugnisse behindert werden.
Absatz 2: Unterstützende Personen (Hinzugezogene)
§ 115 Abs. 2 StGB erweitert den Schutz auf Personen, die zur Unterstützung bei einer Diensthandlung hinzugezogen werden. Dazu gehören:
- Zeugen bei Durchsuchungen (gemäß §§ 105 f. StPO, § 759 ZPO),
- medizinisches Personal bei körperlichen Untersuchungen (§ 81a StPO),
- Spediteure bei Sachpfändungen (§ 808 ZPO),
- Beauftragte von Abschleppdiensten bei Fahrzeugabschleppungen.
Auch Amtsträger können unter diese Kategorie fallen, wenn sie nicht in ihrer eigenen Zuständigkeit, sondern auf Anfrage eines anderen zuständigen Amtsträgers unterstützend tätig werden.
Nicht erfasst sind hingegen Verwaltungshelfer, die unaufgefordert Hilfe leisten. Erfasst sind nur solche, die auf ausdrückliche oder stillschweigende Billigung des Vollstreckungsbeamten hin tätig werden.
Absatz 3: Helfer bei Gefahrensituationen
§ 115 Abs. 3 StGB schützt schließlich Personen, die bei
- Unfällen,
- gemeiner Gefahr oder
- Not
tätig werden, insbesondere:
- Feuerwehrleute,
- Katastrophenschutzkräfte,
- Rettungsdienstpersonal,
- ärztlicher Notdienst,
- Personal in Notaufnahmen.
Wer diese Helfer durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt behindert, wird ebenfalls nach Maßgabe des § 113 StGB bestraft.
5. Fazit
Die Strafnorm des § 113 StGB schützt nicht jeden Beamten, sondern gezielt Vollstreckungsbeamte, also Amtsträger, die im konkreten Fall zur Durchsetzung staatlicher Anordnungen befugt und tätig sind. Die Anwendung setzt eine fallbezogene Prüfung voraus.
Durch § 115 StGB wird der Schutzbereich erheblich erweitert, um auch:
- Personen mit Polizeibefugnissen (z. B. Jagd- und Fischereiaufseher),
- unterstützende Dritte (z. B. Zeugen, medizinisches Personal),
- Helfer in Notsituationen (Feuerwehr, Rettungsdienst)
vor gewaltsamem Widerstand zu schützen.
Damit stellt die Normenkette aus §§ 113, 115 StGB ein umfassendes Schutzinstrument für die Durchsetzung staatlicher Ordnung und Hilfe in Gefahrenlagen dar.