Wie investieren deutsche Anleger?

Wie investieren deutsche Anleger? Eine Analyse der Depot-Daten von getquin

Die Anlagestrategien deutscher Investoren sind oft Gegenstand von Debatten. Eine aktuelle Analyse der Depot-Daten von getquin zeigt nun detailliert, auf welche Anlageklassen deutsche Anleger setzen, welche Unterschiede es zwischen großen und kleinen Depots gibt und welche Risiken damit verbunden sind. Die Auswertung liefert spannende Einblicke in die deutsche Investmentkultur – und gibt Anlass zu einer kritischen Betrachtung.

Über die Datengrundlage

Die Plattform getquin bietet ihren Nutzern ein Tool zur Portfolio-Analyse. Für die Studie wurden anonymisierte Daten von rund 330.000 deutschen Nutzern ausgewertet, unterteilt in vier Depotgrößen:

  • unter 3.000 Euro
  • 3.000 bis 30.000 Euro
  • 30.000 bis 100.000 Euro
  • über 100.000 Euro

Die Analyse zeigt auf, wie das investierte Vermögen verteilt ist – zwischen ETFs, Einzelaktien und Kryptowährungen – und welche Werte besonders beliebt sind.

Überraschendes Ergebnis: Anleger setzen stark auf Einzelaktien

Erwartungsgemäß hätten viele Experten angenommen, dass ETFs, als diversifizierte Anlageform, dominieren. Doch das Gegenteil ist der Fall: 55 % des Depots sind in Einzelaktien investiert, während ETFs lediglich 37 % ausmachen. Kryptowährungen kommen auf einen Anteil von 3,5 %.

Interessanterweise zeigt sich, dass gerade kleinere Depots stärker auf Einzelaktien setzen als größere Depots. Eine Theorie besagt, dass kleine Depots oft als „Zocker-Depots“ genutzt werden, während größere Investoren stärker diversifizieren.

Welche Aktien sind besonders beliebt?

Unabhängig von der Depotgröße dominieren US-Technologieaktien. Die drei meistgehaltenen Werte sind Nvidia, Apple und Microsoft. Auch Amazon, Alphabet, Meta und Tesla gehören zu den Favoriten. Lediglich ein deutsches Unternehmen, die Allianz, schafft es unter die fünf beliebtesten Aktien – wohl wegen ihrer hohen Dividendenausschüttungen.

Neben der USA-Lastigkeit fällt auch ein sogenannter Home Bias auf: Mit SAP, BASF, Munich Re, Allianz und der Deutschen Telekom sind gleich fünf DAX-Konzerne unter den 20 meistgehaltenen Einzelaktien. Eine Fokussierung auf heimische Aktien birgt jedoch Risiken, da der deutsche Markt nur 2,3 % des globalen Aktienmarktes ausmacht.

Expertenwarnung: Hohe Risiken durch mangelnde Diversifikation

Finanzexperten wie Andreas Hackethal (Uni Frankfurt) und Nils Nauhauser (Verbraucherzentrale Baden-Württemberg) sehen in dieser Strategie ein erhebliches Klumpenrisiko. Die starke Konzentration auf Einzelaktien, insbesondere im Technologiesektor, erhöht das Risiko im Vergleich zu breit diversifizierten ETFs. Wer versucht, durch Einzelaktien den Markt zu schlagen, verliert langfristig entweder Rendite oder nimmt höhere Risiken in Kauf.

Warum setzen so viele Anleger auf Einzelaktien?

Eine mögliche Erklärung liegt in den demografischen Faktoren: Die Mehrheit der getquin-Nutzer ist zwischen 20 und 35 Jahre alt und zu 75 % männlich. Studien zeigen, dass junge Männer oft eine höhere Risikoaffinität aufweisen und stärker zu spekulativen Anlagen neigen. Viele empfinden zudem den Kauf von Einzelaktien als spannender als einen passiven ETF-Sparplan.

Hat sich die riskante Strategie gelohnt?

Die Performance der Depots war in den letzten Jahren durchwachsen. Während 2024 alle Depots eine starke Rendite von über 20 % erzielten, schnitten größere Depots mit 30,2 % besser ab als kleine Depots (24,2 %). Allerdings lag die Rendite der großen Depots nur knapp über der des S&P 500 – und das bei deutlich höherem Risiko.

Langfristige Investment-Tipps der Experten

Wer Vermögen langfristig aufbauen will, sollte sich an einige Grundsätze halten:

  1. Breite Diversifikation: Weltweit gestreute ETFs sind langfristig sicherer als Einzelaktien.
  2. Risikominimierung: Einzelaktien sollten nur einen kleinen Teil des Depots ausmachen.
  3. Geduld statt Spekulation: Kurzfristige Gewinne sind schwer planbar – langfristige Strategien führen eher zum Erfolg.
  4. Tagesgeld und Festgeld als Sicherheit: Ein Teil des Kapitals sollte in risikoarme Anlageformen fließen.
  5. Krypto-Investments? Experten sind gespalten – während Hackethal bis zu 5 % für vertretbar hält, warnt Nauhauser vor der hohen Volatilität.

Fazit: Investieren mit Strategie statt Spekulation

Die Analyse zeigt, dass viele deutsche Anleger hohe Risiken eingehen, indem sie stark auf Einzelaktien setzen. Besonders junge männliche Investoren neigen dazu, mit Einzelaktien den Markt schlagen zu wollen – eine Strategie, die in den meisten Fällen nicht langfristig aufgeht. Wer erfolgreich investieren will, sollte auf eine kluge Mischung aus ETFs, Tagesgeld und eventuell einem kleinen Einzelaktienanteil setzen. Denn langfristig gilt: Geduld und Diversifikation zahlen sich aus.


Zusammenfassung: Deutsches Anlageverhalten – Aktien vs. ETFs

Die Analyse des Anlageverhaltens deutscher Anleger, basierend auf Daten von getquin, zeigt folgende Schlüsselerkenntnisse:

1. Anlageklassenverteilung und Depotgröße:

  • Einzelaktien dominieren: Über alle Depotgrößen hinweg sind 55% des Vermögens in Einzelaktien investiert, gefolgt von ETFs (37%) und Kryptowährungen (3,5%).
  • Depotgröße beeinflusst Strategie:
    • Kleinere Depots (unter 3.000 €): Höherer Anteil an Einzelaktien, höhere Risikobereitschaft („Zockerdepots“).
    • Größere Depots (über 100.000 €): Stärkerer Fokus auf ETFs, risikobewusster.
  • Rendite: Größere Depots erzielten 2024 höhere Renditen, aber der Mehrwert gegenüber breit gefächerten Indizes war gering.

2. Einzelaktien-Präferenz, besonders bei jungen Anlegern:

  • Faktoren: Höhere Risikobereitschaft, Wunsch den Markt zu schlagen, Nervenkitzel, Selbstüberschätzung, Ungeduld.
  • Geschlecht: Überproportional viele Männer investieren in Einzelaktien.

3. Tech-Aktien-Fokussierung:

  • Beliebte Aktien: Nvidia, Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google), Meta, Tesla (die „Magnificent 7“).
  • Kritik von Experten:
    • Hohes Risiko: Mangelnde Diversifikation, Klumpenrisiko.
    • Home Bias: Übergewichtung des US-amerikanischen Marktes.
    • Renditeverluste: Versuch, den Markt zu schlagen, führt oft zu geringeren Renditen.

4. Expertenrat zur Risikostreuung:

  • Diversifikation durch ETFs: Breit gestreute ETFs, die alle Weltregionen abdecken.
  • Reduzierung des Einzelaktienanteils: Begrenzung des Anteils von Einzelaktien im Portfolio.
  • Sicherheitsbausteine: Tagesgeld und Festgeld.
  • Vermeidung von Home Bias: Investition in ausländische Märkte.
  • Kritische Bewertung von Krypto: Vorsicht bei Krypto-Investitionen.

Zusammenfassend: Deutsche Anleger, insbesondere jüngere, zeigen eine starke Präferenz für Einzelaktien, vor allem US-amerikanischer Technologieunternehmen. Experten warnen vor den damit verbundenen Risiken und empfehlen eine breitere Diversifikation durch ETFs, um langfristig erfolgreich zu investieren.


FlatexDEGIRO-Studie zum europäischen Privatanlegerverhalten

Die flatexDEGIRO-Studie 2024 liefert tiefgehende Einblicke in das Anlageverhalten von Privatinvestoren in 16 europäischen Ländern. Sie basiert auf realen Transaktions- und Portfoliodaten von über 3,1 Millionen Kunden, wodurch sie objektiver ist als klassische Umfragen. Die Studie untersucht demografische Entwicklungen, Handelsverhalten, Produktpräferenzen sowie regionale Unterschiede.

1. Strukturelle Veränderungen im Anlegerprofil: Frauen und junge Investoren im Aufwind

1.1. Frauen holen auf, bleiben aber unterrepräsentiert

  • Die Anzahl der weiblichen Kunden stieg 2024 um 20 % auf 575.000, während das Gesamtwachstum der Kundenzahl bei flatexDEGIRO nur 14 % betrug.
  • Trotzdem bleibt die Frauenquote mit 19 % weiterhin deutlich hinter der Männerquote zurück.
  • Frauen zeigen tendenziell ein konservativeres Anlageverhalten und bevorzugen ETFs gegenüber Einzelaktien.

1.2. Jüngere Anleger wachsen rasant

  • Die Gruppe der 18- bis 24-Jährigen legte mit 31 % Wachstum am stärksten zu.
  • Sie machen inzwischen 10 % der Kundenbasis aus (ca. 310.000 Anleger).
  • Der Großteil der Anleger bleibt jedoch zwischen 25 und 54 Jahren (rund 75 % der Kundenbasis), mit tendenziell höheren Depotvolumina.

1.3. Aktivitätsunterschiede nach Altersgruppen

  • Ältere Anleger ab 55 Jahren handeln signifikant häufiger als andere Altersgruppen.
  • Männer sind im Durchschnitt fast doppelt so aktiv wie Frauen.
  • Über alle Altersgruppen hinweg lag die durchschnittliche Anzahl der Transaktionen bei 22 pro Kunde im Jahr 2024.

👉 Bewertung: Der Trend zur Diversifizierung des Anlegerprofils ist positiv, aber Frauen bleiben weiterhin unterrepräsentiert. Die wachsende Beteiligung junger Anleger könnte langfristig die Marktdynamik beeinflussen.

2. Produktpräferenzen: ETFs auf dem Vormarsch, aber Aktien dominieren

2.1. Aktien bleiben führend, aber ETF-Anteile steigen

  • 55 % des gesamten Portfoliovolumens entfielen Ende 2024 auf Aktien.
  • ETFs machten 40 % aus, wobei ihr Anteil um 5 Prozentpunkte gegenüber 2023 gestiegen ist.
  • Besonders bei Frauen und jüngeren Anlegern haben ETFs bereits Aktien als bevorzugtes Anlageprodukt überholt.

2.2. Hebelprodukte und Zertifikate mit überproportionaler Handelsaktivität

  • Zertifikate und Hebelprodukte machen weniger als 5 % der verwahrten Vermögenswerte aus.
  • Dennoch entfielen auf diese Produkte fast 17 % aller Transaktionen – ein Zeichen für aktives, spekulatives Trading.

2.3. Noch keine Daten zu Kryptowährungen

  • Seit Dezember 2024 bietet flatexDEGIRO den Handel mit Kryptowährungen in Deutschland an, eine europaweite Einführung ist geplant.
  • Die Studie enthält dazu noch keine Zahlen, doch das Interesse an digitalen Assets könnte künftig eine Rolle spielen.

👉 Bewertung: Während Aktien das dominierende Anlageprodukt bleiben, gewinnen ETFs vor allem bei risikoaverseren Gruppen an Bedeutung. Die hohe Transaktionsaktivität bei Hebelprodukten deutet auf ein Segment aktiver Trader hin.

3. Marktschwerpunkte: Internationale Standardwerte und Tech-Dominanz

3.1. Starke Orientierung an internationalen Standardwerten

  • 56 % der Aktieninvestments flossen in Unternehmen des MSCI World Index.
  • Legt man nur die nationalen Leitindizes zugrunde, beträgt der Anteil noch 36 %.
  • Besonders ältere Anleger (ab 55 Jahren) bevorzugen internationale Aktien mit einem Anteil von 63 %, während dieser in jüngeren Altersgruppen zwischen 70 und 75 % liegt.

3.2. Tech-Sektor unangefochten an der Spitze

  • Technologieaktien machten 28 % der Portfolios aus, bei jungen Anlegern (18–24 Jahre) sogar 31 %.
  • Danach folgen mit jeweils rund 8 % die Sektoren Gesundheitswesen und Industriegüter.
  • Besonders junge Anleger setzen stärker auf Automobilwerte als ältere Generationen.

3.3. Die meistgehandelten Aktien 2024

  • Nvidia, ASML Holding und Tesla waren die am häufigsten gehandelten Titel.
  • Diese Unternehmen stehen für starke Wachstumsfantasien und technologische Marktführerschaft.

👉 Bewertung: Die starke Präferenz für Technologieaktien ist wenig überraschend, könnte aber langfristig zu Klumpenrisiken führen. ETFs gewinnen als Diversifikationsinstrument an Bedeutung.

4. Regionale Unterschiede im Anlageverhalten

  • In 7 der 10 größten Märkte dominieren Einzelaktien gegenüber ETFs.
  • Österreich und Portugal sind Ausnahmen, hier sind ETFs führend.
  • In Italien sind beide Produktgruppen etwa gleich stark.
  • Über alle Märkte hinweg dominieren Technologieaktien, gefolgt von Industriegütern, Gesundheitswesen und Einzelhandel.
  • Nvidia und Tesla gehören fast überall zu den Top-5-Aktien.

👉 Bewertung: Während es nationale Unterschiede gibt, bleibt die Präferenz für internationale Standardwerte und Tech-Aktien ein übergreifender Trend.

Fazit: Wichtige Erkenntnisse und Implikationen

  1. Demografischer Wandel:
    • Frauen und junge Anleger nehmen stärker am Marktgeschehen teil, bleiben aber in absoluten Zahlen noch hinter Männern zurück.
    • Die Handelsaktivität nimmt mit dem Alter zu.
  2. Veränderte Produktpräferenzen:
    • ETFs gewinnen zunehmend Marktanteile, während Aktien dominant bleiben.
    • Hebelprodukte sind für aktive Trader interessant, spielen aber volumenmäßig eine geringe Rolle.
  3. Fokus auf Tech-Werte und Standardwerte:
    • Technologie bleibt der wichtigste Sektor, mit Nvidia, ASML Holding und Tesla als Leitaktien.
    • Internationale Standardwerte dominieren, mit hoher Präferenz für MSCI World-Aktien.
  4. Regionale Unterschiede:
    • Die Gewichtung von Aktien vs. ETFs variiert zwischen Ländern.
    • Die Technologiedominanz ist europaweit erkennbar.

Langfristige Implikationen

  • Frauen und junge Anleger werden den Markt langfristig prägen.
  • Die zunehmende Beliebtheit von ETFs deutet auf eine stärkere Diversifikationsstrategie hin.
  • Der extreme Fokus auf Tech-Werte birgt Chancen, aber auch Risiken im Fall von Marktkorrekturen.
  • Mit dem kommenden Krypto-Angebot von flatexDEGIRO könnte sich das Anlageverhalten erneut verschieben.

Insgesamt zeigt die Studie eine dynamische Entwicklung des europäischen Privatanlegerverhaltens, mit wachsender Diversität und veränderten Anlagepräferenzen.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater